Politik

Wir haben das Video analysiert, mit dem Arnold Schwarzenegger Amerika retten will

Der ehemalige Terminator ruft zum Kampf für das Gute auf und zieht nebenbei wirre Nazi-Vergleiche.
Arnold Schwarzenegger blickt in die Kamera eines Videos das er nach der Erstürmung des Kapitols als Reaktion aufgenommen hat
Screenshot: Twitter | @Schwarzenegger

Amerika war nie größer als in der Ära von Arnold Schwarzenegger. Und damit ist nicht der beeindruckende Körper des Österreichers gemeint,  sondern das, wofür er steht - eine brachiale 80er-Jahre-Gewalt, die sich unzerstörbar für das Gute einsetzt. An diese Tradition hat Schwarzenegger angeknüpft, als er gestern in einem fast achtminütigem Video eine Ansprache an die Nation gehalten hat. Aber wie schafft er es, so viel Wirkung zu entfalten? Wir haben das Video analysiert.

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Der Eishauch der Geschichte lässt meine Weichteile schon schrumpfen, da hat Schwarzenegger noch kein Wort gesagt. Schon die pathetische Musik, mit der sein Monolog unterlegt ist, macht deutlich: Hier hält einer die letzte Ansprache vor dem Boss-Fight. Die ultimative Motivationsrede, bevor wir alle in die Schlacht ziehen, damit das Gute doch noch siegt. Bisher haben wir geglaubt, alles sei verloren, doch Schwarzeneggers kantiges Kinn formt brockige Worte, die den Glauben an einen Sieg wiederherstellen. 


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Geschichtsvergessen und dumm

Dafür nutzt er einen Vergleich, der falsch und dumm ist. So dumm, dass man sich fragen kann, ob der Typ, der hier das Gewissen der Republikanischen Partei mimt, wirklich aus dem deutschsprachigen Raum stammt. "I grew up in Austria. I'm very aware of Kristallnacht or the Night of Broken Glass."

Das ist so wahnsinnig geschichtsvergessen, dass die kühnen Recken, die Schwarzenegger zu motivieren versucht, sich abwenden, dem komischen Opa auf der Anhöhe den Vogel zeigen und nach Hause gehen müssten. Beim Sturm aufs Kapitol wurden keine Juden ermordet, keine Synagoge angezündet, kein jüdisches Geschäft geplündert.

Vielleicht braucht Schwarzenegger die Übertreibung, um seine Message an die Leute zu bringen und vielleicht ist sie auch ein Stilmittel der 80er. Eine Übertreibung, die ohne Rücksicht auf Korrektheit, Befindlichkeiten oder die Menschenwürde auskommt. Es geht um den Knall und in Schwarzeneggers Rede sehen wir um uns herum Raketen explodieren, als versuchten wir gerade mit ihm gemeinsam das Hauptquartier der Ungerechten zu stürmen. 

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Day of Broken Glass?

Trotzdem stürzen wir unmittelbar in die Postapokalypse: Nazis bedrohen Amerika. Ihresgleichen haben das Kapitol gestürmt. Wir kannten die Bilder, jetzt macht Schwarzenegger sie groß. Das hier ist die Eröffnungsszene eines Films, an dessen Ende Schwarzenegger oben ohne und ein Hubschrauber-Maschinengewehr aus der Hüfte schießend die Welt rettet. Und damit wir nicht vergessen, woran diese Eröffnungsszene uns denken lassen soll, erklärt er es uns: "Mittwoch war der Day of Broken Glass hier in den Vereinigten Staaten." 

Wem die Fallhöhe jetzt noch nicht hoch genug ist, für den hat Schwarzenegger eine weitere Anekdote in petto, die er droppt wie John Matrix Sully von der Klippe in Phantom Kommando. Eine Frau habe ihn angerufen. Sie habe geweint wegen Amerika. "Wonderful tears of idealism about what America should be." Die Gefühle sind so berechtigt, weil die Gefahr heute so real ist wie damals. Alles hängt zusammen. Total Recall.

"Mittwoch war der Day of Broken Glass hier in den Vereinigten Staaten. Das zerbrochene Glas war in den Fenstern des Kapitols", sagt Schwarzenegger, als hätten wir es noch nicht verstanden. "Aber das Pack zerschmetterte nicht nur die Fenster des Kapitols. Es zerschmetterte die Ideen, die wir für selbstverständlich hielten. Sie traten nicht nur die Türen des Gebäudes ein, in dem die amerikanische Demokratie lebt. Sie trampelten auf den wichtigsten Prinzipien herum, auf denen unser Land gegründet wurde." 

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Diese Entstehungsgeschichte ist fast so traurig wie Batmans

Das schlimmstmögliche Szenario ist etabliert und es ist bereits eingetreten. Was kann man jetzt noch tun? Zum Glück pumpt Schwarzenegger wieder regelmäßig. Er ist zur Stelle. Doch zuerst geht es zurück in seine Kindheit. Denn der Held braucht eine Backstory, wie in Phantom Kommando, als Schwarzenegger am Frühstückstisch mit seiner halbwaisen Tochter erzählt, dass er aus Ostdeutschland stammt, wo die Kommunisten Rockmusik als "aggressiv" abgewertet haben, um dann kurz innezuhalten und abzuschließen mit: "Maybe they were right." Nur ist die Vergangenheit des Protagonisten in Schwarzeneggers aktuellem Rettungsversuch noch dunkler.

