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Der Mann, der das Kondom der Zukunft erfinden will

Robert Gorkin forscht an einem Kondom, das Gleitmittel und Viagra abgibt und sich buchstäblich „besser als nichts" anfühlt.

Dieser Mann will Sex für einen großen Teil der Menschheit revolutionieren. Foto mit freundlicher Genehmigung von Robert Gorkin

Vor zwei Jahren kündigte Bill Gates ein neues Projekt an: die Bill & Melinda Gates Foundation wollte Forschung finanzieren, um eine neue Generation von Kondomen zu erschaffen. Auch wenn sie günstig und einfach herzustellen sind und man sie weltweit einfach beschaffen kann, bemerkte Gates einen großen Stolperstein auf dem Weg zur regelmäßigen und zuverlässigen Verwendung dieses Wunders der modernen Verhütung: Die meisten Leute finden, dass Kondome sich scheiße anfühlen und einem die Sinneseindrücke rauben, die das Vögeln erst so richtig schön machen. Also dachte sich Gates, vielleicht könnte seine Stiftung ja Forschungsstipendien in Höhe von 100.000 Dollar für die Entwicklung neuer Materialien und Formen anbieten (und bis zu 1 Million Dollar für die Entwicklung erfolgreicher Konzepte) und damit einen Durchbruch in der Kondomtechnologie auslösen, der dazu führt, dass Kondome sich endlich gut anfühlen, mehr Menschen sie weltweit verwenden und sich die globale Gesundheit und Familienplanung bessern.

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Die Welt hat auf Gates' Aufruf laut und deutlich geantwortet. Bisher haben 52 Forschungsprojekte Stipendien von der Stiftung erhalten. Viele dieser Projekte konzentrieren sich darauf, wie Kondome angelegt werden, und auf die psychologischen Hindernisse in der Verwendung und auf innovative Materialien sowie Gleitmittel und Gele, die sie angenehmer machen sollen.

Doch von all den faszinierenden neuen Kondomen, die von Forschern entwickelt werden, ist eines der interessantesten das (bisher theoretische) Hydrogel-Kondom. Eine Gruppe Materialwissenschaftler von der Universität Wollongong in Australien, die zuvor wenig (forschungstechnische) Erfahrung mit Kondomen hatte, bis sie letzten Juni ihr Gates-Stipendium erhielt, möchte mit „Project Geldom" geschützten Sex ermöglichen, der sich mehr nach ungeschütztem Sex anfühlt als je zuvor. Das ultrastarke und hautartige Material Hydrogel wird bereits in der Prothetik eingesetzt, um Gewebe zu simulieren, und wenn es nach den Forschern geht, dann wird es Latex in der Kondomindustrie ersetzen. Die Forscher aus Wollongong sind sogar der Meinung, dass sich ihre Hydrogel-Kondome besser anfühlen könnten als Sex au naturel: Zum Beispiel könnten Gleitmittel und Viagra in das Material eingebaut und automatisch freigegeben werden. Somit würden die Leute Kondome nicht nur akzeptieren, sondern sie auch noch benutzen wollen.

Im Moment beweist das Wollongong-Team noch, dass ihr Material verhütungstechnisch mit Latex mithalten kann, und bereitet biometrische Tests vor, um die genauen Auswirkungen von Hydrogelen auf die Empfindung zu untersuchen. Während wir darauf warten, dass ihre magischen Kondome auf den Markt kommen, haben wir uns mit dem Projektleiter Dr. Robert Gorkin über die Ursprünge der Idee und die Vorstellung, dass man natürlichen Sex noch verbessern kann, unterhalten.

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VICE: Woher kam diese Idee? Ich weiß, dass ihr vor diesem Projekt schon mit Hydrogelen gearbeitet habt, aber wie kamt ihr auf … Kondome?
Robert Gorkin: Nun ja [lacht]. Wir waren an einem Institut, das Materialien für hochmoderne 3D-Implantate und für die Bionik, Prothetik und so weiter erforscht. Wir arbeiteten mit Materialien, die stärker an Gewebe erinnern sollen.

