selbstgemacht

Ich habe mit meinem eigenen Blut gebacken – und es dann gegessen

Blut-Baisers schmecken, wie sie riechen: nach einer Mischung aus Totem, Sterbendem und Überfahrenem.

Weil ich es für falsch halte, für Genuss zu töten, muss ich mir seit Teenagertagen anhören, was ich alles verpasse: das köstliche Fett in einer Ramen-Brühe zum Beispiel oder zart-faseriges Fleisch, das sich wie von selbst von gegrillten Rippchen löst. Manche behaupten sogar, mein Gehirn würde zu Brei werden, weil ich nicht genug Omega-3-Fettsäuren abbekomme.

Um mir diese ganzen tollen Sachen als Veganer nicht entgehen zu lassen, habe ich mich dazu entschlossen, tierische Produkte aus der einzig wirklich ethischen Quelle herzustellen: mir selbst. Und weil ich so nett bin, lasse ich euch daran teilhaben.

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Justin Staple

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Der Konsum von tierischem Blut ist ziemlich normal. Jeder kennt Blutwurst, von Blutsuppe und Blutpudding hast du vielleicht auch schon mal gehört. Bei meinen Recherchen fand ich allerdings heraus, dass Blut auch in Süßigkeiten und bei der Herstellung von Wein zum Einsatz kommt. Seitdem schiebe ich latente Panik, dass ich die ganzen Jahre Tierblut konsumiert habe, ohne es zu wissen.

Menschliches Blut hingegen spielt in der menschlichen Ernährung so gut wie keine Rolle. Einige wenige Ausnahmen gibt es natürlich. Ambitionierte Möchtegern-Vampire gönnen sich zu besonderen Anlässen ein Gläschen, so mancher Mörder hat bestimmt schon mal davon gekostet und wir können eigentlich davon ausgehen, dass sich in diesem Augenblick irgendein Spinner im Silicon Valley einen Löffel davon ins Vollkorn-Müsli rührt, um 1.000 Jahre alt zu werden.

Vials of blood.

Abgesehen von den kleinen Mengen, die mein britisches Zahnfleisch verblutet, wenn ich nur in die Nähe von Zahnseide komme, habe ich bisher noch kein menschliches Blut getrunken oder gegessen. Die Vorstellung, das für die Geschichte hier zu tun, hat mich aus folgenden Gründen etwas nervös gemacht:

1) Menschliches Blut ist als Zutat nicht sehr verbreitet und dementsprechend findet man im Internet nicht besonders viele Informationen dazu. Das bedeutete, dass ich mich auf sehr komischen Seiten rumtreiben musste. Wusstest du, dass du von einer Eisen-Überdosis sterben kannst, wenn du zu viel Blut konsumierst?

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2) Es ist verdammt eklig.

Um mit einer zu sprechen, die sich wirklich auskennt, habe ich Laura Schälchli kontaktiert. Die Schweizer Köchin gibt Workshops, in denen sie die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von tierischem Blut beim Kochen und Backen vorstellt.

Für Blut interessiert sie sich deshalb, weil sie Lebensmittelverschwendung hasst. "Die Schlachthäuser kippen täglich so viel davon einfach weg", sagte sie. "Drei bis vier Liter pro Tier."

Für Freunde und Bekannte kocht Laura regelmäßig mit Blut und sie hat wenig Verständnis für Menschen, die darauf mit Abscheu reagieren. "Ich sage dann immer, dass in einem Steak auch Blut ist", sagte sie.

Laura erklärte, dass sie Blut beim Kochen häufig als Bindemittel verwendet. Blut enthält Proteine, die gerinnen, wenn man sie erhitzt. "Blut hat beim Kochen ähnliche Eigenschaften wie Ei", sagte sie.

Laura hat auf ihrer Website mehrere Blutrezepte. Ich entschied mich für das Meringues-Rezept des Kochs Valentin Diem. Meringues ist ein anderer Name für Baiser. Seit ich Veganer bin, ist mir die Textur von Baiser nicht mehr wirklich untergekommen. Kein Wunder, schließlich besteh es hauptsächlich aus Eiklar.

Durch das Gespräch mit Laura hatte ich auch nicht mehr so viel Angst, an einer Überdosis Eisen zu sterben. Laura isst immerhin regelmäßig Blut und machte während unseres Gesprächs einen sehr lebendigen Eindruck.