Es geht um seinen Vater, der betrunken nach Hause kam, den kleinen Arnold anbrüllte und dessen Mutter schlug. Aber, der große Arnold hat Verständnis, er ist Familienmensch, ein guter Amerikaner halt. Alle Väter taten das nämlich. Verantwortlich seien also nicht sie, sondern das böseste Regime, das je existierte. Denn auch sie waren, irgendwie, Actionhelden. Gebrochene Männer, die Dinge erlebt hatten, die sie nicht losließen. "They were in physical pain from the shrapnel in their bodies and emotional pain from what they saw or did." 

Das ist eine Entstehungsgeschichte, die so gut ist, dass wir sie uns öfter verfilmt anschauen könnten als Spiderman. Und das Beste ist, dass diese  Geschichte ihre Parallelen in der Gegenwart findet. Das ist Storytelling, wie ein James Cameron es nicht besser hätte machen können. Es würde kaum überraschen, wenn Trump sich am Ende als Schwarzeneggers Vater herausstellt. 

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Muskulöser Patriotismus gegen Trump

Denn die Lügen, mit denen Schwarzeneggers Vater vor 90 Jahren in die Nazigräuel hineingezogen wurde, sind die Lügen, die Trump heute nutzt, um seine Anhänger aufzuwiegeln. An dieser Stelle  kommt einer dieser Rückgriffe auf die Geschichte, die auch amerikanische Actionfilme brauchen, um ihr ganzes pathetisches Potenzial präsentieren zu können. Schwarzenegger nutzt dafür ein Teddy-Roosevelt-Zitat: "Patriotism means to stand by the country. It does not mean to stand by the president." 

Wer moralisch überlegen ist, und das ist Schwarzenegger, seit er 1970 als Hercules in New York mit Bären gewrestlet hat, darf das auch kommunizieren. Nichts anderes sind doch seine Oneliner: "Stick around!", nachdem er jemandem ein Messer in die Brust geworfen hat, "Let off some Steam", nachdem er jemandem ein Rohr in die Brust geworfen hat oder nun: "(President Trump) will soon be as irrelevant as an old tweet."

Dann brabbelt Schwarzenegger noch etwas vom Herz eines Dieners, womit er auf seine katholische Erziehung verweist und das Herz auch derjenigen Amerikaner berühren kann, deren Nächstenliebe dann endet, wenn sie sonntags aus der Kirche treten und dem grellen Sonnenlicht entgegenblinzeln, in dem ja auch Gott steckt.

Der Gott des Stahls wird siegen

Doch Pessimismus ist unamerikanisch und wer weint, ist kein Mann. Deshalb zeigt Schwarzenegger auch nochmal seine Muskeln: "America will come back!" Die Anspielung auf seine größte Rolle entgeht natürlich niemandem, weswegen ich mich auch weigere, sie hier nochmal zu wiederholen. Doch damit niemand vergisst, dass Schwarzenegger eben Schauspieler ist, fährt er das größte Geschütz auf, das ihm aus seiner Kiste mit angegilbten Requisiten zur Verfügung steht: "Now you see this sword? This is the Conan sword."

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Und hier kommt das Herzstück seiner Rede. Aber dieses Herz blubbert eher vorsichtig vor sich hin, statt das Blut durch die Porno-Penis-dicke Aorta des Muskelbergs zu pumpen. Ein Schwert werde besser, der Stahl härter, wenn man es länger bearbeitet. Der Schmiedevorgang erzeuge ein besseres Produkt, wenn man fester auf das Metall einprügelt. So wie die amerikanische Demokratie. Die werde stärker aus der Krise hervorgehen.

Und hier braucht es Kritik auf zwei Ebenen. Conan selbst hat am Ende des Films dem Stahl abgeschworen, um stattdessen zu Chrom zu beten. Sein Schwert war im Gefecht zerbrochen. Warum also die Conan-Referenz, wenn Schwarzenegger auch einfach die Haut seines Unterarms wegschneiden könnte, um das metallene Skelett darunter zu präsentieren? 

Überleben für die Demokratie

Aber auch inhaltlich hinkt das Gleichnis wie der Terminator am Ende von Teil eins, nachdem Kyle Reese ihm eine Rohrbombe in den Körper gesteckt hat. Wenn wir immer noch den Vergleich mit der Pogromnacht bedienen müssen, dann müssen wir auch anerkennen, dass diese Nacht die deutsche Demokratie nicht gestärkt hat. 

Spannend sind dann noch die letzten Sätze, in denen Schwarzenegger nochmal alles gibt. Gut gegen Böse, die Helligkeit gegen das Dunkel: Seine Stimme wird etwas tiefer, wenn er in die Kamera dröhnt: "And to those who think they can overturn the United States Constitution, know this: You will never win."

Er und ein "We" stehen beim gewählten Präsident Biden. "Heute, morgen und für immer." Um die Demokratie zu verteidigen vor denen, die sie bedrohen. Fast meint man, Schwarzeneggers heimliche Armee jubeln zu hören, wenn die letzten Sekunden des Videos die US-Flagge zeigen. Sie sind bereit, sich zu wehren, bereit, für das Gute zu kämpfen. Amerikas Demokratie wird überleben. Oder, wie Schwarzenegger in The Running Man gesagt hat: "I'm not into politics. I'm into surviving."

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