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Wahllose Wahlversager - Teil 1

Brennende Autos, Schuldenkrise und Touristenhorden. Berlin hat eine Menge Probleme und einige problematische Parteien, die sie lösen wollen.

Am Sonntag wird in Berlin gewählt. Während bei den großen Parteien inhaltlich keine Besserung in Sicht ist, überbrückt die Mehrheit des Volkes die Zeit zwischen den Legislaturperioden mit teilnahmsloser Resignation. Falsch, ganz und gar falsch! Es gibt Menschen in diesem Land, die sollten niemals und ich meine–bei allem Respekt–wirklich niemals, Politik real gestalten dürfen. Doch sie tun es oder versuchen es zumindest. Sie gründen Landesverbände, stellen Kandidaten auf Kommunalebene und schaffen sogar manchmal den ein oder anderen Überraschungserfolg. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, die Vertreter einiger kleiner Parteien anzurufen, die die 5%-Hürde wahrscheinlich nicht schaffen werden. Kaum zu glauben, wie redselig manche Politiker werden können, sobald man ihnen eine Plattform gibt. Den ganzen Quatsch kann man niemanden zumuten und wir wollen eure Zeit nicht mit stundenlangem, gehaltlosen Gerede verschwenden. Also stellen wir allen die gleichen Fragen und lassen die Antworten für sich selbst sprechen.

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Die Konservativen

Am gefährlichsten wird es, wenn Menschen versuchen, mit ihrem äußerst fragwürdigem Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen. Die NPD hat das in einigen Ortschaften bereits geschafft und zählt unumstritten zum Inventar der hiesigen Provinz-Bushaltestellen und Dorfplätze. Mit biederem Auftreten, ihren Kandidaten und vor allem dem Bundesvorsitzenden Dieter Jochim versuchen die Konservativen den kleinen, rechtschaffenen aber höchst unzufriedenen Bürger zu umgarnen.

VICE: Wenn Sie, entgegen unserer Erwartung, gewählt werden, wie bedanken Sie sich bei den Wählern?

Dieter Jochim: Durchs Zeitungsanzeigen und Öffentlichkeitsarbeit, wir werden dann wieder Stände draußen machen, damit haben wir im Vorfeld dieser Wahlen schon Nähe zum Volk gezeigt, das ist unser Dank.

Skizzieren Sie mir doch mal Ihr Wahlprogramm. Wofür stehen Sie?

Förderung der Familie. Leistungsorientierte Schulpolitik. Bewahrung unserer Kultur und Werte. Auflösung der Parallelgesellschaften. Rigoroses Vorgehen gegen Kriminelle.

Das mit der Auflösung der Parallelgesellschaften müssen Sie mir genauer erklären?

Wenn ich jetzt also Neukölln anschaue, wo deutsche Familien und gut verdienende Ausländerfamilien ausziehen und die werden besetzt von schlecht Verdienenden und Ausländern einer bestimmten Gruppe und meistens sind‘s Türken.

Wohin würden Sie die denn umsiedeln?

(lacht) Na, wir haben ja genug freien Wohnraum hier in Berlin. Charlottenburg-Nord oder Spandau beispielsweise. Wir haben ja auch Ränder, die nicht mit Altbauwohnungen bebaut sind. Da sind viele Wohnungen frei.

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Und mit den Kriminellen–wie wollen sie gegen die vorgehen?

Wir haben hier verschiedene Großfamilien aus dem Libanon, genau wie in Bremen. Die machen hier, was sie wollen, die sind alle kriminell, sogar die Mama ist kriminell. Unser Spitzenkandidat ist ja Polizeibeamter, Andreas Corinth (Politikschwerpunkte: Familie, Schule, Sicherheit, Anm. d. Red.), wir kriegen hier sogar die Akten von den Leuten. Also diese Leute, da muss man Nägel mit Köpfen machen, die müssen ausgewiesen werden. Aha.

Die Meinung der Konservativen zu den Berliner Wutbürgerthemen:

Schuldenmisere

Man braucht ja bloß sparen. An erster Stelle würden bei uns abgelehnte Asylbewerber kein Kindergeld mehr bekommen. Sozialhilfe wird’s nur geben, wenn man drei Jahre in das System eingezahlt hat. Wir sparen beim deutschen Volk und lassen einfach die Leute rein. Ich kann die Zigeuner ja verstehen, wenn ich in Rumänien leben würde, würde ich auch nach Berlin ziehen, wo es Sozialhilfe und Kindergeld gibt.

Tourismus

Finde ich phantastisch, sollte ausgebaut werden.

Gentrifizierung

Da kann ich ihnen gar nichts zu sagen.

Brennende Autos

Früher dachten ja alle, es wären nur die Linksextremen, durch unseren Polizeibeamten weiß ich aber, dass es durchaus Trittbrettfahrer gibt.

Die Partei

Die Deutschen sind politikverdrossen und die sogenannten Volksparteien verlieren sich in den immer gleichen Versprechungen, die eh allesamt nach der Wahl vergessen sind. Wieso nicht also gleich zur Lüge, zum Populismus und zum sinnleeren Streben nach Macht stehen. Die Partei ist die richtige Partei dafür.

VICE: Wenn Sie gewählt werden, wie bedanken Sie sich bei den Wählern?

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Dustin Hoffmann: Die Wahlkampfkostenrückerstattung würden wir natürlich umsetzen und eine Sause mit unseren Wählern und Bier veranstalten.

