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Wirres Deutschland

​In der Waldorfschule wird nicht nur Ken Jebsens Name getanzt

Über Verschwörungstheorien, Holocaustleugner und Reichsbürger im Schulbetrieb.
Foto: Grey Hutton

Heute meldete Spiegel Online, dass sich Waldorfschulen in Zukunft klar gegen Reichsbürger aussprechen wollen. Im Sommer war herausgekommen, dass der Direktor einer Waldorfschule in Rendsburg der Reichsbürgerszene zumindest nahe steht.

Waldorfschulen werden jetzt zum Hort des Widerstands gegen Antisemitismus und rechte Ideologien? Hmmmm, …. Nein. Zumindest gibt es da noch eine Menge merkwürdiger Geschichten aufzuarbeiten.

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Ken Jebsen war (natürlich) Waldorfschüler

Und deswegen darf er auch in der Waldorfschule Überlingen auftreten und über sein Lieblingsthema sprechen: Ken Jebsen. Ansonsten geht es um die Mainstreampresse und seine Interpretation des Gaza-Konfliktes (Spoiler: Israel ist schuld). Wenn Jebsen auf seiner Website seine Predigten hält und bei den Montagsdemos auftritt, ist das zwar nicht schön, aber immerhin handelt es sich dabei um keine öffentlichen Institutionen. Bei einem Auftritt in einer Schule sieht das aber ziemlich anders aus.

Auch die NPD geht auf die Waldorfschule

Andreas Molau ist mittlerweile aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und engagiert sich für Aufklärung in Schulen. Über diese Wandlung vom Saulus zum Paulus kann man zwar heute sehr froh sein, allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass Molau von 1996 bis 2004 als Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Waldorfschule in Braunschweig angestellt war.

Können Holocaustleugner ihren Namen tanzen?

Die Anthroposophie war zwischen '33 und '45 nicht unumstritten. Einerseits war die Lehre von Steiner für viele Nationalsozialisten eine konkurrierende Weltanschauung, andererseits gab es, zum Beispiel mit Rudolf Heß, auch extrem prominente Fürsprecher. Zu den Mitarbeitern von Heß gehörte Werner Georg Haverbeck, der 1963 mit seiner zukünftigen Frau Ursula das Collegium Humanum gründete. Ursula Haverbeck führte nach seinem Tod 1999 sein „Werk" weiter und ist heute eine der einflussreichsten Holocaustleugnerinnen Deutschlands und hat gerade letzte Woche den Zentralrat der Juden wegen Falschaussage angezeigt , da es keinen Beweis für den Massenmord an Juden während der Nazizeit gäbe. Eine der Referenten an Haverbecks Collegium war Bernhard Schaub, der (langsam nicht mehr so überraschend) ebenfalls vorher Lehrer an einer Waldorfschule war. Er musste seine Schule in der Schweiz verlassen, nachdem er ein Buch veröffentlicht hatte, in dem er in guter Collegium-Humanum-Tradition den Holocaust leugnete.

Offensichtlich hat man in Waldorfschulen ein Problem damit, sich eindeutig von abseitigen Ideologien abzugrenzen. Selbstverständlich ist auf einer Skala von 1-10, bei der 1 für „Na ja, muss man nicht unbedingt in der Schule haben" und 10 für „Ekelhafte Nazikacke" steht, Ken Jebsen vielleicht eine zwei. Aber alleine dass es Leute wie Schaub (eindeutig eher eine 12) es überhaupt schaffen, solange unauffällig im Schulbetrieb zu bleiben, zeigt, dass es in Anthroposophenkreisen noch Nachholbedarf in Sachen politischer Bildung gibt.

Zumindest Stefan tanzt auf Twitter seinen Namen.