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Justiz

Ein 20-Jähriger hat Pizzaboten überfallen, weil er Geld zum Kiffen brauchte

Dahinter steckt die Geschichte einer Diebesbande, wegen der die Polizei sogar die Ermittlungsgruppe "Pizza" gegründet hat.
Foto: imago | Photomaxx

Stell dir vor, du bestellst eine Pizza und sie kommt nicht. Eine Stunde vergeht, in der dich die Gier nach öliger Salami auf Teig fertig macht und du den Pizzaservice anrufst, weil es ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist, dich so lange zu warten lassen. Eine Horrorvorstellung, keine Frage. Aber stell dir mal vor, deine Pizza kommt nicht an, weil jemand den Pizzaboten überfallen hat.

Granit B. wird vorgeworfen, genau das getan zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schweren Raub vor – in acht Fällen. Nicht die Pizza soll er geraubt haben, sondern das Wechselgeld der Boten. Seite Beute: zwischen 50 und 230 Euro. Im Falle einer Verurteilung erwarten ihn mindestens fünf Jahre Gefängnis. Seit gestern läuft der Prozess am Landgericht Halle. Granit B. hat schon zu Beginn der Verhandlung alles zugegeben und sagte vor Gericht: "Ich wünsche, ich könnte die Zeit zurückdrehen."

Granit B. erzählt, er habe Geld gebraucht, um seine Spielsucht zu finanzieren – und Gras zu kaufen. In seiner Freizeit trifft er Freunde in einem Skatepark in Halle-Neustadt, einem Viertel, das Journalisten gerne als "sozialen Brennpunkt" bezeichnen. Sie hängen rum und kiffen. Ein Freund von Granit B. ist gerade aus Essen hergezogen und prahlt, er habe dort Geld gemacht, indem er Pizzaboten überfiel, die er vorher zu falschen Adressen bestellt habe. Er fragt, ob sie das nicht auch in Halle versuchen wollen. Sie sind zu dritt, als sie im Januar dieses Jahres zum ersten Mal vom Skatepark einen Lieferservice anrufen, eine falsche Bestellung aufgeben, sich maskieren und den Pizzaboten ausrauben. Es klappt.

In den kommenden Wochen rauben sie immer wieder. Immer nach derselben Masche. Zu dritt lauern sie maskiert und bewaffnet mit Schlagstöcken und Messer auf ihre Opfer. Einmal sprühen sie einem Pizzaboten Reizgas ins Gesicht. Dem Trio schließen sich andere junge Männer an, am Ende planen und begehen sie die Überfälle zu acht. Weil sich die Fälle häufen, gründet die Polizei die Ermittlungsgruppe "Pizza". Die Polizei setzt eine Belohnung auf Hinweise aus: 2.000 Euro. Ein betroffenes Pizzaunternehmen legt noch einmal 1.000 Euro drauf – nachdem dort die Lieferboten kündigten. Die Lieferdienste beginnen, das Wechselgeld zu Hause zu lassen, bestellen geht nur noch per Paypal oder EC-Karte. Ein lokaler Radiosender strahlt einen Beitrag aus. Er heißt: "Pizzabote, der gefährlichste Job der Zone".

Die Polizei fährt vermehrt Streife und verteilt Flyer an Lieferdienste. Sollten Neukunden nach Halle-Neustadt bestellen, sollen sich die Lieferservices umgehend an die Polizei wenden. Dass Granit B. überhaupt vor Gericht steht, ist Zufall. Als drei Mitglieder der Bande im Mai 2017 eine Spielothek in Halle überfallen, werden sie festgenommen. Beamte untersuchten deren Wohnungen. Dort fanden sie "umfangreiches Beweismaterial" für die Raubzüge. Die Polizei spezifizierte nicht, ob es sich um leere Pizza-Schachteln handelte oder die verwendeten Waffen bei den Überfällen.

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