Wer ist eigentlich Harald Vilimsky?
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Schwarz-blaue Geschichten

Wer ist eigentlich Harald Vilimsky?

"Ich weiß nicht, was Vilimsky in Brüssel hackelt und ob er überhaupt was macht. Wenn es einen nichtstuenden Abzocker im EP gibt, dann wohl Vilimsky", sagt der grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon.

"Sie lassen sich heute von einem Taser anschießen. Wieso machen Sie das?", fragt die Kurier-Redakteurin den damaligen Nationalratsabgeordneten Harald Vilimsky. Dieser antwortet mit einem Plädoyer für dein Einsatz von Taserwaffen in Justizanstalten und erklärt schließlich, dass er natürlich ein wenig Angst habe, aber in seinem Leben auch "immer ein bisschen in Richtung Abenteuer" unterwegs gewesen sei. Immerhin war er in seinem Leben bereits Eistauchen, ist sieben Tage mit dem Motorrad durch die Wüste gefahren und war mal Fallschirmspringen. Daraufhin lässt Vilimsky sich niederstrecken, schreit wie ein FPÖler, der gerade auf Türkisch begrüßt wurde, und berichtet kurz darauf mit grinsendem Gesicht darüber, wie es sich anfühlt, getasert zu werden. Ihr ahnt es: Vilimsky ist in der FPÖ eher "der Mann fürs Grobe".

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Der Favoritener, der seinen leiblichen Vater nie kennengelernt hat, maturierte in einer Handelsakademie und begann danach ein Wirtschaftsstudium, das er aber abbrach, bevor er einen Hochschullehrgang für Öffentlichkeitsarbeit besuchte und schließlich bei der FPÖ landete. Dort werkelte Vilimsky schon herum, als wir noch in die Windeln geschissen haben: seit 1995 ist er im Parteikader aktiv und hangelt sich die vorgegebenen Karrierestufen nach oben.

Er fing in der Landtags- und Gemeinderatsfraktion an und lernte im Laufe der Zeit Heinz-Christian Strache kennen, unter dessen Herrschaft als Wiener FPÖ-Obmann er zum Landesparteisekretär der Wiener Partei wurde. Sein erster großer Verdienst: Er war verantwortlich für das Unwort des Jahres 2005, nämlich "Negativzuwanderung". Gemeint war damit die Rückführung von Migrantinnen und Migranten in ihre Herkunftsländer.

Im Jahr 2014 wurde er schließlich zum Delegationsleiter der FPÖ gewählt, nachdem Andreas Mölzer sogar für die FPÖ untragbar wurde und zurücktreten musste. Seit 2014 sitzt Vilimsky, der im Jahr 2014 von der Süddeutschen Zeitung noch als "umgänglich" und "weniger bekannt" bezeichnet wurde, also im EU-Parlament. Gleichzeitig ist er außerdem Generalsekretär der FPÖ. Soweit, so brav und karrieristisch.

Aber Vilimsky fällt aber ohnehin weniger durch seine bewegenden Taten als seine lauten Worte auf – im Vorfeld der EU-Wahl bezeichnete er Burschenschafter zum Beispiel als "Ehrenmänner", und zuletzt kritisierte er den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker als untragbare, besoffene Entgleisung, die die EU zur "Lachnummer" machen würde; und das auch noch, nachdem Juncker bereits klargestellt hatte, dass es sich bei seinem Torkeln um die Spätfolgen eines Unfalls vor 30 Jahren handelte. Aber hey, wer wird sich denn ein gutes PR-Statement schon von Fakten ruinieren lassen.

