Aserbaidschan-Affäre

Urteil: VICE darf CDU-Mann Hauser weiterhin "Strippenzieher der Aserbaidschan-Connection" nennen

Der Ex-Regierungssprecher von Helmut Kohl drängte uns, wichtige Passagen einer kritischen Recherche zur Aserbaidschan-Affäre zu löschen. Jetzt urteilte das Landgericht Stuttgart gegen ihn.
Otto Hauser,  Honorarkonsul von Aserbaidschan zeigtfr
Foto: IMAGO / Jürgen Eis

Die Aserbaidschan-Affäre bringt immer mehr deutsche Politiker in Bedrängnis, sie ist inzwischen so unübersichtlich wie ein Wimmelbild. Viele Medien arbeiten daran, etwas Licht ins Halbdunkle zu bringen, ins abenteuerliche Gewirr von Lobby-Organisationen, obskuren Firmen, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, von Geldflüssen und Baku-Reisen.

Einer der Politiker mit exzellenten Verbindungen zum aserbaidschanischen Aliyev-Regime ist der schwäbische CDU-Politiker und Unternehmer Otto Hauser. Er war in den Neunzigern kurz Regierungssprecher unter Helmut Kohl und ist seit 2010 Honorarkonsul Aserbaidschans in Stuttgart. 

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Wir haben uns in einer langen Recherche Hausers regelmäßigen Baku-Reisen gewidmet. Er geht gerichtlich gegen unseren Artikel vor. Hauser fordert uns auf, zentrale Passagen unserer Recherche zu löschen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Er behalte sich zudem "die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie die Geltendmachung eines Schmerzensgelds" ausdrücklich vor. Wir haben die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Hauser hat daraufhin beim Landgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung beantragt. Über den Verfügungsantrag wurde mündlich verhandelt. Am vergangenen Freitag hat das Landgericht Stuttgart nun geurteilt und VICE in den meisten Punkten Recht gegeben.

Unter anderem wollte uns Hauser verbieten lassen, dass wir ihn als einen "der wichtigsten Strippenzieher der Baku-Connection" bezeichnen. Was eine interessante Forderung ist für jemanden, der 2010 vom Aliyev-Regime zum ersten Honorarkonsul Aserbaidschans ernannt wurde, der Ehrenvorsitzender ist des "Deutsch-Aserbaidschanisches Forums", einem einflussreichen Lobbyverein, und der so oft nach Baku fliegt wie andere Deutsche nach Mallorca. Parteifreunde, die nicht namentlich genannt werden wollen, nennen Hauser, wenn es um Aserbaidschan geht, laut Stuttgarter Zeitung wahlweise "Krake" oder "Spinne im Netz". Da ist die Formulierung "Strippenzieher" noch höflich zurückhaltend. Nun hat das Landgericht Stuttgart entschieden, dass unsere Formulierung eine zulässige Meinungsäußerung ist. Sie darf weiter veröffentlicht und verbreitet werden.

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Vor gut elf Jahren wurde der CDU-Politiker Otto Hauser Honorarkonsul Aserbaidschans in Stuttgart. In unserer Recherche schreiben wir dazu: "Hausers Verbindungen zahlen sich aus. Im April 2010 wird ihm eine besondere Ehre zuteil."

Hauser fordert uns auf, diese Sätze, die hier gefettet sind, aus unserem Text zu tilgen und nicht mehr zu wiederholen. Wir würden wahrheitswidrig behaupten, dass sein Titel "erkauft" sei. Was wir niemals behauptet haben. Dass man allerdings gewisse Verbindungen braucht, um von einem Land als Honorarkonsul ernannt zu werden, ist beinahe selbsterklärend. Und dass Hauser exzellente Verbindungen nach Aserbaidschan pflegt, würde er wohl nicht mal selbst bestreiten. Das Landgericht Stuttgart hat nun geurteilt: Zulässig! Diese Einschätzung darf weiterhin geäußert und verbreitet werden. Es handele sich um eine zulässige Meinungsäußerung mit wahrem Tatsachenkern. 

