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Altun A.: Offen gesagt fühle ich mich verarscht. Ich habe Zivilcourage gezeigt und mich gegen einen rechten Angriff zur Wehr gesetzt. Dass ich dafür verurteilt werde, ist ein Skandal. An diesem Tag waren Familien und rund zehn Kinder in unserem Vereinslokal. Was hätte ich sonst tun sollen? Einfach zusehen, wie sie niedergeschlagen werden?Wie haben Sie den Prozess erlebt?
Was mir gleich zu Beginn aufgefallen ist: die Rechtsextremen haben alle ihr Gesicht versteckt beim Betreten des Saals. Offenbar hatten sie etwas zu verbergen. Wir hingegen zeigen, wer wir sind und stehen zu unserer Überzeugung.
Den gesamten Prozess fand ich sehr parteiisch. Die Staatsanwaltschaft war kaum interessiert an den Rechtsextremen und hat sich vor allem auf mich und meinen Kollegen konzentriert. Das war doch sehr absurd, nachdem wir ja eigentlich die Opfer des Angriffs waren. Die Staatsanwaltschaft verhandelte die gesamte Sache wie eine Wirtshaus-Rauferei und hat die politische Dimension völlig ausgeblendet. Eine Rauferei ist nicht geplant, doch das war ganz offensichtlich ein geplanter Überfall auf ein linkes Kulturzentrum.
Die Rechtsextremen wussten ganz genau, dass im EKH wir KommunistInnen und unsere anarchistischen GenossInnen unsere Räume haben. Das war ein gezielter rechter Angriff auf antifaschistische Strukturen. Die Rechten wollen AntifaschistInnen attackieren, Menschen mit anderer Herkunft oder anderer sexueller Orientierung.Können Sie schildern, was aus Ihrer Sicht am Tag des Überfalls passierte?
Ich war gerade im Vorraum, als ich hörte, wie Rudi F. um Hilfe rief. Das war eine extreme Situation. Ich musste entscheiden, ob ich Rudi zu Hilfe eilen oder die anderen KollegInnen informieren sollte. Ich entschied mich dann, Rudi zu helfen, weil ich dachte, dass auch andere seinen Hilferuf gehört haben müssten, was dann auch so war. Es gelang uns, die Nazis aus dem Stiegenhaus zu drängen. Die Nazis sammelten sich dann nochmals vor der Tür und versuchten ein zweites Mal, in unsere Räume einzudringen. Wir konnten dann mit fünf, sechs Leuten die Tür zuhalten.
Schließlich gingen wir vor die Tür, die Nazis flüchteten. Wir riefen die Polizei und nahmen dann die Verfolgung auf. Wir stellten die Angreifer und hielten sie fest, bis die Polizei kam. Ich selber habe sogar noch die Rettung angerufen, weil einer der Angreifer, Claudio P.W., verletzt war. Und nun müssen wir laut Gerichtsurteil an diesen Mann 1540 Euro bezahlen, der selbst dafür verurteilt wurde, weil er uns angegriffen hat. Das ist eigentlich unfassbar.Was denken Sie über das Urteil?
Vor allem schmerzt mich, dass ich nun Geld an einen Rechtsextremen bezahlen muss. Es geht mir dabei nicht ums Geld, sondern darum, dass ich nicht möchte, dass solche Leute Geld von mir bekommen. Dass der Staat ungerecht ist und ein solches Urteil ausgesprochen hat, überrascht mich allerdings nicht, das habe ich nicht anders erwartet. Der bürgerliche Staat ist überall ungerecht gegenüber der politischen Linken.
Zu Beginn hat der Richter gesagt, dass wir keine politische Verhandlung sehen werden. Doch das Urteil zeigt, dass dies sehr wohl ein politischer Prozess war. Wir haben nun drei Tage Zeit, darüber zu entscheiden, ob wir in Berufung gehen. Diese Zeit werden wir uns nehmen und überlegen, ob wir auf ein gerechteres Urteil in der nächsten Instanz hoffen können.Am Schluss kommt noch Rudi F. zu unserem Interview, das Haupt-Opfer des rechten Angriffs. Rudi F. erzählt, dass er immer noch mit den psychischen und physischen Folgewirkungen des Angriffs zu kämpfen hat und bis heute regelmäßig in ärztlicher Behandlung und Betreuung ist.Ich frage ihn, was er über das heutige Urteil denkt. „Zynisch gesagt: Stefan S. bekommt 12 Monate für Hausfriedensbruch, Claudio P. W. 14 Monate für Hausfriedensbruch und die Verletzungen, die er mir zugefügt hat", antwortet er. „Offenbar ist also die Tür 12 Monate wert, ich nur 2 Monate. Das zeigt schon ganz gut die Wertigkeit des Gerichts." Ihr könnt Michael auch auf Facebook folgen.