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Verbrechen

Wenn ein Rockerboss gegen einen IS-Rekrutierer aussagt

Dass der Islamist dem Ex-Rocker vertraute, wurde ihm jetzt zum Verhängnis.
Ein Polizist vor der Satudara-Vereinsflagge
Foto: imago | Jochen Tack

Hört sich an wie ein Witz: Treffen sich ein krimineller Rocker und ein Islamist im Knast.

Was danach passiert, ist allerdings nicht mehr so witzig: Der Islamist fasst Vertrauen zum Rocker, erzählt ihm allerlei Details aus seiner Islamisten-Gang – und bittet ihn schließlich, für ihn Briefe nach draußen zu schmuggeln, in denen er seine Komplizen anweist, Zeugen einzuschüchtern. Und der Rocker? Verrät alles an die Polizei, der er auch sämtliche Briefe übergibt.

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Das ist die Geschichte von Yildiray K. (dem Rocker) und Hasan C. (dem Islamisten), wie sie ein Ermittler des Landeskriminalamts NRW vergangene Woche vor Gericht erzählt hat. Hasan C. ist am Landgericht Celle einer der Beschuldigten in Deutschlands größten Islamisten-Prozess, einem bereits seit über 100 Prozesstagen laufenden Verfahren gegen das Netzwerk um den Prediger "Abu Walaa", das mehrere Männer zum Islamischen Staat nach Syrien geschickt haben soll.


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Am Dienstag, knapp eine Woche später, hat Yildiray K., der früher das Duisburger Chapter des mittlerweile verbotenen Satudarah MC leitete, diese Geschichte weitestgehend bestätigt – allerdings erst, nachdem das Gericht ihn massiv unter Druck gesetzt hatte.

Zuerst wollte K. nämlich lieber gar nichts dazu sagen. Und das, obwohl er den Ermittlern vorher nicht nur die Briefe ausgehändigt, sondern auch Andeutungen über "Geheimnisse" gemacht hatte, die der Islamist Hasan C. ihm anvertraut habe, zum Beispiel Informationen zur Organisation des IS in Deutschland, aber auch zum Terroranschlag von Barcelona im Sommer 2017. Vor Gericht konnte sich K. laut eigener Aussage dann aber an nichts mehr erinnern. Stattdessen bat er um Verständnis, weil er "um die Sicherheit seiner Familie fürchte", wie der NDR berichtet.

Über zwei Stunden lang gab der Ex-Rockerboss dann nur sehr einsilbig Antwort – bis der Richter ihn kurzerhand im Gerichtssaal in Beugehaft nehmen ließ – eine Zwangsmaßnahme, mit der Richter Zeugen einsperren können, bis sie eine Aussagen machen. Das hatte bei K., der vor Kurzem erst freigekommen ist, Erfolg: Nach der Pause packte er einige Details aus.

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Hasan C. sei ein Sympathisant des IS und des Terrors, so habe er zum Beispiel einen Anschlag in Istanbul gerechtfertigt, erzählte K. Außerdem habe C. in seinem Reisebüro in Duisburg junge Leute indoktriniert und an Abu Walaa weitervermittelt.

Zwei prominente "Schüler" von Hasan C. sollen die Zwillinge Kevin und Mark gewesen sein: Zwei Brüder aus Castrop-Rauxel, ein Student und ein Bundeswehrsoldat, die sich 2014 dem IS anschlossen und im Auftrag der Terrormiliz bei Selbstmordanschlägen im Irak starben. "Die stammen aus meiner Schule und waren mein größtes Werk", soll Hasan C. im Gefängnis zu Yildiray K. gesagt haben. Das geht aus Gedächtnisprotokollen der Ermittler von den Gesprächen mit K. hervor, genauso wie die Information, das C. "Gebietsvertreter" des Islamischen Staats in Duisburgs gewesen sei.

Dazu passt, dass einer der Briefe, die der Rockerboss für den Islamisten schmuggeln sollte, eine Anweisung enthält, wie man mit Zeugen im Prozess umgehen sollte: "Es wäre wunderbar, wenn dringend eine Operation gemacht wird", steht darin. Danach kommen die Namen von drei Zeugen. Genau diese drei ehemaligen Schüler von Hasan C., schreibt der NDR, hatten später vor Gericht "auffällige Gedächtnislücken".

Yildiray K. selbst saß wegen Drogen- und Waffengeschäften im Hochsicherheitstrakt in Düsseldorf. Dass er den Islamisten Hasan C. an die Polizei verriet, hat wohl mehrere Gründe: Ermittler und Richter glauben, dass er sich davon Hafterleichterungen versprochen habe. Er selbst sagte am Dienstag aber, er habe "keine Mitverantwortung für das Tun der Islamisten" tragen wollen. Denn: Das, was die Männer um Abu Walaa täten, sei mit seiner Auffassung des Islam nicht vereinbar.

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