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DIE SCHNITZEL UND STRUDEL AUSGABE

VICE Reviews

Angenehm abgefuckte Texte, Tschick-Exzesse und Hexer-Musik. Die Reviews sind da.

BLACK LIPS
Underneath The Rainbow
VICE Records
9
Du kennst das Spiel: Die Black Lips veröffentlichen ein Album auf VICE Records und wir zerbrechen uns den Kopf, wie man dessen außerordentliche Großartigkeit abfeiern könnte, ohne dabei befangen, unkritisch oder unglaubwürdig rüberzukommen. Aber ganz ehrlich: Eigentlich ist es uns mittlerweile tatsächlich komplett wurscht, ob du uns das hier noch glaubst oder nicht. Das Image der seit 15 Jahren an der Zündschnur der Garage-Explosion kokelnden Chaotentruppe aus Atlanta, die auf der Bühne ihr Wasser nicht halten kann, diversen anderen Schweinskram anstellt (bevorzugt mit deiner Freundin, die schon seit Beginn des Konzerts sehnsüchtig vor der Backstagetür wartet) und so zurechnungsfähig ist wie John McEnroe im Tie Break, ist längst dem Renommee einer gut geölten und präzise arbeitenden Rock‘n‘Roll-Maschine gewichen. Sauber getaktete Hitmotoren im Zweijahresrhythmus bei Privatleben-erodierendem Dauertourverhalten raus- zuhauen—das deutet auf irgendeine superhumanoide Lebensform hin, ohnehin in ein paar Jahren, vielleicht aber auch schon mit der zwölf Kugeln starken Garage- und Blues Rock-Waffe Underneath The Rainbow im Anschlag, den letzten Ungläubigen (zu denen ihr hoffentlich nicht zählt) unterjocht haben dürfte.
HEINZ SCHIELMANN

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JAMES CHOICE
Kathleen/ Blood, Sweat & Fears 7"
LaserLife Records/Schall und Rauch Platten
1
Wie James Choice will auch ich wissen: „Come on, Kathleen, where the hell are you hiding?“ Liebe Kathleen, wenn James dich nämlich finden würde, müssten wir ihm nicht zuhören, wie er einen auf Nickelback macht. Sein Sempern hält man nicht mal die zwei Songs lang aus. Außerdem gibt es schon genug Musiker, die wie Ben Folds oder irgendein anderer Pop-Songwriter klingen. Mit „Blood, Sweat & Fears“ gibt sich James Choice dann endgültig den berühmten Schuss ins Knie—oder, OMG, ist alles Absicht? Denn wie James prophezeit, bekomme ich Schweißausbrüche und Angst und „now I think I have to be sick“ und „yeah, everything is turning black“. Als er dann noch vom Regenbogen „of excuses“ in „all sha- des of grey“ singt, bekomme ich den Lachanfall meines Lebens. Sorry, echt.
KATHLEENS MUM

ASH MY LOVE
Honeymoon Blues
Noise Appeal Records
6
Jeder von uns kennt Leute, die von einer Sache derart überzeugt und obsessed sind, dass es eigentlich schon ungesund ist. MorrisseyFans, die nur noch in Morrissey-Zitaten sprechen. Oder Big Lebowski-Fans. Das ist für 2 Tage durchaus amüsant, aber nach 3 Jahren reicht’s dann irgendwann. Der sympathische und supere Herr Dauböck ist offensichtlich riesiger Delta Blues-Fan und will mit Ash My Love genau so klingen wie alle seine Lieblingsplatten. Und dabei drückt er ein bissl zu stark auf die Tube. Nach der hervorragenden Heart-EP im letzten Jahr ist Honeymoon Blues nun tatsächlich eine leicht vergeigte Hochzeitsreise, trotzdem sind Ash My Love span- nender und interessanter als so vieles andere aus unserem Donaudelta, vor allem dank Ms. Winterauers gefühlvoller timme. Also, Kopf hoch, die nächste EP klingt bestimmt wieder mehr nach sich selbst. Howlin’ for you!
MISSISSIPPI LANGSTRUMPF

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DER NINO AUS WIEN
Bäume
Problembär Records
5
Wenn du dir Bäume anhörst, vergiss nicht, dich auf eine Couch zu legen und den Psychiater zu spielen. Wenn du Ninos Introspektion zuhörst, wirst du dich fragen, was um Himmels willen mit dem Jungen los ist, aber auch, warum deine Gedanken nicht so wunderbar weird sind. Wenn du dann mit dem Neiden fertig bist, wirst du Nino auch nicht mehr recht geben, wenn er findet, dass er der größte Langweiler der Stadt ist—du wirst finden, dass es mehr Ninos in dieser Stadt geben sollte. Auch wenn er ein bisschen lügt. Der ruhige, morbide Ableger des Doppel- Release ist dafür, dass er von Nino stammt, gut gelungen.
AST REIN