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Auch sein Kollege Michel Reimon, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt, bewertet die tatsächliche Arbeitsleistung von Vilimsky im Vergleich zu seinem Gerede als endenwollend (wenn es nicht gerade darum geht, sich tasern zu lassen). Im Gespräch mit VICE erzählt er, wie er Vilimsky, der laut Transparency International übrigens zwischen 87.000 und 300.000 Euro an Nebeneinkünften zu seinem ohnehin schon ordentlichen Gehalt einsackt, in seinem Alltag in Brüssel erlebt: nämlich gar nicht. Oder mit etwas mehr Wörtern:

"Vilimsky ist ja Generalsekretär seiner Partei und ich verstehe nicht, wie das mit der Anwesenheit im EU-Parlament funktionieren soll. Wir haben einen 4-Wochen-Rhythmus: Eine Woche in Straßburg, drei in Brüssel. Bei den dreien in Brüssel läuft er mir auf den Gängen des Hauses nie über den Weg. Ich kann mich an kein einziges Mal in vier Jahren erinnern. Wenn er auffällt, dann immer über die Medien und immer innenpolitisch als FP-Funktionär, kein einziges Mal mit einem Antrag im EP. Ich weiß nicht, was Vilimsky in Brüssel hackelt und ob er überhaupt was macht. Wenn es einen nichtstuenden Abzocker im EP gibt, dann wohl Vilimsky."

Auf persönlicher Ebene bezeichnet er Vilimsky, der sich vor zwei Jahren übrigens als Pokémon-Go-Skeptiker geäußert hat, als geradlinig. Wie Reimon erzählt, tauschen die beiden "weder Freundlichkeiten noch Unfreundlichkeiten" austauschen – begrüßenswerter Weise. "Mit ihm geht das auf einem hochprofessionellen Level", sagt Reimon am Telefon. "FPÖler sind da ja sehr unterschiedlich: von übertrieben freundlich bis kindisch wehleidig. Vilimsky ist sehr straight und professionell."

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Auch ein kleines bisschen Humor scheint Vilimsky zu haben (abseits davon, dass er sich tasern ließ). Nach den Brexit-Abstimmungen und dem nachfolgenden Backlash im Jahr 2016 schrieb er auf Facebook: "In einer Demokratie muss man Abstimmungsergebnisse akzeptieren. Nicht so oft neu abstimmen lassen, bis einem das Ergebnis passt." Die Bundespräsidentschaftswahl inklusive wehleidiger Anfechtung und Wiederholung scheint er dabei erfolgreich verdrängt zu haben.


Auch bei VICE:


Aber auch, wenn Vilimsky, der nichtrechten Medien wie dem Falter gerne Lügen unterstellt, in der persönlichen Begegnung wohl nicht unangenehm auffällt – in seiner Funktion als führender FPÖler hält er mit seiner Meinung nur selten (und damit meinen wir: nie) hinterm Berg. So bezeichnete er die Omas gegen Rechts, die auf der Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag mitmarschierten, die dann doch beachtliche 100.000 Menschen zählte, als "lieb und putzig" und tat die restlichen Demonstrierenden als "bezahlt" ab.

Und wie alle, die im Austeilen sehr gut sind, ist auch Vilimsky im Einstecken dann doch eher schlecht. Gegen Innenminister Herbert Kickl ortet Vilimsky seit Monaten eine "widerwärtige linke Treibjagd"; Kickl habe schließlich sehr, sehr viel für unser Land getan und werde trotzdem durch Medien und die Opposition "mutwillig beschädigt".

Im Vergleich dazu: Seine eigene Flanke gegen den torkelnden Juncker sieht Vilimsky natürlich keineswegs als "rechte Treibjagd". Wo denkt ihr hin. Stattdessen legt er auch nach der Klarstellung des Kommissionspräsident noch nach, indem er im Boulevard-Blatt Österreich sein offenbar recht detailliertes Ischias-Wissen zur Schau stellte ("Ich habe mich als Laie in die Symptome von Ischias-Problemen etwas eingelesen"): Er habe Juncker ja gar nicht zum Säufer ernannt, meint er dort; ihn störe lediglich die Art seines Auftritts. Die Kritik, die Bundespräsident Van der Bellen an Vilimsky übte, sieht er übrigens als "Orden". Weil man gegenüber einem Bundespräsidenten echt nicht gut dastehen muss, wenn dieser ein ehemaliger Grüner ist. Oder so. Schon im November 2017 hatte Van der Bellen betont, dass er Vilimsky neben Gudenus niemals als Minister angeloben würde. Seine verbalen Attacken gegen Juncker blieben übrigens folgenlos, wie ein bizarres Interview von Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal im Falter zeigt.

