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Popkultur

Das Wiener Kettensägenmassaker von Martin Nechvatal

Schon lange vor In 3 Tagen bist du tot wurden in Österreich Horrorfilme gedreht. Einer davon ist am heurigen Slash zu sehen.

Ich habe Martin Nechvatal irgendwann zu Beginn der Nuller-Jahre kennengelernt, als ich in einer Videothek im 18. Bezirk gearbeitet habe. Der Besitzer, Elmar Weihsmann, war ein Horror-Fan und Verrückter erster Klasse. Wie Jesus seine 12 Apostel hat mein damaliger Chef eine Horde Gleichgesinnter um sich gescharrt: einen Geschichte-Professor, der lieber Schauspieler werden wollte, eine Uni-Beauftragte in Sachen Gender, die Elmar mütterlich umsorgte, einen dauerbekifften Jazz-Musiker in Frühpension, der immer nur „der Langsame" genannt wurde, eine WU-Studentin, die die Hauptrolle in Spanking-Videos spielte und natürlich der Special Effects-Beauftragte für Elmars Filme, Martin Nechvatal.

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Dieser Blogpost, und das sollte euch von Anfang an klar sein, ist die Würdigung eines Typen, der zu einer Zeit aufgewachsen ist, als das Außenseiter-sein noch richtig beschissen war. Und da macht es auch gar nicht so viel Unterschied, ob man so wie Christian Fuchs auf dem Land groß geworden ist und von dem diese Geschichte auch handeln könnte, der aber hier nur am Rande in Erscheinung tritt, oder in der Stadt wie Nechvatal. Denn obwohl die Pubertät noch bis ins Jahr 2574 die schlimmste Phase eines jeden Lebens bleiben wird, hat sich zumindest das Bild des Sonderlings in den letzten Jahren erheblich verbessert.

Foto: David Bogner

Wir leben im Zeitalter des Nerds, wo die großen Studios nur mehr mit Comic-Verfilmungen ordentlich Kohle verdienen und eine Zombie-Serie alle TV Rekorde bricht. Wer aber in den 70ern, 80ern oder vielleicht sogar frühen 90ern geboren wurde, hatte noch nicht das Glück, dass Schule-Abbrechen und deiner-Leidenschaft-Nachgehen etwas war, wofür dir deine Eltern wohlwollend auf die Schultern geklopft haben.

Womit wir im schönen Jahr 1993 angekommen wären: Bill Clinton wird als Präsident angelobt, Meat Loaf ist mit „I'd Do Anything for Love" 12 Wochen an der Spitze der österreichischen Charts und Martin Nechvatal dreht seinen ersten Film, der auch beim heurigen Slash-Filmfestival laufen wird. Also haben wir Martin getroffen und uns von ihm die Geschichte hinter seinen ersten 3 Filmen erzählen lassen.

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Am Set von Das Wiener Kettensägenmassaker, Foto von Martin Nechvatal.

Das Wiener Kettensägenmassaker

Ich habe Anfang der 90er Splatting Image gelesen und mir ist ein Artikel über italienische Kannibalen-Filme untergekommen. Inspiriert davon hatte ich 1992 die Idee zu einem eigenen Kannibalen Film, Fleisch isst Fleisch, und einem zweiten, Garden of Blood, die leider beide nie fertig geworden sind. Ich hab aber im gleichen Jahr The Texas Chainsaw Massacre gesehen und war sofort komplett vernarrt in den Film. So ist die Idee entstanden meine eigene, wienerische Version des Films zu drehen—in einer Gstätten am Rennbahnweg und mit einer Gruppe Ministranten als Darsteller. Ich war damals auch selbst Kirchendiener in der Rennbahnweg-Kirche im 22. Bezirk und so hat sich das ergeben. Die Schwierigkeit bestand also nicht darin, die Schauspieler zu finden, sondern die Technik aufzustellen. In den 90ern ist man nicht so einfach an Kameras gekommen wie heute. Aber ich hatte das Glück vom Medienzentrum unterstützt zu werden, was dazu führte, dass der Film bei den Wiener Video- und Filmtagen uraufgeführt wurde—unter Entsetzen des Publikums und mancher Eltern meiner Stars. Meinen miteingeschlossen.