Skizzieren Sie mir kurz Ihr Wahlprogramm?

Wir haben das Projekt „Endlager Prenzlauer Berg“, um der Gentrifizierung Einhalt zu gebieten. Dort laden wir Atommüll ab, auch um der Bevölkerung diese reinigende Energie näher zu bringen. Die Mieten sinken, der Latte Macchiato bleibt länger warm. Den Wiederaufbau der Berliner Mauer als Standortfaktor. Die Leute kommen nach Berlin und fragen immer: Wo ist Hitler, wo ist die Mauer? Wir möchten den Menschen etwas zurückgeben, wir bauen die Mauer wieder auf. Die Mauer wird aber menschlicher, bunt auf beiden Seiten und mit Bananenklappen. Es wird auch Durchgänge geben, allerdings mit den härtesten Türstehern der Stadt.

Wenn Sie den Einzug ins Abgeordnetenhaus schaffen, wie sieht Ihre erste Amtshandlung aus?

Erstmal die Festlichkeit, dann müssen wir uns mit den neuen Gegebenheiten arrangieren. Wir müssen unseren neuen Dienstwagen in Empfang nehmen. Dann setzen wir natürlich unsere Projekte auf den Plan, das haben wir den Leuten versprochen.

Die Meinung der Partei zu den Berliner Wutbürgerthemen:

Schuldenmisere

Wir würden bei den Gehältern der FDP-Abgeordneten anfangen. Bei der Polizei kann man sparen.

Tourismus

Wir verbieten zu aller erst „Pub-Crawls“, weil die unserer Ansicht nach gegen Art. 1 GG. verstoßen. Generell ist es ein großes Problem, wir machen Wahlkampf gegen Touristen, weil die uns im Gegensatz zu Bewohnern nicht wählen können. Kriminelle Touristen raus.

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Gentrifizierung

Prekär vorhanden. Ein Ansatz ist das Endlager, dazu kommt, dass alleine schlafen die Wohnungsnot steigert, deshalb fordern wir mehr Zweisamkeit in Berlin. Das reduziert automatisch die Wohnungsknappheit. Wir haben auch effiziente Hipster-Rückführungsprogramme aus Nord-Neukölln, wir könnten die Leute beispielsweise nach Marzahn umsiedeln, dann lernen die mal andere Teile von Berlin kennen.

Brennende Autos

Hält Leute davon ab, nach Berlin zu ziehen. Autos sollten nicht mehr brennen, aber manchmal denke ich, dass es nicht schlecht ist. Es ist natürlich problematisch, was den CO2-Ausstoß angeht. Wir appellieren da auch an die Automobilhersteller, Materialien zu verwenden, die umweltfreundlicher abbrennen.

FDP

Die FDP ist fertig–kaputt, einfach total am Ende. Eine parteiinterne Demontage dieser Art erlebt man wirklich nicht alle Tage. Die Wähler verschreckt, einen desaströsen Eindruck im Ausland hinterlassen und schließlich ein Kind zum Vize-Kanzler gemacht. Aber was sollen wir weiter auf die FDP prügeln, denn die Zeiten als Spaßpartei sind vorbei und nun scheint es so, als flüchte sich die Partei ebenfalls in Satire.

VICE: Sollten Sie entgegen aller Erwartung am Sonntag einen Erfolg einfahren können, wie bedanken Sie sich bei den Wählern?

Tobias Jacob Berten: Mit guter, engagierter Politik im Parlament.

Wie sieht Ihr Wahlprogramm aus?

Berlin braucht bessere Wirtschafts- und Bildungspolitik, damit es in der Stadt endlich vorangeht.

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Das ist alles?

Nee, das sind Schwerpunkte. Arm war und ist nicht sexy.

Einen Erfolg am Sonntag vorausgesetzt, was würden Sie in Berlin ändern?

Den S-Bahn-Verkehr ausschreiben.

Privatisieren?

Ähh, in den Wettbewerb ausschreiben, genau!

Die Meinung der FDP zu den Berliner Wutbürgerthemen:

Schuldenmisere

Berlin hat ein Ausgabe- und kein Einnahmeproblem. Öffentlichen Beschäftigungssektor abschaffen, das ist ein Sonderprogramm der Linken, das die 2000 Arbeitslosen privilegiert und mit Arbeitsverträgen ausstattet und die anderen 230.000 nicht. 80 Mio. im Jahr–das kann man sofort streichen.

Tourismus

Finden wir wunderbar, wir freuen uns über jeden Touristen, der in die Stadt kommt. Die Anwohner leiden ja nicht, die möchten nur nicht, dass sich was verändert, das teilen wir nicht. Da fühlen sich welche in ihrem Kiez gestört, das ist Veränderungsfeindlichkeit. Veränderung ist Chance, nicht Risiko.

Gentrifizierung

Grundsätzlich ist sie nichts Falsches, sie bedeutet ja eine positive Veränderung von Stadtquartieren und wir wollen, dass weiter privates Kapital in Quartiere fließt, das führt zu einer Verbesserung der sozialen Struktur. Viertel und Kieze profitieren davon auch unglaublich. Die Mietsteigerungen betreffen in erster Linie Neuvermietungen. Kein Mieter, der in einer Wohnung wohnt, muss befürchten, verdrängt zu werden, das geht im deutschen Mietrecht gar nicht.

Die Spannung steigt, die Wahlen rücken näher und hier präsentieren wir euch die Programme der APPD, der Unabhängigen und der Piratenpartei!