Menschen

Beschimpft und gedemütigt: So schlimm ist Dickenfeindlichkeit beim Sex

"So wie wir beide aussehen, glaube ich nicht, dass jemand von uns gerne das Licht anhätte."
Eine Frau schämt sich im Schlafzimmer, weil sie von einem Dünnen wegen ihrer Figur verbale und körperliche Gewalt erfährt
Illustration: Josh Crumpler

Dickenfeindlichkeit ist echt und sie ist überall. Sie beginnt bei blöden Witzen und gehässigen Bemerkungen im Alltag und reicht bis hin zum ständigen Mantra vom Dünnsein als das Schönheitsmaß aller Dinge. Die Supermarktregale sind voll mit Diätprodukten, kaum eine Frauen- oder Männerzeitschrift kommt ohne Abnehmtipps aus.

Besonders bösartig ist Dickenfeindlichkeit allerdings im Schlafzimmer. So fragte mich ein Typ, mit dem ich kurz davor war, etwas zu haben: "Stimmt es, dass fette Mädchen da unten nach Cheeseburger riechen?" Eine Freundin sollte einen Kerl beim Sex behilflich sein. "Ich glaube nicht, dass ich die in dem ganzen Schwabbel finden kann", sagte er.

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Dicke Menschen bewegen sich in einem Datingpool, der gefühlt voller Menschen ist, die sich "mit uns abfinden", die unsere Körper ohne Einwilligung fetischisieren oder die finden, dass wir für jede Aufmerksamkeit dankbar sein sollten. Einige halten es sogar für ihr gutes Recht, uns zu misshandeln.

Natürlich haben viele dicke Menschen erfüllenden Sex und großartige Beziehungen. Bis dahin müssen viele leider einiges über sich ergehen lassen. Damit du eine Vorstellung davon bekommst, sind hier ein paar Beispiele.

"Eine ganz andere Ebene von Frauenverachtung"

Mir hat mal ein Pärchen auf Tinder geschrieben, das extra nach einer Dicken suchte, um sich über sie lustig zu machen und sie sexuell zu erniedrigen. Sie schrieben: "Wir suchen für ein fettes Mädchen, das mit uns Zeit verbringt. Stehst du auf Erniedrigung?" Ich fragte zurück: "Wer soll denn erniedrigt werden?" und sie, beide dünn, antworteten: "Du." Ich lehnte ab.

Und das ist kein Einzelfall. Eine Person, mit der ich ein Jahr lang eine On-Off-Beziehung führte, sagte: "Einige Mädchen mag man wegen ihrer Titten, andere wegen ihrem Arsch. Du hast keins von beidem." Ein Typ auf OKCupid hat mir einmal ein ganzes Gedicht darüber geschrieben, wie widerlich er mich findet. Als ich ihm zu verstehen gab, dass ich das das einfach nur absurd finde, meinte er nur: "Warum so ernst? Dicke sind doch immer so fröhlich?" Es ist einfach nochmal eine ganz andere Ebene von Frauenverachtung." – Mary, 31

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Fatphobic poem

Screenshots von Marys OKCupid-Nachrichten | Foto: Mary

"Aber hey, wenigstens ich Sex"

Ein Typ, in den ich jahrelang verknallt war, sagte mir, dass ich ihm "zu fett" sei. Seinen Schwanz dürfte ich aber trotzdem lutschen. Von einem One-Night-Stand bekam ich zu hören, dass er sich sicherer fühlen würde, wenn er oben ist. Ein anderer Partner wollte Sex mit mir nur von hinten haben, damit er "meinen fetten Körper und mein Gesicht nicht sehen muss". Ich akzeptierte das alles als normal.

Und wie könnte ich das Arschloch vergessen, das mich vergewaltigt hat – und mir nicht glaubte, dass ich zu dem Zeitpunkt noch Jungfrau war. Schließlich sei ich schwarz und fett und entsprechend scharf drauf gewesen. Ich hatte ihn auf Match.com kennengelernt. Wir hatten Messenger-Kontakte ausgetauscht und eine Woche lang telefoniert. Bei unserem ersten Treffen ist es dann passiert. Er hatte darauf bestanden, dass wir zu ihm gehen. Ich habe die Sache immer noch nicht ganz verarbeitet, aber es überrascht mich wirklich, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen können. Und ich kann immer noch nicht fassen, wie mir eingeredet wurde, dass dieses Verhalten akzeptabel sei. Sogar eine Verwandte meinte "na, immerhin hast du Sex".

Meine Cousine ermutigte mich, mich nach dem Vorfall wieder mit ihm zu treffen. Sie war immer viel besser im Umgang mit Männern – dachte ich jedenfalls. Wer weiß schon mehr über Männer als meine großbusige Cousine, die von sich behauptet, mit über 100 Männern und ein paar Frauen in der Kiste gewesen zu sein? Ich hörte also auf sie und nicht auf mein Bauchgefühl und traf den Typen bei sich zu Hause. Dieses Mal hatten wir einvernehmlichen Sex, obwohl ich es tief in mir drin eigentlich nicht wollte. Er misshandelte mich verbal, sagte ich würde stinken, käme nicht ansatzweise an seine Ex heran. Er bespuckte mich und bezeichnete mich als "zu fett und langweilig". Das alles, während er in mir drin war. Aber hey, wenigstens hatte ich Sex. – Gaby, 31

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"Jahrelang dachte ich, dass es daran liegt, dass ich zu dick bin"

Bei meinem ersten Mal sagte ich dem Typen, dass ich nervös sei, weil er mich zum ersten Mal nackt sehen würde. "Keine Sorge", entgegnete er, "Ich werde eh nicht hingucken."

