Lang lebe Dagmar Koller, die Königin von Österreich
Alle Fotos von Dagmar Koller (privat)

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Lang lebe Dagmar Koller, die Königin von Österreich

Ein Fotoband zeigt bisher unveröffentlichte Aufnahmen aus ihrem Privatarchiv – und belegt einmal mehr, was wir schon lange vermutet haben: Dagmar Koller ist vielleicht polarisierend, aber legendär.

Die berühmtesten Österreicher kommen in der Regel aus Kärnten. Das ist einfach Fakt. Die Promi-Palette der alpinen Karibik ist breit gefächert: Jörg Haider, Armin Assinger, Robert Stadlober, Udo Jürgens, Ingeborg Bachmann, Larissa Marolt oder der Typ aus dem "Wos fia Hittn"-Video.

Trotzdem schafft es irgendwie niemand aus dieser doch recht üppigen Ansammlung von Zelebritäten, einer ganz bestimmten Landsfrau das Wasser zu reichen, wenn es darum geht, von der Bundesberühmtheit zur Säulenheiligen aufzusteigen: Sängerin/Tänzerin/Schauspielerin, Glamour-Galionsfigur, Lebensretterin, ehemalige First Lady von Wien, selbsterklärte lebende Legende und amtierende Königin von Österreich: Dagmar fucking Koller.

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Man muss sich nur folgende Fragen stellen: Wer wird von der Öffentlichkeit beinahe kollektiv und mit einer Art unausgesprochenem Konsens als "Grande Dame" betitelt, obwohl das vielleicht die inhaltsleerste Titulierung aller Zeiten ist? Dagmar Koller. Wer hat Ende der 80er beinhart eine ORF-Sendung mit dem vollkommen ernst gemeinten Titel "Hallo, wie geht's?" moderiert und ist damit irgendwie davongekommen? Dagmar Koller.

Wer ist seit den 60er-Jahren im Showgeschäft tätig und immer noch nicht müde? Cher. Aber eben auch Dagmar Koller. Und wer kann einen Fotoband aus größtenteils alten Privataufnahmen zusammenstellen und das ganze völlig legitim unter den Titel "Goldene Zeiten" stellen? Die Antwort lautet: Dagmar Koller. Ein Einblick in die Bilder zeichnet ein ungefähres Bild davon, was für ein Leben diese Frau bislang gelebt haben muss.

Dagmar Koller als Ganzes zu begreifen, ist aber nicht gerade einfach. Von ihrer Website, auf der sie semi-bescheiden und dennoch irgendwie berechtigt als "Singer. Dancer. Actor. Legend." deklariert wird, bis hin zur eigens von ihr entwickelten "Koller-Reanimation" (Whiskey-Eiswürfel, multiple Ohrfeigen und Akupunkturgriffe am Ohr), mit der sie Helmut Zilk eigenen Aussagen zufolge zweimal das Leben gerettet haben soll: La Koller ist – auf die wahrscheinlich österreichischste Art, die es gibt – der Inbegriff einer Ikone. Verschroben, aber liebenswürdig.

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In einem Gespräch mit dem Immobilien-Teil des Standard über Renovierungsarbeiten in ihrer Wiener Altbauwohnung, erwähnt sie beispielsweise fast schon beiläufig das Briefbomben-Attentat auf Helmut Zilk im Jahr 1993, das Blut an den Wänden und dass man danach "wieder komplett neu ausmalen" musste. Aber weil bekanntermaßen nicht immer alles, was glänzt, auch gleich 24-karätiges Bruno-Mars-Gold ist, soll und darf man Dagmar Koller auch differenziert betrachten.

Als sie etwa 2011 nach ihrer Meinung zu einem gleichgeschlechtlichen Dancing Stars-Paar gefragt wird, findet sie das schlichtweg "unappetitlich" und schießt gleich noch einen Satz hinterher, der so wahrscheinlich auch von Leslie Knope hätte kommen können: "Das sage ich ganz bewusst, obwohl ich die Ikone der Schwulen bin."

Für ihr Statement erntete sie damals viel Kritik aus der Community, die ihr bis heute nachhängt. Aber die Sache ist die: Elton John hat sich früher gegen die Ehe für Alle ausgesprochen, Britney Spears' Lieblingsautor ist ein homophober Priester und selbst Cher – Cher! –, die verdammt noch mal einen eigenen Wikipedia-Eintrag nur für ihr Wirken als Schwulen-Ikone führt, hatte einst überhaupt kein Problem damit, das Wort "faggot" zu verwenden.

Der Punkt ist: Auch Alliierte sind – übrigens genauso wie Mitglieder der LGBT-Community selbst – nicht unfehlbar. Am Allerwenigsten dann, wenn sie eine privilegierte weiße Dame höheren Alters sind. Das soll Dagmar Koller nicht entschuldigen, aber ihr zumindest ein bisschen Nachsicht einräumen.

Ikonen können problematisch sein. Aber das ändert eben nichts daran, was sie für uns bedeuten. Und solange es da draußen jemanden wie Dagmar Koller gibt, fühlt sich die Welt ein kleines bisschen besser an. Unterm Strich ist sie eben immer noch all das, was einem alpinen "Everybody's Darling", einer österreichischen Version von Lady Di am nächsten kommt. Was am Ende übrig bleibt, sind Fotos. Lang lebe Dagmar Koller, Königin von Österreich.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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