Klimaschutz

So schüchtern RWE und Polizei Klimaaktivsten ein

Mit einer Warnmail vor "Ende Gelände" will die Polizei Schüler im Raum Köln beeindrucken. Dummerweise ist die voller Fehler.
Ende Gelände Protest vs Polizei
Polizisten und Aktivisten treffen vor zwei Jahren bei den Ende-Gelände-Protesten zusammen || Foto: imago images | Tim Wagner

Die Mail der Aachener Polizei liest sich wie eine Warnung vor der Apokalypse: "Halten Sie sich von gewaltbereiten Gruppierungen von 'Ende Gelände' fern, lassen Sie sich nicht für illegale Aktionen instrumentalisieren! Tappen Sie nicht in die 'Stafbarkeitsfalle', weil Sie glauben, sich mit zivilem Ungehorsam für die gute Sache einzusetzen."

Diese drastischen Worte hat der Abteilungsleiter der Aachener Polizei, zuständig für Gefahrenabwehr, am 21. Juni unter anderem an das Schulministerium, die Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf, an die Landeselternschaft für Gymnasien, die Studierendenvertretung AStA und die Organisatorinnen von Fridays for Future Aachen verschickt. Die Bitte: Lehrer sollten die Mail an die Eltern der Schülerinnen weiterleiten und so dafür sorgen, dass die Kinder sich nicht an Protestaktionen zum Klimaschutz beteiligen. Screenshots der Mail liegen VICE vor.

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"Ende Gelände" – das Bündnis, von dem die Aachener Polizei hier spricht – ist ein Zusammenschluss von Klimaaktivistinnen, die seit 2015 jedes Jahr Kohleförderanlagen und Gruben im Rheinischen Braunkohlerevier besetzen, um gegen den Abbau von Braun- und Steinkohle zu protestieren. Kohle ist der klimaschädlichste Brennstoff und inzwischen für mehr als 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Die Aktivistinnen fordern deshalb einen "sofortigen Kohleausstieg", um die bevorstehende Klimakatastrophe noch abwenden zu können. Die nächste fünftägige Besetzungsaktion, bei der der Förderbetrieb zeitweilig lahmgelegt werden soll, ist vom 19. bis zum 24. Juni geplant.

Die Behauptung der Polizei, dass es unter den Aktivistinnen "gewaltbereiten Gruppierungen" gibt, die "Straftaten" begehen, ist laut Ende Gelände eine Lüge. "Wir haben einen verbindlichen Aktionskonsens, in dem ganz klar steht, wie wichtig uns das Wohlergehen aller Beteiligten ist", sagt "Ende Gelände"-Sprecherin Kathrin Henneberger gegenüber VICE. "Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten; wir gefährden keine Menschen", heißt es darin. "Die Sicherheit der teilnehmenden Aktivistinnen, der Arbeiterinnen und aller Beteiligten hat für uns oberste Priorität."

"Die Mail der Aachener Polizei ist eine Unverschämtheit." – Kathrin Henneberger, Ende Gelände

Dass "absichtliche Blockaden als Demonstrationsform" verboten seien, wie ursprünglich in der Mail behauptet, hat die Polizei Aachen mittlerweile zurückgenommen. "Das ist in dieser Pauschalisierung nicht richtig", sagte ein Polizeisprecher gegenüber VICE. In einem Statement der Polizei, das VICE vorliegt, wird nun im Konjunktiv gewarnt: "Andere [Gruppierungen], wie das Bündnis Ende Gelände, haben zwar einen Aktionskonsens der Gewaltfreiheit, sind aber trotzdem bereit, Polizeiketten unter Einsatz ihres Körpers und der Masse zu durchbrechen. Das kann zu strafbarem Handeln führen, bei dem die Polizei reagieren muss", heißt es darin.

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Am Donnerstagnachmittag will sich die Aachener Polizei bei einer Pressekonferenz erklären.

"Die Mail der Aachener Polizei ist eine Unverschämtheit", sagt Henneberger. "Wir streiten für eine bessere, friedlichere Welt. Unsere Aktionen sind friedlich und wir deeskalieren." Bisher sei der gewaltfreier Aktionskonsens des Bündnisses noch kein einziges Mal überschritten worden, und das sei auch in Zukunft nicht geplant.

