FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Tattoos, Krankheiten und Hautfetzen: Eine Ausstellung rund um unser größtes Organ

Im berüchtigten Mütter Museum von Philadelphia hat eine neue Ausstellung eröffnet, in der sich alles um unsere Haut dreht. Die Kuratorin erzählt uns von Einmachgläsern voller Hautfetzen und eingelegten Tattoos.

Eine Frau, die an Syphilis leidet | Alle Bilder: bereitgestellt vom Mütter Museum

Die Haut ist der wohl vielseitigste Teil des menschlichen Körpers: Sie reguliert die Körpertemperatur, sie gibt oft Anzeichen für innere Krankheiten und sie kann zur Kunst werden. Manchmal wird die menschliche Haut sogar als Bucheinband genutzt oder in eine Trommel verwandelt (wie nützlich!). Da Haut so cool ist, hat das Mütter Museum von Philadelphia jetzt sogar eine ganze Dauerausstellung dazu eingerichtet.

Anzeige

Das Mütter Museum ist für seine Ansammlung von medizinischen Kuriositäten bereits gut bekannt: So findet man dort Grover Clevelands Gaumen-Krebsgeschwür, Stücke von Albert Einsteins Gehirn sowie ein über 2,30 Meter großes Skelett.

Die Ausstellung Our Finest Clothing: A Layered History of our Skin passt dabei perfekt zum doch etwas provokativen Ruf des Museums und beinhaltet ein ganzes Spektrum an tätowierten Hautstücken, Wachsmodellen und Illustrationen von verschiedenen Hautkrankheiten. Aber auch ein großes Gefäß voller Hautfetzen, das von einer Frau mit Dermatillomanie gespendet wurde, lässt sich unter den Ausstellungsstücken finden. Dem Museum zufolge ist das Ziel der Ausstellung, die Biologie, die Pathologie sowie die kulturellen Aspekte der menschlichen Haut sowohl von einem historischen als auch von einem zeitgenössischen Blickwinkel aus zu betrachten.

Ich habe mich mit der Kuratorin Anna Dhody in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, warum sie gerade unsere Haut zum Hauptthema der neuen Ausstellung gemacht hat.

Motherboard: Waren Necropants die Skinny Jeans des 17. Jahrhunderts?

VICE: Wie wird das Thema Haut in deiner Ausstellung angegangen?
Anna Dhody: Wir setzen uns zum Beispiel damit auseinander, was Haut überhaupt ist. Dazu kommen dann noch einige interessante Tatsachen zum Thema Haut: Zum Beispiel verliert ein durchschnittlicher Mensch im Jahr ungefähr vier Kilogramm an abgestorbenen Hautzellen. Und innerhalb eines Monats erneuert sich die Haut komplett.

Anzeige

Um die Haut hat sich auch eine ganze Kultur entwickelt—Body Modification, Tattoos, Piercings und so weiter. Man muss doch nur mal daran denken, wie viele Menschen auf der Welt eine Tätowierung oder ein Piercing haben. Solche Dinge wirken sich direkt auf die Haut aus und meiner Meinung nach beschäftigen wir uns unglaublich viel mit Haut und dieser dazugehörigen Kultur. Wir haben hier bei der Ausstellung ja auch einige wunderschön tätowierte Hautstücke, die den Besuchern sicher gut gefallen werden. Es gibt auch nur einen kleinen Dermatologie-Bereich, weil ich die ganze Ausstellung nicht zu wissenschaftlich gestalten wollte.

Ein konserviertes Tattoo aus der ausgestellten Sammlung

Wie bist du an die konservierten Tattoos der Ausstellung gekommen?
Die Tätowierungen waren Teil einer größeren Spende einer medizinischen Einrichtung. Da haben wir natürlich nicht Nein gesagt. Leider wurden uns dazu keine weiteren Informationen überliefert und deshalb wissen wir selbst nur das, was man mit dem bloßen Auge erkennen kann. Einige Tattoo-Experten haben jedoch gemeint, dass diese Exemplare ziemlich alt sein müssen—vielleicht sogar über 100 Jahre. Anfang April soll ein Forscher herkommen, der das Ganze etwas genauer analysiert.