DER NINO AUS WIEN
Träume
Problembär Records
8
Das „Tobacco Lied“ ist MEIN Lied. Endlich fühle ich mich in meiner Sucht verstanden und feiere diesen Triumph mit einem Tschick-Exzess. Nachdem ich wieder Luft bekomme, finde ich mich in Ninos Wahnsinn wieder. Für Träume muss er einen scheißtiefen Ausflug in sein Hirn unternommen haben—das Album ist ein musikalisches Schlaraffenland, in dem Zigaretten, Bier, Mädchen und ein Nino in Spektralfarben herumfliegen. Zwei Alben auf einmal zu veröffentlichen, verlangt Mut und Talent. Dass der Nino beides hat, muss man sich nach einem 90-mi- nütigen Trip in die Welt des jungen Wieners eingestehen. Ich verstehe zwar nicht immer, was er uns sagen möchte, aber hey, wen interessiert’s. Außerdem: Wenn du schon immer mal lernen wolltest, wie ein echter Drecks-Wiener redet, hast du jetzt die Gelegenheit dazu.
SPECK TRAL

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SABBATH ASSEMBLY
Quaternity
Svart Records
6
Dir gefällt dieses Artwork auch so sehr? Schön! Leider lockt es dich auf die völlig falsche Fährte. Wer sich bei Sabbath Assembly deshalb nämlich musikalisch auf schwarze Messe und gutturale Lautmalerei, begleitet von infernalischem Geballer, freut, irrt. Tatsächlich beackern die schwer zutätowierte Sängerin Jamie Myers und der frühere Black-Metaller Dave ‚Xtian‘ Nuss hier das Feld von Kirchen- und Hexer-Musik, inspiriert von der Process Church of the Final Judgement—einer Splittergruppe von Scientology, die schon L. Ron Hubbard verteufel- te. Sabbath Assembly arbeiten mit den musikalischen Mitteln akustischer Folkmusik, auf Streichern, Gitarre und Zitter und jenem dramatisch überspitzten Gesangs- Gestus, der auch auf Mittelalterfesten gerne zur Schau gestellt wird—da hilft auch die interessante Gästeliste aus Mitgliedern von Gorguts, Hexvessel, Sunn 0))) und Behold nicht. So bleibt mir auch die Vorstellung nicht versagt, mir Myers im wallenden Burgfräulein-Dress mit ausladenden Gesten von der Zinne Richtung Mond dramatisieren zu sehen. Beim nächsten Mal darf‘s gerne eine Stufe weniger Pathos sein, sonst heizt die Musikinquisitorin schon mal den Scheiterhaufen vor.
SHOMER ‚JEHOVAH‘ SHABBOS

TIMBER TIMBRE
Hot Dreams
Full Time Hobby
9
Dieses Album klingt zwar beim oberflächlichen Drüberskippen erstmal nach ‚Balearic Pop‘ und wird sich darüberhinaus vermutlich auch noch als Folk-Platte tarnen (und dementsprechend in den Regalen bzw. Kategorien bei sog. ‚Plattenläden‘ landen)—ist in Wirklichkeit aber ein eigenartiges und kryptisches Songwriter-Ding geworden, das vielleicht nur einen kleinen Schuss zu viel Sonnenlicht abbekommen hat. Ein unheimlich amerikanisches Witchcraft-Horrorgeschichten Meisterwerk mit angenehm-abgefuckten Texten, und Taylor Kirks Stimme ist sowieso Beelzebub.
KATARRH KARLO

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DORNENREICH
Freiheit
Prophecy Productions
7
Als das vielseitigste und mutigste Werk wird uns die neue Dornenreich seitens des Labels präsentiert, welches mit selbstbewusster Leichtigkeit Elemente aus (Neo)Folk, Black Metal, Ambient, Neoclassical, Singer- Songwriter (…) und sogar Flamenco/World Music ins Klangspektrum integriert. Wow! Die Musik selbst ist zu unserer kalkulierten Ernüchterung nicht ganz so aus- geschmückt wie der Pressetext, allerdings tatsächlich eine vielfache Steigerung des blassen Vorgängers und, himmelhoch jauchzend, auch kein zweites In Luft geritzt. Da haben wir doch glatt wieder neue Hoffnung geschöpft und freuen uns schon jetzt darauf, wenn—eventuell nach einer inspirativen Schaffenspause, die man sich nach einer solchen Leistung durchaus verdient hat—etwas Vergleichbares von welken Nächten herzieht.
A EVIGA GESTRIGA