Die Idee kam uns mit dem Aufruf der Bill and Melinda Gates Foundation zur Forschung nach einem neuen Kondom, das das Gefühl nicht beeinträchtigt. Als ich dem Team das Konzept vorstellte, lachten sie mich zunächst aus. Doch dann wurde allen klar, dass unsere Materialien eigentlich große Ähnlichkeiten zu Latex aufweisen, auch wenn wir noch nie zuvor diesen Anwendungsbereich erforscht hatten.

Es war also eine plötzliche Eingebung?
Bill Gates wirbt in diesen Clickbait-Artikeln für Safe Sex … natürlich klicke ich da drauf. Und wenn ich den Link nicht gesehen hätte … ja, es war einfach nur der Gedanke, hey, lasst es uns versuchen.

Wann konntet ihr wirklich behaupten, ein Kondom erfunden zu haben?
Ich sollte das klarstellen: Wir haben noch keine Kondome. Wir sind noch dabei, die Materialien zu untersuchen.

Wir haben Materialien in unserem Arsenal, die viele Eigenschaften mit Latex gemeinsam haben. Wir haben einen Plan erstellt, um sie zu testen. Das hier war unser Vorschlag an die Gates-Stiftung, für den wir auch das Stipendium bekommen haben: Es gibt Hunderte Variationen, die man einsetzen könnte. Wir müssen ganz bestimmte mechanische und biologische Eigenschaften erzeugen. Es muss elastisch und stabil sein und darf offensichtlich nicht reißen, und es muss die Übertragung von Bakterien, Viren und Sperma verhindern.

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Es gibt weltweite Standards für das Testen von Kondomen, und wir haben einfach diese Standards zur Hand genommen, um unsere neuen Materialien zu testen. Wir haben die Auswahl eingeschränkt und dadurch ein paar Formeln gefunden, die wirklich, wirklich funktionieren.

Zu den Hydrogelen, für die ihr euch entschieden habt. Was können sie?
Ich sage Hydrogele und die Leute kriegen glasige Augen. Vielleicht trägst du sogar jetzt in diesem Moment eine Art Hydrogel—du trägst Kontaktlinsen? Das ist einigen unserer Materialien sehr ähnlich.

Normalerweise sind Hydrogele sehr spröde. Diese widerstandsfähigen Hydrogele halten viel mehr aus. Man kann sie dehnen, ziehen—es gibt sogar Videos im Internet, in denen Laster über einige dieser Materialien fahren. Sie haben Eigenschaften, die ein bisschen an nassen Kunststoff erinnern, doch sie verhalten sich viel eher wie echte Haut und fühlen sich auch so an.

Der Vorteil ist, dass Hydrogele seit Jahrzehnten eingesetzt werden, um medizinische Wirkstoffe ans Ziel zu bringen oder Zellwachstum zu unterstützen. Wir überlegen, ob wir ein Gleitmittel erfinden können, das im Kondom selbst steckt und nicht erst außen aufgetragen werden muss wie bei Latex. Was, wenn wir es in das Kondom packen könnten und dieses es freigibt, wenn du es benötigst? Genauso könnte man eventuell Medizin darin verarbeiten. Viagra ist ein gutes Beispiel. Es gibt bereits Kondome, die mit Viagra überzogen sind, doch wir könnten eine gezieltere Freisetzung des Wirkstoffs erreichen. Und da hört es nicht auf, wir könnten auch Dinge einbauen, die gegen Geschlechtskrankheiten schützen—nicht außen auf das Kondom aufgetragen, sondern als eingebauter Bestandteil. Wenn du einen Latexhandschuh anziehst, dann spürst du ihn immer, egal was du tust. Doch wenn man welche aus diesem Material anzieht, dann sind sie kaum spürbar. Es ist ziemlich faszinierend. Und es gäbe nicht das Problem mit Latexallergien. Sie sind komplett durchsichtig, also wäre das vielleicht ein visueller Vorteil. Es gibt viele Vorteile.

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VIDEO: Ob es für den mit „Monster Meat" bestückten Mann wohl auch ein passendes Hydrogel-Kondom gibt? Sieh dir unsere Doku über Penisvergrößerungen an.

Gibt es auch Nachteile? Oder handelt es sich um ein Wundermaterial?
Ich würde es nicht als Wundermaterial bezeichnen. Es ist definitiv sehr neu.

