FYI.

This story is over 5 years old.

Vice Blog

Als ich mein ESTA-Visum verlor und Obama nichts dagegen unternahm

Überhaupt taucht die große Frage auf, warum irgendein in Europa aufgewachsener Perser irgendeine Gefahr für die USA darstellen sollte.

Alle Fotos vom Autor

Ich bin in Wien geboren, meine Eltern sind aus dem Iran, ich habe 5 Jahre als Kind in Teheran gelebt und ich habe eine iranische Staatsbürgerschaft neben meiner österreichischen, weil mir das erlaubt wurde und man seine iranische Staatsbürgerschaft nicht oder nur sehr schwer los wird.

Da meine Eltern aus dem Iran sind, hatte ich immer schon viele Verwandte in den USA. Sehr viele. Gut 75 Prozent meiner Verwandten sind US-Staatsbürger oder haben eine Green Card. Ich konnte mal alle 50 Staaten mit Hauptstädten auswendig, ich kann mich quasi blind im Tyson's Corner (einer der größten Malls) orientieren, ich kann Leuten halbwegs kompetent die Unterschiede zwischen den diversen Einreise- und Aufenthaltsvisen erklären.

Anzeige

Ich feiere ab und an mit Freunden Thanksgiving und Independence Day. Ich kenne mich ziemlich gut bei allen US-Sportligen aus—College inklusive— und ich kenne mich halbwegs gut in amerikanischer Subkultur aus. Kurz, ich mag die USA seit ich klein bin und ich könnte Menschen glaubhaft erzählen, dass ich irgendwo in Virginia aufgewachsen bin und es würde wohl nicht auffallen, dass dem nicht so ist.

Irgendwann vor ein paar Tagen bekam ich eine E-Mail von meinen Freunden aus dem Department of Homeland Security, wonach mein ESTA-Status nicht mehr gültig wäre. Der Grund ist, dass ich bei meinem letzten ESTA-Antrag angegeben hatte, im Besitz eines iranischen Passes zu sein.

Damals habe ich mir gedacht: „Wozu lügen, ich will doch sowieso nur mein Geld in den USA ausgeben und der US-Volkswirtschaft etwas Gutes tun." Nun darf ich deswegen mit meinem österreichischen Pass unter dem Visa-Waiver-Programm nicht mehr in die USA einreisen, obwohl auf meinem Pass nichts den Anschein geben würde, dass ich kein echter Österreicher wäre (also, zumindest rein objektiv—Andreas Mölzer wäre eventuell anderer Meinung).

Es ist übrigens auch nicht so, dass die Einreise davor besonders lustig gewesen wäre, aber damit hatte ich mich bereits ganz gut arrangiert. In 2 von 4 Fällen durfte ich bei der Einreise ein Extra-Interview über mich ergehen lassen, das aber immer darin endete, dass sowohl der Fragensteller als auch ich bald kapiert hatten, wie sinnlos die Sache ist, woraufhin ich jedes Mal einfach weiter durfte.

Anzeige

Mein guter Freund D. war recht erschrocken, als er das mal miterleben durfte. Für mich war es immer eine Liebkosung der besonderen Sorte und die Art der USA, mich wirklich herzlichst willkommen zu heißen. Jetzt darf ein halber US-Patriot wie ich nicht mehr ohne Visum einreisen. Thanks, Obama!

Aber im Ernst: Warum das Gesetz beschlossen und warum der Iran in die Liste aufgenommen wurde, obwohl wir gerade jetzt doch eigentlich wieder Freunde werden, weiß niemand so wirklich. Ich persönlich kenne auch keinen Menschen aus dem Iran, der irgendein Problem mit den USA hätte, sehe aber ein, dass das eine sehr subjektive Einschätzung ist.

Selbst der bärtigste fahnenverbrennende Perser schickt seine Kinder längst ohne mit der Wimper zu zucken auf eine Universität in den USA, wenn sich die Chance ergibt. Den meisten von uns ist der ganze Beef ziemlich egal. Wir interessieren uns eher für Essen und Entertainment. Deswegen fühlen wir uns auch so wohl in L.A., weil es dort eben gutes (persisches) Essen und viel Entertainment gibt. Jetzt sind wir aber alle Kanye.

Überhaupt taucht die große Frage auf, warum irgendein in Europa aufgewachsener Perser irgendeine Gefahr für die USA darstellen sollte. Die meisten von uns sind mit Paketen aus den USA aufgewachsen, voll mit Levi's-Jeans, Hilfiger-Pullis, Reeboks und Nikes und hatten kaum was anderes im Kopf, als andere in der Schule damit zu beeindrucken oder die L.A. Gear mit Lichtern an der Sohle vorzuführen.

Wir hören alle mehr oder weniger Rap, Animal Style bei In-N-Out Burger ist unser Godwin (also: jedes Gespräch endet damit, dass wir mindestens einmal davon erzählen), wir kennen fast jedes Outlet in jeder Vorstadt (Grüße an den Polo Outlet in Carlsbad!) und diejenigen, bei denen dem nicht so ist, wollen erst gar nicht in die USA reisen—was würden sie auch dort wollen?

Wir fliegen in die USA, um Verwandte zu sehen, ein paar Kilo zuzunehmen, weniger Geld am Konto zu haben und Facebook und Instagram mit vollkommen miesen Bildern von Sehenswürdigkeiten, Cousins und Cousinen und Essen zuzuspammen. Das weiß auch eigentlich jeder, der dem Gesetz zugestimmt hat. Wir sind wahre Freunde. Aber irgendwann kann einem auch der beste Freund irgendwie am Sack gehen und man sucht sich neue Freunde. Ich zum Beispiel werde jetzt meine Freundschaft mit Sardinien intensivieren. Darauf trinken wir ein Peroni! Prost!