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Drogen

Ich habe LSD, Koks und Valium genommen, um zu sehen, wie sie meine Arbeit beeinflussen

Da ich meine Job hasste, habe ich während der Arbeitszeit mit einer Reihe an Mittelchen herumexperimentiert. Folgendes ist dabei rausgekommen.
Foto: Michael Segalov

Kennst du das Klischee, dass Banker Kokain lieben? Also, dass die großen Bösewichte der modernen Gesellschaft gewaltige Lines des weißen Pulvers von Marmor-Spülkästen ziehen, während sie unsere Zukunft verzocken, die Qualität ihrer Anzüge vergleichen und im Allgemeinen richtig schlimme Menschen sind? Wahrscheinlich schon.

Aber egal wie übertrieben solche Vorstellungen vielleicht anmuten, es steckt definitiv auch ein Fünkchen Wahrheit im Koks-Klischee. "Kokain lässt dich abstumpfen und gleichzeitig superschnell arbeiten", erzählt mir ein Junior-Depotverwalter einer europäischen Top-Bank. "Plötzlich fallen einem all die Dinge ein, die man noch zu erledigen hat. Und dann erledigen sie sich quasi wie von selbst."

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Ich habe über ein Jahr lang in der untersten Stufe der Bankhierarchie gearbeitet, also zwar abseits des Blickfelds der Finanzaufsichtsbehörde, aber trotzdem nicht komplett unbedeutend. Ich war im Callcenter angestellt. Aber selbst dort—im Schatten der fast schon mythischen und mächtigen Verbrechern in den obersten Etagen der Wolkenkratzer—nahmen überraschend viele normale Kundenservice-Idioten wie ich Kokain, um den Arbeitstag zu meistern.

Man muss hier allerdings bedenken, dass wir nicht gerade das Geld verdienten, um uns Koks wirklich leisten zu können. Vielleicht ging es aber auch einfach ums Wunschdenken: Man kleidet sich für den Job, nach dem man strebt, und nimmt die Drogen, die man sich eines Tages locker leisten können will. Vor allem einer unserer Manager schien diesbezüglich ein richtiger Veteran zu sein—ein kleiner, glatzköpfiger Mann, dessen Eindringlichkeit so ausgeprägt war, dass man kaum wusste, wie viel davon jetzt durch das Kokain kam (ich schätze gut 30 Prozent). Außerdem bekam ich auf der Toilette des Öfteren das obligatorische Schlüsselklappern und die eindeutigen Schniefgeräusche zu hören. Einige Mitarbeiter bewiesen jedoch auch etwas mehr Fingerspitzengefühl, indem sie statt Schlüsseln Kreditkarten verwendeten und beim Schnupfen die Toilettenspülung betätigten.

Soweit ich das beurteilen konnte, war bei den meisten meiner Kollegen der fordernde Arbeitsalltag in der Finanzindustrie am Drogenkonsum schuld. Bei mir waren die Gründe allerdings eher Langeweile, mein Hass auf den Job sowie ein Interesse am Experimentieren. Deswegen habe ich es während der Arbeit auch mal mit anderen Substanzen probiert und die Ergebnisse festgehalten. SPOILER: Während der Arbeit Drogen zu nehmen, bedeutet, Drogen zu verschwenden. Abgesehen vom offensichtlichen Gesundheitsrisiko, den Kosten und der Tatsache, dass ein Büroschreibtisch nicht gerade den perfekten Ort zur Erweiterung des Verstands darstellt, ist es auch noch ein ziemlich eindeutiger Kündigungsgrund, wenn man im Job bei etwas Illegalem erwischt wird.

