Menschen

Wenn der beste Freund dich ghostet

Durch die ganzen ignorierten Nachrichten und abgesagten Treffen fühlte ich mich immer mehr wie ein verrückter Ex-Freund.
Ryan Bassil
London, GB
Die unbeantworteten SMS-Nachrichten an einen Freund
Collage: Jack Cummings

Es ist immer traurig, wenn etwas Schönes kaputt geht. Schlimmer wird es nur, wenn dieses Etwas einem besonders am Herzen liegt. Bei mir war es die Freundschaft mit meinem besten Kumpel.

Es gab keinen Zwischenfall, der alles zerstörte. Eigentlich sind wir nur langsam ausgebrannt – wie eine Beziehung, die ihr Verfallsdatum schon lange überschritten hat. Wenn ich heute die Nachrichten von damals durchlese, könnte man meinen, dass ich geghostet wurde. Auf jedes "Hab letztens an dich denken müssen" und "Du bist wahrscheinlich beschäftigt und kannst nicht antworten, aber ich hoffe, bei dir ist alles gut" folgten nur kurze Antworten und monatelange Stille.

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Dan und ich kannten uns seit vielen Jahren. Wir waren schon zusammen im Urlaub gewesen und standen uns dank der durchlebten Zeiten wirklich sehr nahe. Ich kannte seine Eltern und er meine. Wir sind immer füreinander da gewesen. Die Abweisung fühlte sich dementsprechend komisch an.


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Ich erwähne die Familie hier, weil dieser Punkt sehr wichtig ist. Als ich noch jung war, trennten sich meine Eltern. Damals hatten wir zudem häufig Geldprobleme und zogen mehrmals um. Dan war in dieser Zeit so etwas wie ein sicherer Hafen in meinem ansonsten sehr chaotischen Leben. Unsere Freundschaft war nicht wie die mit meinen anderen Kumpels, für die vor allem Call of Duty und lustige Sprüche wichtig waren. Dan und ich fanden auf einer tieferen Ebene zueinander.

Während des Studiums machte ich eine schmerzhafte Trennung durch. Dan half mir wieder auf die Beine. Er holte mich aus meinem abgedunkelten Schlafzimmer und wir redeten die ganze Nacht über unsere Leben. Natürlich waren da auch noch andere Freunde, aber wir beide waren etwas Besonderes. Fast täglich hockten wir zusammen, rauchten Gras, hörten Musik und sprachen über unsere Gefühle oder den Sinn des Lebens – all die wichtigen Themen, die Männer angeblich nie miteinander bereden. Wir waren anders.

Wenn Gleichgültigkeit zu Traurigkeit führt

Als zwischen Dan und mir schließlich Schluss war, kam mir die Erfahrung vor wie ein Beziehungsende. Dieses beißende Gefühl in der Magengrube, wenn dir klar wird, dass ein geliebter Mensch jetzt nicht mehr Teil deines Lebens ist – auch das überkam mich. Genauso wie der emotionale Schmerz, der sich zu einer alles einnehmenden Traurigkeit entwickelte. Eine Traurigkeit, die von da an jeden Tag bestimmte. Warum hatte sich das alles so entwickelt?

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Dan und ich hatten uns mit der Zeit wohl einfach auseinander gelebt. Durch die ganzen ignorierten Nachrichten und abgesagten Treffen fühlte ich mich immer mehr wie ein verrückter Ex-Freund. Und immer wieder die Frage: Wo war das Ganze überhaupt schief gegangen? Die Antwort weiß ich bis heute nicht wirklich. Und das macht mich richtig traurig. Einen geliebten Menschen zu verlieren, erschafft eine innere Leere und saugt jegliches Leben aus dir heraus.

Es wird viel über die psychologischen Folgen von Ghosting gesprochen – wie es ausgrenzt und niederschmettert. Ich werde älter und frage mich, wie mich die negative Erfahrung mit Dan beim Übergang in die zukünftigen Phasen des Erwachsenenseins prägen wird. Es ist kein Geheimnis, wie schwer es manche Menschen zwischen Anfang und Ende 20 haben, neue Freunde zu finden.

Die Folgen für den Rest meines Lebens

Früher fiel mir der Umgang mit anderen Leuten leichter. Es gab aber gewisse Zwischenfälle, die mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin: hier ein bisschen Teenager-Trauma, da ein paar verbockte Entscheidungen mit Anfang 20. Ich glaube, dass mich auch meine Freundschaft mit Dan daran gehindert hat, neue Leute in mein Leben zu lassen. So etwas Einschneidendes lässt sich nicht so einfach abschütteln und wirkt sich auf zukünftige Interaktionen aus.

Mir ist aber auch klar, dass diese Denkweise Bullshit ist – zumindest teilweise. Meine Freundschaft mit Dan war nur eine Interaktion mit einem Menschen. Ich werde im Laufe meines Lebens mit noch vielen verschiedenen Menschen interagieren. Von einer Person geghostet zu werden, die einem so viel bedeutet und die immer für einen da war, ist dennoch richtig beschissen.

Eine Sache ist aber noch beschissener: mein ganzes Leben von einer Frage bestimmen zu lassen, die ich niemals beantworten kann. Vielleicht lässt auch bei dir gerade jemand alle Nachrichten mit zwei blauen Häkchen versauern. Falls dem so ist, dann hoffe ich, dass du irgendwann loslassen kannst.

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