Die für Hauser wohl heikelste Passage unserer Recherche ist die zu einer Nachricht, die Hauser im Dezember 2020, nachdem Aserbaidschan den Krieg um Bergkarabach gewonnen hat, an das aserbaidschanische Volk richtet. Hauser ist darin, so zitieren ihn regimenahe Medien, voll des Lobes für den autokratischen Herrscher Ilham Aliyev.  Der Traum von "Karabachs Befreiung" habe "lange im Herzen Aliyevs gelegen und erforderte eine lange Vorbereitungsstrategie, Geduld und eine konsequente Politik", um diesen "edlen Traum" zu verwirklichen. Eine andere Äußerung, die in der Ausgangsmeldung von Azertag gelöscht wurde, sich aber weiterhin in anderen aserbaidschanischen Medien finden ließ, will Hauser nicht getätigt haben. Vor Gericht gab er auch eine strafbewehrte, eidesstattliche Versicherung ab. Wir dürfen sie deshalb nicht weiter verbreiten.

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Weiterhin verbreiten dürfen wir hingegen folgende Sätze, die uns Hauser auch verbieten lassen wollen. In unserem Text schreiben wir: "Otto Hauser, der Honorarkonsul aus Stuttgart, richtet nach gewonnenem Krieg eine Lobrede an das aserbaidschanische Volk, überbracht wird sie von Azertag, der staatlichen Nachrichtenagentur."

Diese Behauptung sei laut Hauser nicht korrekt. Wie dem Artikel zu entnehmen sei, habe Hauser das Jahr für Aserbaidschan am 23.12.2020 zusammengefasst. Der Krieg sei aber bereits am 10. November beendet worden. Anlass der Rede sei also nicht das Kriegsende gewesen. Im Vordergrund des Artikels habe die gute Bewältigung der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie durch Aserbaidschan gestanden.

Es ist zwar richtig, dass in der Rede auch Aserbaidschans Umgang mit der Corona-Pandemie erwähnt wird. Wir haben jedoch niemals gewertet, was Vordergrund, Hintergrund oder Anlass dieser merkwürdigen Lobrede war, die Hauser – so bestätigt er selbst – nach Kriegsende an das Aserbaidschanische Volk gerichtet hat. So urteilte das Landgericht Stuttgart nun, dass diese Sätze weiterhin veröffentlicht werden dürfen. Es handele sich um eine zulässige Meinungsäußerung mit wahrem Tatsachenkern.

Dass Hauser die blutige Schlacht um Bergkarabach in seinem Text als "edlen Traum" bezeichnet hat, der "lange im Herzen Aliyevs gelegen" und dessen Verwirklichung "eine lange Vorbereitungsstrategie, Geduld und eine konsequente Politik" erfordert habe, bestreitet Otto Hauser nicht. Auch diese kriegsverherrlichenden Formulierungen sind für einen ehemaligen Regierungssprecher eher ungewöhnlich.

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Aserbaidschan-Affäre: Aliyevs geheime Praktikanten-Armee im Bundestag

Im Herbst 2008 reiste Otto Hauser nach Aserbaidschan, um auf eigene Faust die umstrittenen Präsidentschaftswahlen zu beobachten. Die Opposition boykottierte die Wahl, die OSZE kritisierte fehlenden Wettbewerb. Reporter ohne Grenzen bemängelte, dass die staatsnahen Medien im Wahlkampf einseitig positiv über Aliyev berichtet hätten. Der zweitplatzierte Kandidat erreichte nur 2,8 Prozent. 

Im Jahr 2012 gab Hauser der Stuttgarter Zeitung ein Interview. Da sagte er: "Alijev ist ein frei gewählter Präsident. Ich war bei seiner Wahl selbst dabei – zusammen mit vielen anderen internationalen Beobachtern. Alle bestätigen, dass die Abstimmung frei und fair war." Eine andere Äußerung zu den Wahlen, die sich seit 2008 in aserbaidschanischen Medien fand, will Hauser hingegen nicht getätigt haben und sie darf von uns nicht weiterverbreitet werden. Vor Gericht gab Hauser hierzu eine strafbewehrte, eidesstattliche Versicherung ab.

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist noch nicht rechtskräftig. Unsere Recherchen zur Aserbaidschan-Affäre gehen weiter.

Update vom 10.08.2021, 12:30 Uhr: Wir haben diesen Text mit Informationen zum Urteilsspruch des Stuttgarter Landgerichts ergänzt.

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