Mein späterer Freund, mit dem ich vier, fünf Jahre zusammen war, sagte zu mir "es war schöner, als du dünner warst", nachdem ich etwas Gewicht zugelegt hatte. Beide Bemerkungen führten dazu, dass ich mich absolut beschissen fühlte. Bei meinem Freund kam noch dazu, dass er unter erektiler Dysfunktion litt. Es dauerte Jahre, bis wir darüber geredet haben. Bis dahin dachte ich die ganze Zeit, dass es daran liegt, dass ich zu dick sei. Er hatte die Erektionsstörung seit ich ihn kannte, aber erst Jahre später erhielt er die Diagnose. Ich dachte die ganze Zeit, dass ich das Problem sei. – Stella, 32

"Das ist, als würde ich Boo ficken!"

Als ich 19 war, hatte ich mir einen süßen Pixie-Cut schneiden lassen. Als ich Doggystyle mit diesem Typen Sex hatte, fing er plötzlich an zu lachen. Ich fragte ihn, was so lustig sei. "Das ist, als würde ich Boo von Orange is the New Black ficken." OK, für mich war das keine echte Beleidigung. Sie ist androgyn und cool, aber sein Lachen führte dazu, dass ich mich richtig schlecht fühlte. Ich habe ihn danach auch nie wieder gefickt.

Ich machte damals eine androgyne Phase durch und war zufrieden mit meinem Look, aber er hatte mich nie mit so kurzen Haaren gesehen. Es war ein kleiner Schock für ihn. Vielleicht hätte ich es nicht so persönlich genommen, wenn mehr Gefühle im Spiel gewesen wären. Aber er war nur eine Bettgeschichte. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht so attraktiv wie vorher findet, aber weiter mit mir Sex hatte, um seinen Schwanz irgendwo reinstecken zu können. – Noemi, 24

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"Eine meiner Bettgeschichten wollte das Licht nicht anmachen"

Eine Bettgeschichte sagte mal zu mir: "So wie wir beide aussehen, glaube ich nicht, dass jemand von uns gerne das Licht anhätte." Ich war verwirrt und überrascht. Ich hatte bis dahin noch nie etwas mit jemandem gehabt, der oder die so schüchtern in Sachen Nacktheit war. Obendrein fand ich die Person sexuell unfassbar attraktiv. Ich verstand es einfach nicht.

Später fielen mir aber auch andere Eigenheiten aus. Die Person weigerte sich unter allen Umständen, komplett nackt zu sein. Irgendetwas musste oben oder untenrum immer bedeckt sein. Wenn ich nackt durch die Wohnung lief, gab es Protest. Da war wohl eine ganze Menge Projektion im Spiel. – Remi, 37

"Sie wollte, dass ich die Kuchen-Szene aus Matilda nachspiele"

Ich bin pansexuell und war schon mit Menschen unterschiedlichster Körpermaße zusammen. Gerade mit den Dünnen habe ich aber unangenehme Erfahrungen gemacht. Da war zum Beispiel dieses Mädchen an der High School, das einzige andere queere Mädchen, das ich kannte. Als wir uns das erste Mal voreinander auszogen, meinte sie, dass sie noch nie einen Körper wie meinen gesehen habe. "Ich glaube, ich habe meine Meinung geändert", sagte sie. "Ich weiß nicht, was ich mit dem ganzen Zeug anstellen soll." Ich habe danach sogar noch eine Zeit lang versucht, sie zu daten. Mein Selbstwertgefühl als dicker und queerer Mensch war einfach so niedrig.

Als ich zur Uni ging, fragte mich dann eine, ob ich die Bruce-Bogtrotter-Szene aus Matilda nachspielen will. Das ist die Szene, in der der Junge gezwungen wird, einen ganzen Schokoladenkuchen zu essen. Wir hatten davor schon ein paar Mal miteinander geschlafen, aber der Vorschlag kam komplett aus dem Nichts. Ich verurteile niemanden mit einem Feeder-Fetisch, aber bei ihr schien mir das etwas anderes zu sein. Sie hatte es eher darauf abgesehen, mich zu erniedrigen. Oder sie hatte diese Vorstellung, dass alle Fetten nichts lieber tun, als sich vollzufressen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie sich aufgrund ihres dünnen Körpers überlegen fühlte. Nach ihr habe ich von sehr dünnen Menschen die Finger gelassen. – Courtney, 29

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"Ich fühlte mich, als wäre ich nur dazu da, andere zu befriedigen"

Ein Typ, mit dem ich Sex hatte – vielleicht war ich sogar eine Weile mit ihm zusammen – sagte, dass fette Mädchen besser im Bett seien, weil sie einem Mann nichts zu bieten hätten. Weil sie hässlich seien und niemand sie haben wolle, würden sie alles geben und diese ganzen kranken Dinge tun. Dann gab es noch diesen Spruch, dass unsere Vaginen enger seien, weil sich unsere Schenkel berühren. Es gab mir das Gefühl, dass ich nur existiere, um andere zu befriedigen.

Ich war 19 oder 20, als mir das passierte. Ich fühlte mich damals absolut wertlos. Egal, was ich mochte oder wofür ich stand, niemand sah mich so, wie ich war. Stattdessen wurde ich nur als Sexobjekt wahrgenommen. Schon früh lernte ich, dass es Männer gab, die heimlich mit mir Sex hatten, aber nie mit mir zusammen sein wollten. Ich merkte schnell, dass ich dafür den Preis zahlte, leicht zu haben zu sein.

Wir verdienen so viel mehr. Ich wünschte, ich hätte früher gelernt, dass sie mich nur benutzen wollen. Aber es ist OK. Ich habe aus meinen Erfahrungen gelernt und werde das nie wieder mit mir machen lassen. – Rose, 38

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