Was hat es mit dem Gefäß voller Hautfetzen auf sich?
So etwas würde man bei einer normalen Hautausstellung wohl nicht finden. Eines Tages schickte uns eine nette junge Dame eine Mail, in der stand, dass ihre „Mitbewohnerin" beim Auszug alles mitgenommen hätte—bis auf ein Einmachglas voller Hautstücke. Sie fragte, ob wir dieses Einmachglas haben wollen würden. Zwar war mein Interesse geweckt, aber ich hegte dennoch gewisse Zweifel. Letztendlich habe ich dann allerdings zurückgeschrieben, dass wir die Haut nehmen würden. Etwas später kam dann ein Paket ins Haus geflattert—darin enthalten waren zwei Einmachgläser voller Hautfetzen sowie eine Nachricht: „Das mit der Mitbewohnerin war übrigens gelogen. Die Haut stammt von mir."

Anzeige

Ein Einmachglas voller Hautstücke

Oha. Warum hat sie die Haut überhaupt abgezupft?
Die Frau leidet an Dermatillomanie und ist sich dessen auch bewusst. Ihr zufolge zupft sie aber ausschließlich die Haut an ihren Füßen ab. Einige der Hautfetzen sind auch etwas dunkler—die wurden dann wohl im Winter abgekratzt, denn da trug sie immer nur schwarze Socken. Das steht alles in der Nachricht, die sie uns mitgeschickt hat.

Spenden dieser Art—also tätowierte oder abgezupfte Hautstücke—sind doch etwas sehr Persönliches. Wie haben deine Kollegen da reagiert?
Ich musste mir von meinen Kollegen da schon einiges anhören, denn obwohl sie hier im Mütter Museum arbeiten, fanden sie das schon fast zu bizarr. Ich sehe darin jedoch eher eine Möglichkeit für mich als Kuratorin, über eine psychische Krankheit zu sprechen und dazu dann auch tatsächlich sichtbares Anschauungsmaterial zu haben. Ich meine, Depressionen oder Schizophrenie lassen sich nicht in Flaschen abfüllen. Wenn ich jedoch etwas über Dermatillomanie erzähle und dabei das Einmachglas voller Haut vorzeigen kann, dann hinterlässt das doch einen bleibenden Eindruck.

Eine Frau mit Herpes Zoster

Neben den psychischen Störungen setzt ihr euch in der Ausstellung auch mit Hautkrankheiten auseinander, richtig?
Unser Museumsdirektor Robert litt früher an Hautkrebs und Teile davon stellen wir zusammen mit seiner Erzählung über den Verlauf der Krankheit aus. Weil viele unserer Besucher selbst schon mal irgendwie mit einem Hautkrebs-Fall zu tun hatten, haben wir uns dieses Thema bewusst ausgesucht. Meiner Meinung nach sind die tatsächlich von Krebs betroffenen Hautstücke in Verbindung mit dem Text unglaublich interessant.

Dermatitis exfoliativa

Wollen euch auch Leute ihre Haut nach ihrem Tod überlassen? Zum Beispiel Tattoos und so weiter?
So etwas kommt sogar recht häufig vor. Einige wollen uns nach ihrem Tod sogar ihren ganzen Körper überlassen, aber das geht allein schon aus platztechnischen Gründen nicht. Bei einzelnen Körperteilen müssen wir den Leuten dann immer mitteilen, dass sie das logistisch und finanziell gesehen selbst stemmen müssten. Uns stünden ja nicht mal die passenden medizinischen und wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung, um eine solche Prozedur durchzuführen.

Manchmal werden uns auch Sachen von verstorbenen Verwandten oder so angeboten. Da ist die ganze Sache dann schon leichter und das nehmen wir dann auch meistens an. In Bezug auf die Leute, die uns nach ihrem Tod irgendetwas von sich selbst überlassen wollen, müssen wir jedoch sagen: „Danke, aber wir passen."