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The Cultural Atrocities Issue

Touristenparty

Was wollen die ganzen Touris eigentlich in Berlin? Natürlich richtig ordentlich feiern.

Foto von Grey Hutton

782 Hotels gibt es in Berlin. Seit 2002 hat sich die Zahl der Übernachtungen pro Jahr fast verdoppelt, auf mehr als 20 Millionen. Was die alle hier wollen? Party machen, natürlich. Blöd nur, dass man in einer fremden Stadt gar nicht weiß, wohin. Man kann ja nicht in irgendeine Bar gehen, es muss schon was Authentisches sein. Aber nachdem heutzutage alle Bereiche des Lebens dienstleistungstechnisch optimiert werden können, gibt es hier seit ein paar Jahren eine Lösung für das Problem: die sogenannten „Pub Crawls“. Die Veranstalter des Insider Pub Crawl werben damit, dass sie einen „an Orte mitnehmen, die man ganz einfach nicht alleine finden würde.“ Das Ganze dauert fünf Stunden und kostet zwölf Euro. Ich stehe um 20 Uhr am Hackeschen Markt und werde dort von Simone begrüßt, der hyper-kompetenten Managerin. Innerhalb der nächsten Stunde tauchen ungefähr 30 Pub-Crawler auf, was ich beängstigend viel finde, Simone aber mit einem Achselzucken abtut: „Im Sommer werden es schon mal mehr als 100.“ Mit dabei: zwei Amerikaner, eine riesige Gruppe Schweden, ein paar erstaunlich zurückhaltende Australier und, siehe da, ungefähr fünf zugezogene Deutsche. Schon in der zweiten Bar fragt mich die Amerikanerin misstrauisch, ob das denn wirklich Orte seien, an die man als Berliner hinginge. Weil ich nett bin, beruhige ich sie, aber ich kenne niemanden, dem das im Traum einfallen würde. Alle Bars, die wir besuchen, sind charakterlose Touristenfallen, über die der Easy-Jetset mit Sicherheit auch so gestolpert wäre. Vor jedem Ortswechsel müssen alle schnell austrinken und im Zweifelsfall ihre Getränke in Plastikbecher schütten. Selbst wenn man also nichts gegen die Atmosphäre hat, kann es doch nicht amüsant sein, sich den Hedonismus so reglementieren zu lassen. Was also ist der Grund, aus dem man an sowas teilnimmt? Erst nach Mitternacht, auf dem Weg zum q-dorfig anmutenden Matrix rückt eine der Amerikanerinnen mit der Wahrheit raus: „Hier sprechen alle Englisch, das ist einfach leichter, als sich mit Deutschen zu unterhalten.“