Die Pressesprecherin von

Ende Gelände-Sprecherin Kathrin Henneberger | Foto: privat

Henneberger vermutet, dass die Polizei mithilfe der alarmistischen Mail versuche, die Bewegung der Klimaaktivistinnen zu spalten und Schülerinnen, die jeden Freitag bei Fridays-for-Future-Demos dabei sind, davon abzuhalten, nun auch mit ins Rheinische Braunkohlerevier zu ziehen. Dass sich diesmal auch viele Fridays-for-Future-AktivistInnen am zivilen Ungehorsam beteiligen, liegt nahe: Für Freitag, den 21. Juni, rufen die Schülerinnen zu einem "internationalen Streik" in Aachen auf. Die Stadt ist nur rund 50 Kilometer vom Braunkohletagebau Garzweiler entfernt, wo Ende Gelände seine Blockaden plant. "Wir kennen das von den Protesten im Hambacher Wald", sagt Henneberger. "Die Polizei versucht die klimakritische Bewegung zu spalten."

Eine weitere falsche Behauptung aus der versendeten Mail hat die Aachener Polizei mittlerweile zurückgenommen. "In der Vergangenheit hat es bereits Fälle gegeben, in denen großer Schaden im Rahmen demonstrativer Aktionen an Privateigentum entstanden ist. Im Ergebnis sind dabei kürzlich sechs Straftäter vom Gericht zu einer Zahlung in Höhe von 2,1 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt worden", hatte die Polizei in ihrer Mail geschrieben.

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"Auch das ist eine falsche Aussage", sagt Henneberger. "Zum einen handelt es sich bei den Fällen gar nicht um Ende Gelände-Aktivisten. Zum anderen ist auch noch kein Urteil gefallen." Bisher gebe es noch nicht mal einen Verhandlungstermin für das von RWE angestrebte Verfahren, sagte Rechtsanwalt Jasper Prigge, der einen der Beschuldigten vertritt, der taz. Einschüchterungsversuche seien das, sagt Ende-Gelände-Sprecherin Henneberger. Die Polizei Aachen versuche mit falschen Unterstellungen eine ganze Bewegung zu diskreditieren. Die Polizei rechtfertigt den Fehler mit einer "fehlerhaften internen Kommunikation".

Auch Henneberger selbst hat es derzeit mit den Anwälten von RWE zu tun. Zwei Wochen nach einer etwa vierminütigen Rede, die Henneberger bei der Jahreshauptversammlung des Stromkonzerns am 2. Mai auf Einladung der "Kritischen Aktionäre" in Essen hielt, bekam die 32-jährige Kölnerin Post von den Anwälten des Stromkonzerns. Darin erteilen ihr die Anwälte stellvertretend für den Konzern ein Hausverbot für sämtliche Flächen und Anlagen von RWE und fordert sie auf, eine Unterlassungsverpflichtung zu unterschreiben, sich nicht an weiteren geplanten Protesten zu beteiligen.

"Wir werden jedes Mal mehr."

"Die müssen sich nach meiner Rede hingesetzt haben, um zu recherchieren, wo ich wann war und wo ich welche Rede gehalten habe", sagt Henneberger. Sie sei bisher noch nie festgenommen worden. Deshalb sei es ungewöhnlich, dass sie nun dieses Schreiben bekomme. Sie wertet es als Zeichen der Schwäche von RWE: "Der Konzern merkt, dass die Klimabewegung im Aufwind ist und gerät unter Druck", sagt sie. Verwundert scheint sie darüber nicht. "Ende Gelände ist ein unbequemer und deshalb unliebsamer Akteur." Die Frist zur Unterzeichnung der Unterlassungsverpflichtung hat sie verstreichen lassen.

"Ich lasse mich nicht von großen Kohlekonzernen wie RWE einschüchtern, die gerade unsere Zukunft verfeuern", sagt Henneberger. Auf die bevorstehenden Proteste Ende Juni freue sie sich. "Ich habe das Gefühl, dass die Mobilisierung sehr heiß läuft gerade", sagt sie. "Bei unserer letzten Aktion im Winter kamen über 6.000 Aktivistinnen. Diesmal werden wieder Tausende Menschen aus ganz Europa kommen, denn die Erfahrung hat gezeigt: Wir werden jedes Mal mehr."

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