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Modafinil

Zwei Streifen Modafinil | Foto: Hannah Ewens

Modafinil, das gute alte Allzweckmittel vieler Studenten, ist eine vergleichsweise günstige Droge, kann online bestellt werden und lässt einen trotz der Stimulation einen klaren Kopf bewahren—im Gegensatz zu Amphetaminen mit der Nebenwirkung der Nervosität oder Kokain, das einen ununterbrochen Scheiße labern lässt. Viele Menschen preisen die stimmungsfördernden und wahrnehmungssteigernden Eigenschaften von Modafinil an. Außerdem soll es aus irgendeinem Grund auch die Hörfähigkeit verbessern. Die Modafinil-Fangemeinde ist zudem noch ziemlich groß. Wenn du also auf langweilige Gespräche mit Fremden stehst, dann kannst du dich auch schon mal auf die Tausenden Nerds freuen, die mit dir über die Dinge, die man sonst eigentlich googelt, reden wollen—etwa Dosierungen oder Marken.

Manche Leute behaupten, dass Modafinil keine Nebenwirkungen besitzt. Das liegt jedoch wohl eher daran, dass es diesbezüglich noch keine Langzeitstudien gibt. So haben andere Konsumenten und ich schon ein komisches Kältegefühl verspürt. In meinem Fall kam dann auch noch leichte Übelkeit dazu, aber das war wohl eher dem Umstand geschuldet, dass ich nach dem Konsum immer das Essen vergessen habe. Modafinil hat ihn mir jedoch auch den eigenartig starken Drang aufkommen lassen, mich in die Arbeit zu stürzen.

Motherboard: Ist Modafinil die wirksamste Smart Drug der Welt?

Verschreibungspflichtige Amphetamine (Ritalin)

Ritalin ist im Grunde so etwas wie der kleine Bruder von Kokain: Es ist irgendwie sicherer, etwas günstiger und viel diskreter, weil man sich nicht jede halbe Stunde in eine Toilettenkabine zurückziehen muss. Zu den Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Zittrigkeit und die doch etwas unangenehme Wahrnehmung des eigenen Herzschlags. In Bezug auf meine Arbeit war ich dank Ritalin allerdings in der Lage, mich durch eine Menge Anrufe zu ackern und dabei auf jedes noch so kleine Detail zu achten. Diese Intensität und Konzentration hielt an diesem Tag leider auch noch an, als ich mit einer Kundin über die Daueraufträge für deren "undankbare Enkel" redete oder die Spielstatistiken von mir völlig unbekannten, unterklassigen Fußballmannschaften studierte.

LSD

Foto: Troy Farah

Microdosing, also die Einnahmen von kaum wahrnehmbaren Mengen an Psychedelika, ist in der Arbeitswelt kein neuartiges Konzept. So war LSD bereits in den 60er Jahren wohl bei verschiedenen Wissenschaftlern ein Faktor bei einer Reihe von beträchtlichen Errungenschaften. Francis Crick schreibt seine mit einem Nobelpreis ausgezeichnete Arbeit zur DNA-Struktur seiner LSD-Erfahrung zu. Hollywoods Elite setzte die Droge lange Zeit zu Therapiezwecken ein und ein aktueller Durchbruch mit Gehirn-Scans hat die Diskussion um das Potenzial von LSD wieder aufleben lassen. In geringen Dosen hat die Droge einen stimulierenden Effekt, der dem Körper weniger Schaden zufügt als andere Amphetamine. Im Silicon Valley hat man ebenfalls schon erkannt, dass Microdosing das Denkvermögen sowie die Problemlösung fördert.

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So habe ich mich eines Tages dazu entschlossen, vor der Arbeit ein winziges Stück einer Pappe (ungefähr 25 Mikrogramm) zu nehmen, und hoffte, so einen klaren Kopf zu bekommen. Wie durch ein Wunder hing ich genau an diesem Arbeitstag nicht zu lange am Telefon rum, sondern wurde schon recht früh in ein Brainstorm-Meeting eingeladen, bei dem über Möglichkeiten zur Verbesserung des Callcenters diskutiert wurde. Dort brache ich dann sogar einige gute Ideen zur Effizienzsteigerung und Wartezeitreduzierung vor. Den Rest des Tages war ich dann ziemlich gut drauf, konnte mich konzentrieren und arbeitete fleißig.