Etwas Sorgen bereitete mir dafür eine andere Anmerkung von ihr. "Du kannst wirklich schmecken, wenn ein Tier gestresst war", sagte sie. "Das hat dann einen extrem metallischen Geruch." Als sehr stressanfällige Person war ich danach sehr nervös, dass mein Blut durch den ganzen Stress besonders schlecht schmecken würde.

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Am Tag meiner Blutback-Session kam eine Krankenpflegerin in meine Wohnung und nahm mir Blut ab. Insgesamt 15 Röhrchen.

Vials of blood

Weil Blut ziemlich schnell gerinnt, sobald es stillsteht, kippte ich schnell alles in eine Schüssel und rührte mit einem Schneebesen drauflos.

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Ich bin nicht besonders zartbesaitet. Zumindest dachte ich das. Denn bei der ganzen Blutrührerei wurde mir plötzlich schwindelig. Anscheinend gehöre doch ich zu den Menschen, die beim Anblick von Blut tendenziell in Ohnmacht fallen. Nachdem ich ein paar Minuten gerührt hatte, nahm ich den Schneebesen hoch und entdeckte einen matschig-zähen Blutklumpen, der sich am unteren Ende gebildet hatte. Mir kam ein bisschen die Kotze hoch und ich musste mich zusammenreißen.

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Weil ich kein Deutsch kann und keine Ahnung habe, was kryptische Maßeinheiten wie "Msp." bedeuten, habe ich bei Lauras Rezept ein bisschen improvisiert.

Mein persönliches Blut-Baiser-Rezept:

150 Milliliter Blut

60 Gramm Zucker

60 Gramm Puderzucker

Zwei Esslöffel Kurkuma

Zwei Prisen Salz

Als ich das Blut in meine Küchenmaschine schüttete und das Gerät einschaltete, spritzte Blut auf mich und die Küchenwand. Nachdem ich die übrigen Zutaten hinzugegeben und das ganze 20 Minuten unter einem Abdecktuch weiter geschlagen hatte, sah der Blutmix zum Glück nicht mehr ganz so sehr nach Blut aus. In der Schüssel klebte ein schaumig-cremiger Elmo-roter Brei, der fast schon irgendwie lecker wirkte – jedenfalls fünf oder sechs Sekunden lang, bis mir wieder einfiel, dass die Hauptzutat vor weniger als einer Stunde noch durch meine Adern geflossen war.

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Ich drückte kleine Häufchen Elmo-Brei auf ein Blech mit Backpapier und schob es für eine Stunde bei 94 Grad in den Ofen. Als ich die Baisers rausholte, sahen sie ein bisschen aus wie Schokoplätzchen. Ich ließ sie eine ganze Stunde abkühlen. Nötig war das nicht, aber ich wollte wahrscheinlich einfach noch ein bisschen länger zu den Menschen gehören, die noch nie in ihrem Leben Backwaren aus körpereigenen Zutaten gegessen haben.

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Der Geruch lässt sich nur schwer beschreiben. Es war dieser eigentümliche Duft, den Totes, Sterbendes und Überfahrenes gemeinsam haben. Die Plätzchen rochen nach Schlachthaus, Operationssaal und deiner Wohnung, wenn du von einem langen Wochenendausflug zurückkehrst und feststellst, dass dein Goldfisch im Aquarium mit dem Bauch nach oben schwimmt. Es war der Geruch, der Menschen die Polizei rufen lässt, weil sie vermuten, dass der stille und hilfsbereite Nachbar von nebenan vielleicht ein Serienkiller ist. Genau so rochen meine Blutfladen aus dem Backofen. Aber in zuckrig. Ich kann mich an nichts erinnern, was ich weniger essen wollte.

Als ich mich schließlich überwand und in einen reinbiss, musste ich feststellen, dass die Eigenblut-Baisers genauso schmeckten, wie sie rochen. Wi-der-lich blutig. Wie ein Oreo, während du abgestochen wirst. Oder Sprite aus einem Glas voll mit Kupfergeld.

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Immerhin hatten sie die gleiche Textur wie ein normales Baiser. Eine gute Nachricht, was meine Backkünste anging. Eine sehr schlechte Nachricht, was alles andere anging. Es bedeutet nämlich, dass mir das Zeug beim Kauen an den Zähnen hängenblieb.

Kulinarisch hat mich in meinem Leben wahrscheinlich nichts so traumatisiert wie diese Blut-Baisers, aber immerhin: Es war kein Tierblut, das ich gegessen habe.

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