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McDonalds interessiert sich ganz bestimmt für deine Meinung

In Zeiten von Shitstorms und Social Media sucht jedes große Unternehmen die Nähe zum Kunden. Wir haben uns einen Nachmittag der neuen „Transparenzoffensive“ von McDonald‘s gewidmet, die alles andere als transparent ist.

McDonald‘s ist ein Großunternehmen wie jedes andere. Das wissen die meisten von uns. Da wir jedoch in Zeiten leben, in denen jeder Idiot seine halbgare Meinung unter den Augen der Welt verkünden kann und zu viele Menschen mit zu viel Zeit nur auf den nächsten Shitstorm lauern, muss jeglicher Kritik vorgebeugt werden. Image bedeutet Kapital.

Deswegen sieht es zumindest von außen betrachtet smart aus, unter der Überschrift „Eure Fragen. Unser Essen.“ ein Portal zu launchen, in dem vom rechtschreibschwachen Teenager bis hin zum veganen Missionar jeder seine Royal-TS®-Sauce zu McDonald’s-Produkten hinzugeben kann. Ausgedacht haben sich das wahrscheinlich ein paar selbsternannte Social-Media-Experten, die mit Begriffen wie „Transparenzoffensive“ um sich schmissen. Und da ist es nun, das „Frag McDonald’s“-Portal.

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Das Prinzip: Du loggst dich mit deinem Facebook- oder Twitter-Account ein und stellst deine Frage. Oder sendest eine E-Mail, die allerdings nicht veröffentlicht wird und an der demnach nicht „ganz Deutschland“, wie das FAQ es stolz verkündet, teilhaben darf. Du kannst deine deutschlandweiten 15-Minuten-McDonald’s-Internet-Fame also nur dann genießen, wenn du denen Zugriff auf dein Profil gibst.

Wenn sich deine Frage dann noch auf Produkte bezieht, innerhalb Deutschlands gestellt wird, keine persönliche Meinung widerspiegelt oder einen Kommentar darstellt oder „die Privatsphäre Anderer verletzten oder in anderer Weise unangemessene bzw. mit dieser Website nicht vereinbare Inhalte enthalten“ könnte, dann wird sie veröffentlicht und beizeiten beantwortet.

Die Antworten sind in einer kindergerechten Sprache formuliert, die keinerlei Angriffsfläche bietet und in der negative Wendungen und Wörter so gut wie nicht vorkommen. Das entspricht ungefähr dem, was sich George Orwell in 1984 ausgemalt hatte. Doppelplusgut gemacht, McDonald’s!

Die Antwort meinten sie. Regenbögen, Einhörner—witzig! Die kennen bestimmt auch die neuesten Mems und so. Und Chuck-Norris-Sprüche.

Eigentlich bin ich auf der Suche nach kritischen Fragen und Antworten. Mit Blick auf die gestellten Fragen fällt mir jedoch höchstens auf, dass der durchschnittliche McDonald’s-Kunde die Worte „Burger“ und „Bürger“ nicht auseinanderhalten kann und anscheinend ein großer Bedarf an vegetarischen und veganen Produkten besteht. Weil die Welt ja automatisch ein Stück besser wird, wenn wir die systematische Ausbeutung und Massenschlachtung von Tieren mit einem McVegan mitfinanzieren, oder wie? So oder so: Alles kuschelig und auf meine etwas schärfer gestellten Fragen wird, wie erwartet, nicht reagiert.

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Etwas entmutigt vom labberigen Greenwashing-Wischiwaschi wende ich mich der Facebook-Seite von McDonald’s Deutschland zu. Dort geht es in Ton und Themenwahl schon heftiger, spontaner und emotionaler zu. Die Probleme von enttäuschten Kunden und McDonald’s-Hassern ergießen sich weitestgehend unzensiert über die Wall der Seite: Vom Familienvater, dessen Gör nicht die versprochene McDonald’s-Geburtstagsparty bekommen hat, vom Teenager, für den 20 Minuten in der Warteschlange eine unendliche Qual bedeuten, bis hin zu denen, die dorthin gehen, wo es wirklich wehtut: McDonald’s ist offizieller Sponsor der olympischen Spiele in Sotschi, Russland.

