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Jobsuche

Hartz-IV-Empfänger müssen keine Dildos verkaufen

Welche Erotik-Jobs das Arbeitsamt vermitteln darf, klärt jetzt ein internes Dokument.
Titelfoto: Rebecca Rütten

Ende April bekam eine 36-jährige Sozialleistungsempfängerin aus Berlin Post vom Jobcenter in Pankow. In dem Umschlag fand sie ein eher ungewöhnliches Stellenangebot: Die studierte Physikerin solle doch bitte in einem Sex-Shop vorstellig werden. Für 9 Euro die Stunde hätte die Mutter in der Nähe des Kurfürstendamms Dildos verkaufen können.

"Nicht Ihre Dildos sind pervers, sondern der Zwang, der mich verpflichten soll, diese zu verkaufen", schrieb die Berlinerin daraufhin dem Sex-Shop und lehnte die Stelle ab. Mit ihrer Weigerung riskierte sie gleichzeitig eine Kürzung ihrer Sozialleistung. Wer sich als ALG-II-Empfänger auf das Stellenangebot eines Amtes nicht rechtzeitig bewirbt, im Vorstellungsgespräch "fehlendes Interesse" zeigt oder es sonstwie ablehnt, kann vom Jobcenter bestraft werden. Die 36-Jährige erkannte den Fehler aber eher auf Seite des Arbeitsamts, erstattete Anzeige wegen Nötigung gegen das Jobcenter – und ging damit an die Presse. Der Bundesagentur für Arbeit scheint die Aufmerksamkeit nicht gefallen zu haben. Jetzt verteilte die Zentrale in Nürnberg ein internes Dokument, das VICE vorliegt. Es regelt, welche Erotik-Jobs das Arbeitsamt vermitteln darf – und, ob ein Nein zum Sex-Shop wirklich zu Sanktionen führt.

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Keine Prostitution, kein Escort-Service, aber Dildos zu verkaufen geht klar

Den Behörden-Mitarbeitern wird darin unter anderem nahelegt, sich der "öffentlichen Wahrnehmung" bewusst zu sein, auf die sich Stellenangebote in der Erotik-Branche auswirken. "Beschwerden, Pressenachfragen o.ä." könnten "Auswirkungen auf das Image der BA haben", mahnt die Zentrale.


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Jobs in der "Prostitution" und "direkte erotische Dienstleistungen" wie Escort-Services oder Massagen sollen selbstverständlich nicht vermittelt werden. "In diesen Fällen werden individuelle Persönlichkeitsrechte über eine rechtlich zugelassene Beschäftigungsform gestellt", schreibt die Bundesagentur ihren Mitarbeitern.

Unproblematischer ist hingegen der "Vertrieb erotischer Waren", wozu auch Dildosverkaufen im Sex-Shop am Kurfürstendamm zählt. Diese Jobs dürften ausgeschrieben und vermittelt werden. Jedoch bittet die Bundesagentur ihre Angestellten auch, nicht jedes Nein zum Dildo-Verkauf direkt mit Sanktionen zu bestrafen.

Und dann gibt es noch den Graubereich, der die "Vorbereitung und Unterstützung erotischer Dienstleistungen" umschließt. Darunter zählen Tätigkeiten als Barkeeper, Saunameister oder Reinigungskraft im Bordell, aber auch als "Mediengestalter für Erotikportale" oder den "Kundensupport". Solche Stellen sollen Kunden nur auf ihren ausdrücklichen Wunsch vermittelt werden – und eine Ablehnung bleibt ohne Folgen.

Natürlich muss ein Job in der Erotik-Branche nicht für jeden schlecht sein. Um es in den Worten einer Sex-Shop-Mitarbeiterin zu sagen: "Ob ich nun Brötchen verkaufe oder Dildos, ist eigentlich egal."

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