Ich denke, der größte Nachteil ist, dass diese Klasse der Hydrogele erst seit etwa zehn Jahren existiert. Immerhin geht es hier darum, eine Industrie umzuwälzen, die auf Latex basiert, und wir haben die Einschränkung, dass Hydrogele nicht bekannt sind und dass es keine Versorgungskette gibt, die sie so wirtschaftlich macht, wie sie es in Zukunft mal sein könnten. Und im Moment sind wir nicht komplett sicher—auch wenn wir jeden Tag sicherer werden, dass die Materialien geeignet sein können. Nur im Moment können wir nicht ganz sicher sein.

Ich glaube, wenn ihr etwas herstellt, das man nicht einmal spürt und das mitten im Sex Viagra und Gleitmittel liefert, dann werdet ihr schon einen Marktanteil bekommen.
Absolut. Wir forschen auch an der Frage, was ist Gefühl? Die Einschätzung, dass Kondome zu weniger Gefühl führen, kommt nicht allein von dem Material selbst, sondern vom Anlegen-Müssen, von gewissen Anblicken, und so weiter. Also können wir vielleicht auch nicht alle Einwände gegen Kondome mit besserem Material überwinden. Doch wenn wir dafür sorgen können, dass sie sich besser anfühlen, dann haben wir definitiv eine Idee, die für eine Revolution reicht.

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Wenn ihr schon mit einem neuen Material arbeitet, könntet ihr dann nicht auch die Form der Kondome verändern?
Es gab mal ein Kondom zum Aufsprühen. Doch mit dem gab es eine ganze Menge Probleme. Ich denke, beim Aufsprüh-Kondom war das Problem, dass niemand sein Glied in die Box halten wollte, wo man nicht sehen konnte, was vor sich geht.

Wenn man bedenkt, dass es Glory Holes gibt, überrascht es mich, dass sich Männer davon abschrecken lassen.
Nun ja, sie sagen einem, wir werden jetzt dein Glied mit diesem komischen Zeug einsprühen …

Ich weiß nicht, ob wir [die Form] so sehr ändern werden. Aber das Material kann auf viele verschiedene Arten eingesetzt werden. Wir könnten diese Materialien drucken. Es ist sehr flexibel zu verschiedenen Strukturen formbar. Und wer weiß, vielleicht gibt es da draußen jemanden mit einer verrückten Idee, die Kondome komplett revolutioniert. Das Material ließe sich dafür immer noch einsetzen.

Was denkst du über die anderen neuen Kondome, die die Gates Foundation fördert?
Graphen-Kondome haben in der Presse ein wenig Aufmerksamkeit bekommen. Ich bin Gründer eines Graphen-Startups, kenne mich also mit Graphen aus und ich halte das für ein interessantes Konzept.

Ich habe viel Arbeit gesehen, bei der es darum geht, verschiedene Zusatzstoffe einzusetzen, um die Gefühlsechtheit zu verbessern, oder Viagra-Ersatzstoffe und so weiter. Dinge, die die Leute zu mehr Kondomnutzung motivieren würden. Und sogar einige Entwürfe, die den Einsatz vereinfachen würden. Es gibt ein Origami-Kondom, das in einer Sekunde sitzt und Rillen auf der Oberfläche hat.

Als die Stiftung das Stipendium ausrief, gab es etwa 1.700 Bewerber. Alle sind interessiert an neuen Kondomlösungen, da es offensichtlich Nachfrage gibt. Und wenn es Andere gibt, die an neuen Verbindungen oder Entwürfen arbeiten, die neue Empfindungen ermöglichen, dann können wir vielleicht diese Arbeit nutzen, aber dabei ein neues Material einsetzen. Wir können vielleicht ihre Arbeit noch weiter voranbringen, falls unsere Materialien hautartiger und angenehmer sind.

Wie sieht es mit eurem Zeitplan aus? Wann hofft ihr, diese Dinger in den Läden zu sehen?
Wir haben mit mehreren großen Herstellern gesprochen. Es würde etwa drei bis fünf Jahre dauern. Das ist eine sehr grobe Schätzung.

Die Hauptüberlegungen sind natürlich Vorschriften und die richtigen Tests für die verschiedenen Länder, in denen man die Effektivität der Kondome beweisen will. Die Leute brauchen diese Versicherung, dass sie genau wie Latexkondome sicher sind und funktionieren. Jede neue Technologie muss diese Hindernisse überwinden.