Und dennoch ist mir bewusst, dass dieses Experiment auch schnell hätte schiefgehen können. Ich meine, Albert Hofmann hat sein Buch nicht umsonst LSD – mein Sorgenkind genannt. Jeder Mensch reagiert auf Psychedelika anders. Und obwohl ich mich bei der niedrigen Dosierung noch zusammenreißen konnte, hatte ich eigentlich viel mehr Lust darauf, mich draußen in die Sonne zu setzen oder irgendetwas anderes zu tun, als in einem Meeting darüber zu diskutieren, wie man die Effizienz eines Callcenters steigert.

Valium

Wenn man als Stellvertreter einer Bank und deren Machenschaften arbeitet, dann kann das einen auch schnell in den Wahnsinn treiben. Beruhigungsmittel sind dabei eine gute Hilfe, die Wut nach Beschimpfungen zu schlucken sowie den Arbeitsalltag auf eine ruhige und gefasste Art und Weise über die Bühne zu bringen. Aber auch hier gibt es Risiken: Valium kann schnell süchtig machen und der Entzug bringt sehr wahrscheinlich einige genau gegenteilige Symptome mit sich—etwa vermehrte Angstzustände oder Reizbarkeit. Während meines Valiumexperiments machte ich aber auch noch andere Erfahrungen: Nach dem Mittagessen war ich immer unglaublich schläfrig und fiel in ein Leistungsloch. Außerdem habe ich auf dem Nachhauseweg ab und an meine Haltestelle verpasst.

Weiterlesen: Der Entzug von Valium ist härter als der von Heroin

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Marihuana

Ich muss zugeben, dass es eine verdammt schlechte Idee war, gut 45 Minuten vor meiner Mittagspause eine Haschöl-Kapsel einzunehmen. Ich wollte jedoch während des Mittagessens meinen Rausch genießen und genau so kam es dann auch: Ich deckte mich mit einem Berg an Süßigkeiten ein, verputzte diesen innerhalb von 60 Minuten komplett und kehrte anschließend an meinen Arbeitsplatz zurück. Als ich mich jedoch wieder in den klimatisierten Räumlichkeiten befand, wurde mir klar, wie unglaublich high ich war. Leider fiel das auch zwei Kollegen auf, die mich beiseite nahmen und mich aufgrund meines Erscheinungsbilds anmeckerten (anscheinend hätte man denken können, dass jemand meine Augäpfel rot tätowiert hatte). Ich war zwar noch in der Lage, meine Arbeit zu machen, aber ich will solche quälenden Angstzustände wirklich nie wieder erleben.

Kokain

Die Konzentration steigt, während die Müdigkeit verschwindet. Das Reden fällt einem leicht und kommt enthusiastisch rüber (leider auf eine nervige Art und Weise). Ich fand es während meines Experiments jedoch unglaublich schwer, bei nervigen Kunden die Fassung zu wahren. Man muss viel zu häufig "auftanken", was bei strengen Zeitvorgaben und beharrlichen Chefs natürlich nicht gerade vorteilhaft ist. Dazu ist der Konsum leicht auszumachen und kostet viel. Die Gesundheitsrisiken sind ebenfalls beträchtlich. Kokain lässt einen wieder mit dem Rauchen anfangen. Und dann ist da noch dieser pochende und unstillbare Wunsch im Hinterkopf, dass man sich jetzt ja eigentlich noch ein Näschen gönnen könnte. Und noch eins. Und noch eins.

Weiterlesen: So unmoralisch ist es, Kokain zu nehmen

Ich kann es nur noch einmal betonen: Während der Arbeit Drogen zu nehmen, bedeutet, Drogen zu verschwenden und die Lebenserwartung deutlich zu verkürzen. Es verlangt unseren Körpern schon genug ab, einfach nur so zu arbeiten.