Popkultur

Fragen, die das Finale von Germany's Next Topmodel aufwirft

Warum spricht Heidi aus einem Koffer? Und warum fragt niemand, warum ausgerechnet eine Schwarze Kandidatin gemobbt wird?
Jurorin Heidi Klum beim GNTM-Finale, daneben Kandidatin Lijana in einem Sektglas, die wegen Mobbings ausstieg
Screenshots: ProSieben

GNTM ist vorbei und damit 15 Wochen sehr, sehr gutes Fernsehen. Nur das Finale lässt einen nach einem dreistündigen Cringe-Trip diesmal ziemlich ratlos zurück.

Es war die 15. Staffel der Show. Nach einer beschwerlichen Odyssee über Costa Rica und Los Angeles hatte Heidi Klum den Modelnachwuchs von 38 Frauen auf vier eingedampft. Der größte Teil der Sendung war vor der Corona-Pandemie abgedreht. Das große Live-Finale mit 20.000 geplanten Zuschauenden musste allerdings dran glauben. Statt Publikum nur Pappaufsteller und selbst Heidi konnte nicht anreisen, sondern war nur aus LA zugeschaltet – aus einem Koffer.

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Wir haben Fragen.

Erste, wichtigste Frage: Warum nicht Tamara?

Eine Antwort darauf kann es nicht geben. Der Kopf der Austria-Gang wurde eindeutig beraubt. Ihre virtuose Backstage-Moderation hat es nur noch schwerer gemacht. Egal: Tamara hatte sowieso blicken lassen, sie gebe sich die Show vor allem, weil sie Influencerin werden will. Wenigstens hat sie, verdienterweise, den Personality-Award gewonnen.

Stattdessen reiht sich Jacky nun in die Liste der GNTM-Siegerinnen, deren Namen und Gesicht wir am Morgen danach schon vergessen haben. Jedenfalls, bis sie uns in der Umkleide im Fitnesstudio oder im All-Inclusive in Antalya begegnen und wir uns fragen: War das nicht die aus der Staffel, bei der Heidi Klum einen Magen-Darm-Parasiten hatte? Ach nein, das war die andere Rothaarige. Und damit zur zweitwichtigsten Frage des Final-Marathons: Wo war Heidi Klum? Beziehungsweise:

Warum kam Thomas Hayo aus New York, aber Klum blieb in den Hollywood Hills verschanzt?

Schämt sie sich für die Corona-Politik ihrer Wahl-Heimat und wollte nicht zum Superspreader werden? Wir wissen es nicht. Tosenden, eingespielten Applaus gab es im komplett leeren Saal trotzdem, auch an eher unpassenden Stellen. Ob da wohl ein Produktions-Praktikant für drei Stunden am Knopf saß? Und wofür haben die Menschen aus der Klatschkonserve wohl wirklich gejubelt? Die Ekstase klang nach Helene Fischer, aber man weiß es nicht. Die Models warfen beim walken unberührt Küsschen in die Menge und winkten den weißen Pappaufstellern auf den Rängen.

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Deutschlands beeindruckendste Selfmade-Millionärin ließ sich jedenfalls per Fernseher aus einem ollen Koffer (Vermutlich aus dem Friedrichstadtpalast-Kostümfundus?) zuschalten, was die Frage aufwirft:

Wo war Siebenstein?

Spätestens nach dem zwölften sexistischen Spruch ("Uh, scheinbar nur Görls eingeladen") von diesem unfreundlichen Fotografen, wünscht man sich den missgelaunten Raben Rudi an seine Stelle. Der hätte die Chefin auch nicht ständig unterbrochen.


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Die Anti-Mobbing-Kampagne aus der Werbepause ist leider ein völliger Reinfall. Kandidatin Lijana bekam neben viel Häme während der Staffel auch Drohungen, wurde offenbar auf der Straße angespuckt und musste ihren Hund vor einem Giftköder retten. Pro7 startete daraufhin einen sehr halbherzige Anti-Mobbing Kampagne ("Stehen wir auf und setzen ein Zeichen für Respekt und gegen Hass"), die soweit ersichtlich aus einem Dreißig-Sekünder besteht. Die Antwort auf Morddrohungen ist aber leider nicht "Liebe".

Warum redet niemand von Rassismus?

Lijana war das "Zeichen" dann doch auch ein bisschen zu wenig, sie besorgte sich Polizeischutz. Juror Thomas Hayo hielt das Video nicht einmal davon ab, nochmal Öl ins lodernde Lijana-Feuer zu gießen: Auf Instagram machte er sich über den viel beschriebenen Erdbeerrollen-Fail der 23-Jährigen lustig (Zur Entschuldigung hatte sie für Heidi backen müssen, was gründlich misslang).

Dass der ganze Hass, den die Kandidatin abbekommen hat vielleicht auch etwas damit zu tun haben könnte, dass sie Schwarz ist, traute sich keiner auszusprechen. Dabei meinte selbst Mit-Mit-Jurorin Nikita Johnson sie "kenne das". Warum nur sagt keiner das R-Wort?

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Und warum die Glitzerschlüpfer?

Über große Strecken der Finales begutachteten zwei dreilagig beanzugte Mittvierziger drei gerade volljährige Frauen im Glitzerschlüpfer. Aber vielleicht war das ein weiterer, smarter Test, um die Models dazu zu bringen, ihre völlig berechtigten Ängste zu überwinden. Nach Kakerlaken, Tauchen und Höhen nun: Männerwelten.

Zur unangenehmen Stimmung trägt auch Designer Philipp Plein bei, der verkündet, neben 100.000 Euro dürfe die Siegerin auch sein neues Parfömm bewerben. Dass ausgerechnet Jacky die Ehre zuteil wird, der Heidi Klum noch bestätigt hatte sie habe "Klasse", ist ironisch aber auch traurig. Daher die Frage:

Kommt Jacky aus der Parfömm-Nummer wieder raus?

Das werden wir nie erfahren. Die GNTM-Verträge werden notorisch unter Verschluss gehalten und sollen auch gar nicht mal so erstrebenswert sein, glaubt man den Frauen, die sich freigeklagt haben.

Als das Konfetti traurig auf die leere Bühne segelt, ist das Spektakel vorbei. Bei aller Kritik: Man merkt, dass sich Klum verpflichtet fühlt, jedes Jahr mehr Identifikationsfläche über den Laufsteg spazieren zu lassen. Sie war ehrlich enttäuscht, ihre Plus-Size-Kandidatin ziehen zu lassen. Und eine Staffel GNTM lässt mehr Frauen of Color zu Wort kommen als alle je ausgestrahlten Plasberg-, Will- und Maischberger-Sendungen zusammen. Also:

Wann geht es endlich weiter?

Vermutlich im Januar 2021. Berichten zufolge läuft der Vertrag von Heidi Klum übrigens noch bis 2025. Liest du das, Tamara?

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