​Ich wurde von einem AfD-Demonstranten beraubt
Alle Fotos: Felix Huesmann

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​Ich wurde von einem AfD-Demonstranten beraubt

Auch andere Journalisten wurden auf dem "friedlichen Schweigemarsch" der AfD in Unna angegriffen.

Tausend Teilnehmer hatte die AfD für ihre Demonstration in der kleinen Nachbarstadt Dortmunds Unna angekündigt. Auf dem Lindenplatz am Rande der Altstadt sind am Freitagabend aber nur etwa 120 von ihnen versammelt. Um sie herum stehen mehrere hundert Gegendemonstranten—von jungen Antifas im schwarzen Klischee-Outfit über Schülergruppen bis hin zu Rentnerinnen. Als Michael Schild, der Kreisvorsitzende der AfD, seine Rede beginnt, versteht man die Worte fast nicht. Von drei Seiten des Platzes schallen ihm laute Buhrufe entgegen, die zum Teil nur von den Trillerpfeifen übertönt werden.

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Gleich mehrere Redner liefern jedoch eine Begründung dafür, warum so wenige AfD-Anhänger gekommen sind: Die Leute hätten Angst. Angst vor Mobbing in der Schule, Angst vor dem Jobverlust und vor allem auch Angst vor der "kriminellen und gewaltbereiten Antifa".

Michael Schild gibt sich Mühe klarzumachen, dass die AfD und seine Demonstration hingegen eine völlig friedliche Angelegenheit seien. Und außerdem nichts Rechtes, Rassistisches oder Extremistisches. Die Demonstranten bittet er gleich mehrfach darum, nichtmal ihre Mittelfinger in Richtung der Gegendemonstranten zu zeigen, sich lieber freundlich zu verhalten. Zumindest einigen von ihnen ist das aber offenbar egal.

Zwischen Männern und Frauen in gesetzterem Alter und ein paar wenigen gestriegelten Jung-AfD-lern steht nämlich auch eine Gruppe junger Rechtsextremer. Sie gestikulieren immer wieder provokativ in Richtung der Gegendemonstranten, einer von ihnen präsentiert dabei stolz sein HoGeSa-Shirt.

Von den Reden über Volk, Nation und Bildungspolitik sind sie sichtlich gelangweilt. Noch während der Auftaktkundgebung versucht einer von ihnen das erste Mal, eine Gruppe Journalisten anzuspucken. Auch der örtliche Kreisvorsitzende der NPD ist am Freitagabend bei der Demonstration. Sein Kreisverband hatte im Vorfeld sogar öffentlich zur Teilnahme aufgerufen. Der Kreisvorsitzende Hans-Jochen Voß besucht sonst eher Demonstrationen der Neonazi-Partei "Die Rechte" und gilt als Verbündeter der gewalttätigen Kameradschaftsszene.

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Nach einigen Redebeiträgen soll sich die Demonstration dann in Bewegung setzen—als Schweigemarsch, wie Michael Schild betont. Und außerdem ohne Auseinandersetzungen mit den Gegendemonstranten. Einer der AfD-Demonstranten zieht sich währenddessen seine dicken schwarzen Lederhandschuhe an und gestikuliert aggressiv in Richtung Gegenprotest.

Gemeinschaftlicher Raub

Als sich die Demonstration in Bewegung setzt, ist das für mich erst ein ganz gewöhnliches Szenario. Ich gehe wenige Meter vor dem Front-Transparent und mache Fotos. Dann laufe ich ein paar Meter weiter vor, um zu schauen, ob sich dort Gegenprotest ankündigt, danach wieder zurück zur Versammlung. Vom Bürgersteig neben der Straße schieße ich ein paar Fotos.

Nach wenigen Minuten sehe ich dann, wie einige Meter vor mir ein Demonstrant auf einen anderen Fotojournalisten zustürmt. In der Hand hält er ein Holzschild der AfD. Er fordert den Kollegen lauthals auf, ihn nicht zu fotografieren, schubst ihn in Richtung der Hauswand hinter ihm.

Als der Demonstrant gerade von dem Fotografen ablässt, beginne ich die Situation zu fotografieren. Der Angreifer reiht sich wieder in die Demo ein, ich mache weiter meine Fotos. Nur wenige Sekunden später stürmt er dann in meine Richtung. Ich dürfe ihn nicht fotografieren, schreit er mich an. Natürlich dürfe ich das, rufe ich zurück

Daraufhin stürmt er gemeinsam mit einem zweiten Demonstranten auf mich zu. Der wird direkt aggressiv, schreit mich an. Als ich weiter fotografiere, schubst er mich erst, stößt fest gegen meine Kamera. Während ich ihm laut "Pack mich nicht an!" ins Gesicht schreie und versuche, die Polizei aufmerksam zu machen, reißt er mir auf einmal mit einem Ruck die Kamera von der Schulter.

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Mit meiner Kamera in der Hand baumelnd steht er nun aggressiv und bedrohlich vor mir. Wenige Sekunden später ist die Kamera dann auch schon in der Menge verschwunden, wird anscheinend durch die Demonstration gereicht. Endlich stehen jetzt auch mehrere Hundertschafts-Beamte neben mir.

Noch während ich den Täter anzeige und seine Personalien festgestellt werden, kann die Polizei mir am anderen Ende der AfD-Demo meine Kamera wiederbeschaffen. In der Pressemitteilung der Polizei steht später am Abend, dass zwei Personen nach einem gemeinschaftlichen Raub festgenommen wurden.

Demo blockiert

Als ich die Kamera nach einigen Minuten wieder in meinen Händen halte, ist die Demonstration der AfD bereits außer Sichtweite. Weit gekommen ist sie dennoch nicht: Hinter einer Straßenkurve wenige Hundert Meter entfernt stehen die Demonstranten—sichtbar schlecht gelaunt. Noch ein paar hundert Meter weiter steht eine Polizeikette. Dahinter sieht man aus einiger Entfernung vor allem viele bunte Luftballons. Die Demonstration ist durch Gegendemonstranten blockiert. Deutlich aggressiver als vorher dreht die AfD-Demo nach einigen Minuten um und läuft zurück.

Eigentlich soll die deutsche Nationalhymne dabei das Letzte sein, das die Stadt von den AfD-Demonstranten hört. Kurz später überlegt sich die kleine Gruppe junger HoGeSa-Demonstranten das aber anders: "Frei, sozial und national", rufen sie den Gegendemonstranten am Rand zu, und: "Wir sind hier, wir sind da, HoGeSa!"

Dem Ansehen der AfD hat diese Demonstration eine Woche vor dem Programmparteitag in Stuttgart wahrscheinlich nicht geholfen.