Eine Szene aus Horror Maniacs—I Want to See Pig Blood, Foto von Martin Nechvatal.

Horror Maniacs—I Want to See Pig Blood

Das war quasi eine Fortsetzung vom Wiener Kettensägenmassaker, die typische Slasher-Story von Kids, die in ein altes Haus kommen und der Reihe nach dezimiert werden. Es spielt sogar eine Überlebende vom ersten Film mit, die dann auch gejagt wird. Der Film ist eigentlich eine völlige Katastrophe. Das einzig interessante ist, dass der Film 20 sehr gut gemachte Splatter-Effekte beinhaltet und Teile der Musik von Fetish 69 stammen, die auch den Untertitel I Want to See Pig Blood beigesteuert haben. Der Film wurde nie wirklich aufgeführt und so steht er auch nicht in der IMDB, weil ich nicht nachweisen konnte, dass es den Film tatsächlich gibt.

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Der Hauptdarsteller von Born of Oblivion, Foto von Martin Nechvatal.

Born of Oblivion

Ich wollte ursprünglich eigentlich einen dritten Kettensägen-Film in der Ordination meines Vaters, der Kinderarzt ist, drehen, aber dazu ist es nie gekommen. Ich hatte keine Lust mehr auf Splatter rein um des Splatters Willen. Die Homemade Szene aus Deutschland, die ich verfolgt hab, fand ich mit Ausnahme von Jörg Buttgereit, einfach zu schlecht, obwohl die Effekte von Olaf Ittenbach und Andreas Schnaas teilweise großartig waren. Stattdessen hab ich die Geschichte eines vereinsamten Menschen gedreht, der Visionen von kopflosen Ärzten hat, sich zum Teil tatsächlich vor der Kamera verstümmelt und zum Schluss Amok läuft. Das war eher ein Psychogramm und hatte auch viel mit mir selbst zu tun, weil es mir damals auch einfach nicht so gut ging. Wieder waren Fetish 69 involviert. Vom Keyborder der Band stammte damals zum Beispiel die Idee, dass der Hauptdarsteller mit der Hand über die Wand fährt und dabei alle Fingernägel abbrechen. Mit dem Film war ich schon eher bei den Wiener Aktionisten als beim Splatter und dementsprechend hat auch das Publikum reagiert: verstört. Aber ich hab meinen ersten Preis bei den Video- und Filmtagen bekommen.

Foto vom Set von Das Wiener Kettensägenmassaker von Martin Nechvatal.

Martin Nechvatal hat dann noch einige Kurzfilme gedreht—unter anderem Hospiz, der von seiner Zeit im Zivildienst inspiriert war. Wie viele von uns, hatte der Filmemacher Schwierigkeiten mit dem Aufwachsen, der Liebe und generell dem Leben, nur dass er diese Schwierigkeiten in Kunst verpackt hat. Das beschreibt sein Werk vermutlich am besten. Martin hat sich für seine Filme viel von seiner eigenen, kaputten Seele inspirieren lassen und trotz vieler Widerstände und Schwierigkeiten nie aufgegeben, sein Ding durchzuziehen. Genau das macht für mich—neben ganz banaler, blutspritzender Unterhaltung ohne tieferen Sinn—generell den Charme von Horror aus.
Mitte der Nuller-Jahre hat sich Martin immer mehr aus dem Filmemachen zurückgezogen und sich auf das Leben auf der Bühne konzentriert. Gemeinsam mit Freunden hat er das 1. Wiener Bluttheater ins Leben gerufen, das eine abartige Mischung aus Horror-Varieté und Kunstperformance darstellte und mehrere Saisonen lang in wechselnden Locations aufgeführt wurde.
Falls ihr das verpasst habt, geht zum Slash und schaut euch Das Wiener Kettensägenmassaker an. Oder wartet, geht einfach in jedem Fall hin. Es verkürzt die Wartezeit auf Martin Nechvatals nächste Werke, zwei Dokumentationen, von denen sich eine mit dem Lebenswerk von Carl Andersen beschäftigt und die zweite mit dem österreichischen Hexenfilm-Doppelpack: Hexen bis aufs Blut gequält und Hexen—geschändet und zu Tode gequält.