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Ob Vilimsky seinen aktuellsten Skandal und die ausführliche Medienberichterstattung dazu mit EU-finanziertem Champagner feiert, ist trotzdem fraglich. Laut eigener Aussage ist er kein großer Fan des Getränks, auch wenn so manches Bild anderes vermuten lässt.

Nachdem sich die EU-Rechtsaußenfraktion ENF, zu der auch die FPÖ gehört, im Jahr 2016 in 41 Sitzungen 228 Flaschen Champagner hinter die Burschi-Binde gekippt haben soll, sorgte dieser Umstand bei Fans der "Anti-Establishment"-Partei nämlich für Aufsehen. Vilimsky schob alles auf seine französischen Kolleginnen und Kollegen des Front National (der seither in "Rassemblement National" umbenannt wurde) und erklärte, dass er Champagner "vom Geschmack her" nicht einmal möge. Das Präsidium des Europaparlaments entschied jedenfalls, dass die ENF den teuren Spaß zurückzahlen müsse – insgesamt handelte es sich um knapp eine halbe Million Euro, die unter anderem für Luxusmenüs ausgegeben wurde. Anscheinend beschränkt sich die Anti-Establishment-Haltung der Rechtsparteien ausschließlich auf linke Privilegien.

Wer sich dem AfD-Fan Vilimsky zufolge übrigens keine Luxusmenüs gönnen soll, sind Mindestsicherungsbeziehende. Er findet nämlich, genau wie Ministerin Hartinger-Klein, dass ein Leben mit 150 Euro im Monat durchaus möglich ist. In Österreich wohlgemerkt, nicht in Indonesien. Überhaupt scheint Vilimsky anderen nicht unbedingt sehr viel zu gönnen. So kritisierte er Anfang 2018 die Tatsache, dass das Wiener Integrationsprojekt "Freedom Fighters" Kampfsportkurse für Geflüchtete anbot, das zum gemeinsamen Üben und dem Erlernen von Respekt und Disziplin dienen sollte. Er schrieb: "Fast jeden Tag Übergriffe von Asylwerbern auf Österreicher. Und dann gibt es noch kostenloses Kampftraining? Wie absurd ist das denn?" Ganz genau. Weil umgekehrt die Übergriffe auf Asylwerbende natürlich eine Erfindung des linkslinken Meinungsdiktats sind.

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In jüngster Vergangenheit meldet sich Harald Vilimsky immer öfter zu Wort. Überschneidungen mit dem beginnenden EU-Wahlkampf für 2019 sind natürlich rein zufällig. Aber auch abseits vom Stimmenfang stehen die Zeichen der Zeit gut für den Taser-Kenner und Eistaucher. Grobe Zeiten erfordern eben grobe Menschen, die sich mit Grobem auskennen und grob genug darauf reagieren können, um im groben Umfeld von Trump-Tweets und Asyldebatten nicht grob fahrlässig abzulosen.

Gerne hätten wir auch ihm wohlgesonnene Kollegen gefragt, wie Vilimsky so drauf ist, wenn er gerade nicht seinen Kolleginnen und Kollegen beim Champagner trinken zuschaut, welche Anekdoten seine Persönlichkeit gut beschreiben (außer, dass er sich tasern lassen hat, um PR für die Polizei zu machen) und wie es eigentlich ist, mit ihm zusammenarbeiten (wenn er gerade nicht getasert wird). Leider blieben alle unsere Anfragen unbeantwortet. Anscheinend hat man bei der restlichen FPÖ einfach viel zu viel Feingefühl. Oder aber, man stellt sich gerade kollektiv zum Tasern an. Wäre jedenfalls eine ziemlich gute PR-Geschichte. Nur so als kostenloser Tipp von uns.

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