Dass McDonald’s als Sponsor eines prestigeträchtigen Events indirekt ein Land unterstützt, in dem nicht nur die Rechte der LGBT-Community, sondern auch gleich deren Mitglieder buchstäblich mit den Füßen getreten werden, ist bei diesem Unternehmen wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Im Gegensatz zu einigen anderen bekommt Frederik eine Antwort, die natürlich unverfänglich ausfällt und McDonald’s gutes Gewissen bei der Sache betont. Praktisch, dass Maxamillion Graves in dieselbe Kerbe schlägt. Warte, den Namen habe ich doch schon mal gelesen …

Nur wenige Kommentare, die das Thema adressieren, werden überhaupt von McDonald’s Deutschland beantwortet. Meistens liefern sich nur ein paar private User einen schlaffen Schlagabtausch mit den Postern, der alsbald versandet.

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Mir fallen einige interessante Dinge auf. Besser gesagt: einige User. Maxamillion Graves, Sophia Meisel, Theo Wurst, Aptem Sergejewitsch und Nadi Zob zum Beispiel. Die mischen bei fast jeder auch nur annähernd kritischen Diskussion mit und teilen dabei deftig gegen diejenigen aus, die sich schlecht über das Unternehmen äußern. Die Aussagen sind knapp und auf den Punkt, die Rechtschreibung überwiegend korrekt. Mit Blick auf die jeweiligen Profile stelle ich mir die Frage: Habe ich hier gerade den Wochenenddienst des McDonald’s-Deutschland-Community-Managements gefunden? Schauen wir uns mal das Profil von McDonald’s-Apologet Maxamillion Graves an:

Wer auch immer hinter diesem Account steckt, hat sich wenig Mühe damit gegeben: Zwei Likes seit dem Facebook-Beitritt im August 2012. Dafür aber zig Kommentare auf der McDonald’s Deutschland-Seite, für die Maxamillion nicht mal den Finger gehoben hat. 

Auch die anderen User haben wenig aussagekräftige, beziehungsweise ziemlich ungepflegte Profile, posten aber umso mehr. Vor allem dann, wenn die offizielle McDonald’s Deutschland-Seite nicht reagiert. Und sind dabei noch ziemlich fix. Hier ein paar Perlen:

Zeig’s denen, Sophia!

Theo Wurst kann nicht nur die Proteste gegen McDonald’s Olympia-Sponsoring …

… sondern auch Veganer nicht leiden. OK, es ist ja wirklich ziemlich bekloppt, sich einerseits vegan zu ernähren und dann McDonald’s auf egal welche Weise mitzufinanzieren.

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Jetzt wird’s aber interessant. Angenommen, dass Theo Wurst ein Wolf im Schweinspelz ist: Heißt das, dass das Community Management mit Fake-Accounts islamophobe Scheiße verbreitet?

Aptem Sergejewitsch mischt als Russe übrigens immer dann mit, wenn es um die Rolle McDonalds’ als Sponsor der olympischen Spiele geht. Klar, er ist ja Russe. Glaubwürdigkeit ist ja das A und O.

So scheint jeder dieser User sein eigenes Themengebiet zu haben. Unser Bro Aptem nimmt die Russen in Schutz und sondert homophoben Bullshit ab, Theo Wurst übernimmt all diejenigen, die gerne halal bei McDonald’s essen möchten.

Eine kurze Google-Suche ergibt übrigens, dass es außerhalb Facebooks niemanden mit dem Namen Aptem Sergejewitsch zu geben scheint—er aber gemeinsam mit meiner alten Bekannten Sophia Meisel auf der Seite von Burger King Deutschland rumhängt und deren Kunden beschimpft.

Nadi Zob haut schon am Vorabend in die Tasten, lange bevor McDonald’s Deutschland antwortet. Klar, da haben die Community Manager, ja, äh, Feierabend:

Fassen wir das mal zusammen: Euer Frage-Portal will nicht nur auf unsere Profile zugreifen und selektiert alle Fragen fein säuberlich vor, die Antworten fallen auch wie erwartet lahmarschig aus. Und auf Facebook rührt ihr die heiklen Themen gar nicht erst an, sondern schickt vermutlich eine Schar von für diesen Job bezahlten Trolls mit Fake-Profilen los, um durch Kollateralscharmützel von jedem aufkommenden Shitstorm abzulenken. Was natürlich nicht zu beweisen ist, so eindeutig die Sache auch aussieht.

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Die Social-Media-Strategie von McDonald’s ist ungefähr so transparent wie ein fettiges Burgerpapier: Nur ein bisschen, ein ganz klein wenig. Aber immerhin perlt daran jegliche Kritik genauso leicht ab wie von dem Papier. Und ohne diese Metapher überstrapazieren zu wollen, aber: Sie ist genauso schmierig. Wen wollt ihr damit eigentlich verarschen?

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