GHOST CAPSULES
Esfera
O*Solo Recordings
3
Das Album habe ich mir gemeinsam mit meinem Freund angehört. Während der ersten Minute wurde er etwas grün im Gesicht und sein Blick hat mir verraten, dass er nicht gut findet, was er hört. Ich war ganz bei ihm. Er wollte von mir wissen, woher die denn seien. Als ich ihm sagte, dass es sich um eine österreichische Band handle, sagte er: „ Ach so, naja, dafür sind sie gar nicht sooooo scheiße.“ Um keine typische Paar-Diskussion anzuzetteln, ignorierte ich diese Aussage ganz einfach. Ihr Album Efsera ist Mittelmaß—egal, woher sie kommen. Es ist ein unaufgeregtes Dahinplätschern von Songs, die nur als Album Sinn machen. Achtung, Spoiler: „Nocturn“ ist der einzige Song, den man sich auch zweimal anhören kann.
CASPER KAPSEL

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M185
Everything Is Up
Siluh Records/Hoanzl
6
Du bist mit ein paar Freunden auf einem Road Trip nach Italien, sitzt gerade hinterm Steuer und legst das neue M185-Album auf. „Hey, mach mal lauter! Klingt lässig,“ ruft Kathi nach wenigen Sekunden von der Rückbank. Angetrieben von der Musik gibst du ein bisschen mehr Gas. Beim zweiten Song hörst du Chris vom Beifahrersitz sagen: „Was ist denn das nochmal schnell? Ah ja, die mit dem Video mit dem Big-Muff-Mann! Das ist cool. Guter Song auch!“ Die Stimmung ist gut, die Fahrt läuft ziemlich smooth. Beim dritten Song wird es ruhiger, alle hören noch ein bisschen zu. Dann fängt Kathi an, mit Tom über vegane Ernährung zu diskutieren. Chris liest die Spex auf seinem iPad und schaut nur hin und wieder hoch, um anzumerken, dass „das jetzt schon ein bisschen Spacemen 3 ist“ oder dass das „ziemlich nach dem Riff von ‚I wanna be your dog‘ klingt“. Du fährst gemütlich dahin und denkst nach, welche Pizza du heute Abend essen willst.
DR. SPACEMAN

VALINA
Container
Trost
6
Wie können wir mehr Platten verkaufen? Sollen wir mit einem Produzenten arbeiten, der die Songs or- dentlich fürs Radio aufpoliert? Sollen wir mal einen Song mit Akustikgitarre und Streichern machen? Fragen, die sich Valina auch bei ihrem vierten Album wahrscheinlich eher nicht gestellt haben. Nach wie vor wird die Musik von verschrobenen Rhythmen, nervösen Gitarrenlinien und wuchtigen Bassläufen bestimmt. Container ist bereits das dritte Album, das sie bei Steve Albini in Chicago aufgenommen haben. Live und roh. Das ist alles gut, aber irgendwie auch „Valina for people who like Valina“.
KONS E. QUENT

DEADBEAT
The Infinity Dub Sessions
BLKRTZ
7
Ich bin superignorant und wenn ich „Dub“ höre, dann denke ich an Dubstep und das startet dann eine Assoziationskette, die in Erinnerungen an Nächte im Flex mündet, wo man am falschen Tag ausgegangen ist und den gesamten Abend mit Leuten, die zwar Franz, Hans und Clara hießen, aber aus irgendeinem Grund trotzdem Dreadlocks hatten, verbringen musste, weil man schon Eintritt gezahlt hatte und somit gefangen war. Aber Dub ist ja ganz anders und The Infinity Dub Sessions ist das perfekte Beispiel dafür. Deadbeat and Paul St Hilaire haben ein angenehmes, ätherisches Album geschaffen, das weniger nach Kleidung aus Hanf und mehr nach unendlich fortlaufenden Rhythmen klingt, denen man
auch gerne lange zuhört.
SPACE PATOIS

AVERAGE & URL
Au Concept
Hoanzl
7
Average,    der    Linzer    Routinier,    liefert    gemeinsam mit der musikalischen Untermalung von Produzent Concept und seinem Weggefährten Url ein zukunftsbe- einflusstes Nicht-Album ab. Die Platte besticht durch erstklassige Cuts und Synthie Samples und macht ungezwungen auf Oldskool. Das klingt, wie wenn ein frankophiler Oberösterreicher auf der Motorhaube einer alten E-Klasse auf West Coast macht. G‘s up, hoes down!
MARVIN JAYE