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Windows 3.1 existiert noch und hat vor Kurzem einen französischen Flughafen lahmgelegt

Wie sich herausstellte, war der Dinosaurier der Betriebssysteme noch auf vielen Gerätschaften des Pariser Flughafens Orly installiert—ein Umstand, der viele Probleme mit sich bringt.
Pierre Longeray
Paris, FR
Screenshot: PCWorld

Ein Bug, der den Pariser Flughafen Orly vergangenen Samstag zum Erliegen brachte, wurde nun auf das „prähistorische" Betriebssystem des Flughafens zurückgeführt. In einem von der französischen Satirezeitung Le Canard Enchaîné (die auch oft ernsthafte Meldungen wie diese hier bringt) geschriebenen Artikel heißt es, dass der Computerabsturz das System DECOR beeinträchtigt hat und DECOR wird von der Flugsicherung genutzt, um Piloten über eine eventuell schlechte Wetterlage zu informieren.

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DECOR, das beim Start und bei der Landung zum Einsatz kommt, läuft mit Windows 3.1, einem 1992 veröffentlichten Betriebssystem. Das Ganze kann also kaum als hochmoderne Technologie bezeichnet werden. Eines der Highlights von Windows 3.1 war damals Minesweeper—ein rudimentäres Computerspiel, mit dem Anfang der 90er wohl so einige Stunden vor dem PC gekillt wurden.

DECORs Absturz führte dazu, dass die Flugsicherung die Piloten nicht mehr mit sogenannten „Runway Visual Range"-Informationen versorgen konnte—ein Wert, der eigentlich festlegt, wie viel von der Landebahn für den Piloten sichtbar ist. Als sich schließlich Nebel am Boden breitmachte und die Techniker den Ursprung des Bugs nicht ausfindig machen konnten, wurde allen Flugzeugen vorsichtshalber die Starterlaubnis verweigert.

„Die Hilfsmittel, die von Aéroports de Paris (ADP) eingesetzt werden, laufen mit vier verschiedenen Betriebssystemen, die alle zwischen zehn und zwanzig Jahre alt sind", erklärte Alexandre Fiacre, der Generalsekretär von Frankreichs Flugsicherungs-Union UNSA-IESSA. Bei ADP handelt es sich um das Unternehmen, das beide Pariser Flughäfen betreibt—sowohl Orly als auch Charles de Gaulle.

„Auf einigen von ADPs Gerätschaften ist noch UNIX [ein Betriebssystem, das in den 80er Jahren in vielen Universitäten und Start-Up-Unternehmen großen Anklang fand] installiert, auf anderen Windows XP", fuhr Fiacre fort, der außerdem noch als Flugsicherungssystemingenieur tätig ist.

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„Das Problem bei solch alten Betriebssystem ist, dass niemand gerne Wartungsarbeiten durchführt", erklärte Fiacre weiter. „Dazu kommt dann noch, dass so langsam gar keine Techniker mehr vorhanden sind, die sich mit diesen Betriebssystemen auskennen. So gibt es in Paris zum Beispiel nur noch drei Spezialisten, die Probleme des DECOR-Systems lösen können. Einer von ihnen geht nächstes Jahr in den Ruhestand und einen Ersatz haben wir noch nicht gefunden."

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Fiacre verglich die Herausforderungen beim Betrieb von DECOR mit Windows 3.1-Unterstützung mit den Problemen, welche die NASA mit ihrem 1977 gestarteten Voyager-Programm hat. Voyager 1 und Voyager 2, die zwei Raumsonden, die von der NASA eingesetzt werden, um das äußere Sonnensystem zu erforschen, verwenden CPUS von General Electric mit 250 kHZ.

Diese 40 Jahre alten Rechner sind weniger leistungsfähig als heutige Taschenrechner und verwenden veraltete Programmiersprachen wie FORTRAN, was bedeutet, dass die NASA nach der bevorstehenden Pensionierung des letzten Technikers der ursprünglichen Voyager-Mission bald einen neuen Experten für Programmiersprachen der 1970er suchen wird.

Französische Flugsystemtechniker sehen sich bei der Instandhaltung eigenen Herausforderungen gegenüber, die durch den Mangel an Ersatzteilen für die veralteten Maschinen noch größer werden. „Manchmal kramen wir auf eBay nach gewissen Teilen", sagte Fiace. „Jedenfalls wurden diese Maschinen nicht dazu entwickelt, länger als 20 Jahre zu funktionieren."

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Laut Le Canard Enchaîné hat der französische Verkehrsminister versprochen: „Die Ausrüstung wird bis 2017 modernisiert." Doch Fiacre ist sich bei dieser Zeitangabe nicht so sicher. „Meiner Einschätzung nach werden wir frühestens 2019, vielleicht auch erst 2021, modernisieren", sagte er.

Fiacre beschrieb den Absturz an diesem Samstag als „eine Warnung", doch er bemerkte auch, dass der Systemausfall in keiner Weise „Passagiere gefährdet [habe], denn die Fluglotsen führten Vorsichtsmaßnahmen durch, um jegliches Risiko auszuschließen."

ADP hat bisher keine Mitteilung zu den Ereignissen veröffentlicht.

Das Startverbot für Flüge in Paris ist nicht der erste Zwischenfall, der den Mangel an Mitteln an Flughäfen und den Einsatz veralteter Flugsicherheitssysteme verdeutlicht.

Im Dezember 2014 wurden nach einem Systemausfall, für den später 50 Jahre alte Software verantwortlich gemacht wurde, der Luftraum über London 36 Minuten lang gesperrt und etwa 50 Flüge gestrichen.

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Ein Flugtechniker, der am Mittwoch von Le Canard Enchaîné interviewt wurde, wies auf die Möglichkeit hin, dass während des Klimagipfels der Vereinten Nationen vom 30. November bis zum 11. Dezember in Paris ähnliche Probleme auftreten könnten. „Stellen Sie sich vor, während der COP 21 werden die An- und Abreisen der Staatsoberhäupter durch prähistorische Software gestört."