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Körperwelten

Die Polizei NRW hat jetzt eine Körperschmuck-Kommission für Tätowierte

Fünf Leute begutachten Fotos der Körper von Bewerbern. Was sie durchgehen lassen – und was nicht.
Collage: VICE | Polizei: imago | Ralph Peters | Tattoos: freepik.com 

"Niemand muss Bulle sein", lautet ein sehr beliebter Slogan auf linken Demonstrationen. Das weiß auch die Polizei und behält sich deswegen vor, Bewerber abzulehnen, wenn sie zum Beispiel nicht klug genug, groß genug oder sportlich genug sind. Oder weil sie an den falschen Stellen falsch tätowiert sind. Dafür hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen eine sogenannte "Körperschmuck-Kommission" eingesetzt, die die Tattoos von Bewerbern prüft. Vor der Einstellung soll nun ein Polizeiarzt jede Tätowierung fotografieren und fünf Menschen aus verschiedenen Fachbereichen sollen sie bewerten.

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Damit werden Tattoos nicht grundsätzlich verboten, sondern im Einzelfall geprüft. Im "unsichtbaren Bereich" dürfen sie ohnehin getragen werden, sofern sie nicht verfassungsfeindlich, diskriminierend, entwürdigend, sexistisch oder gewaltverherrlichend sind, so die Polizei NRW gegenüber VICE. Bei den sichtbaren überprüft die Kommission, dass die Tattoos das "Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger” nicht gefährden. Jeder Bürger habe das Recht, auf eine "neutrale Polizei" zu treffen.

Die Tattoos in sichtbaren Bereichen dürfen nicht größer als eine Handfläche sein und die Polizei will, dass sie neutral sind. Pflanzen oder Tiere sind beispielsweise OK. Über die Tattoo-Fotografien beugen sich dann Beamte des Auswahldiensts, des Medizinischen Diensts, der juristischen Abteilung, der oder die Gleichstellungsbeauftragte und eventuell sogar der Personalrat. 423 Tätowierungen hat die Kommission 2017 geprüft, 36-mal entschieden sie mehrheitlich, den Bewerber auszuschließen.


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Wie die Polizei gegenüber VICE mitteilt, geht es der Kommission bei ihrer Entscheidung besonders um den Moment, in dem ein Polizist dem Opfer einer Straftat gegenübertritt, das vielleicht sogar traumatisiert ist. Gerade dann sei es wichtig, dass den Menschen klar ist, dass die Polizei als Institution vor ihnen stehe und der Fokus nicht "auf tätowierten Unterarmen oder anderen sichtbar tätowierten Körperteilen" liege. Die Polizei NRW zitiert dabei eine Untersuchung aus Rheinland-Pfalz. Das Ergebnis: Je stärker sich Uniformierte durch Körperschmuck zu einem Individuum machen, desto mehr reduziere sich das Vertrauen in den Beamten, der Respekt und das Gefühl von Kompetenz. Es könne sogar ins Gegenteil umschlagen, so die Untersuchung.

Ob das wirklich so ist, klären gerade die Gerichte. Es gibt mehrere Verfahren dazu beim Verwaltungsgericht Düsseldorf. In einem Fall geht es um einen auftätowierten Löwenkopf auf dem Unterarm, etwa 20 mal 14 Zentimeter groß. Die Polizei hatte den Bewerber deswegen abgelehnt. Der Innenminister von NRW, Herbert Reul, sagte: "Ein großflächiger sichtbarer Körperschmuck stellt, völlig unabhängig von den Motiven, für sich genommen einen unüberwindbaren Eignungsmangel dar." Das sah das Gericht anders und gab dem Bewerber in erster Instanz Recht. Der Richter stellte fest, dass Tätowierungen auf Unterarmen zunehmen und sie gesellschaftlich akzeptiert sind. Es reiche nicht mehr aus, ob eine Kommission oder "Teile der Bevölkerung großflächige Tätowierungen für unpassend oder unästhetisch halten". Im Zweifelsfall können also Gerichte die Tattoo-Experten noch überstimmen.

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