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Warum ist das FBI immer noch auf der Jagd nach Black-Panthers-Mitglied Assata Shakur?

Warum steht die Patentante von Tupac, nachdem sie sich 40 Jahre versteckt hat, auf der Most-Wanted-Liste des FBIs?

Foto: New Jersey Department of Corrections | Wikimedia | Fair Use

Die Aktivistin Assata Shakur erregt kein Aufsehen. 40 Jahre nachdem sie zu einer Flüchtigen erklärt wurde, versteckt sich die 67 Jahre alte Afroamerikanerin—die als JoAnne Chesimard geboren wurde—immer noch irgendwo in Kuba. Shakur war ein berühmtes weibliches Mitglied der Bürgerrechtsbewegung Black Panthers und der Black Liberation Army und wurde das Ziel einer landesweiten Fahndung, nachdem sie zur Hauptverdächtigen bei einer Reihe von Banküberfällen und „exekutionsähnlichen“ Morden von New Yorker Polizisten Anfang der 70er-Jahre wurde.

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Shakur wurde schließlich 1973 auf einem Highway in New Jersey verhaftet. Eine normale Verkehrskontrolle durch die State Trooper Werner Foerster und James Harper verwandelte sich in eine Schießerei, bei der zwei von fünf Leuten starben und viele Fragen bezüglich der Schuld offen blieben. Shakur war mit Zayd Shakur (geboren als James Coston) und Sundiata Acoli (geboren als Clark Squire) unterwegs und bekam laut Berichten des Vibe-Magazins, NPR und ihrer eigenen, vor Kurzem erschienenen Autobiografie, bei dem Feuergefecht drei Kugeln ab; einer ihrer Arme blieb dabei gelähmt und konnte fast nicht mehr gerettet werden. Das FBI und die allgemeine Presse (darunter Fox News, New Jerseys Zeitung Star-Ledger und die Associated Press) erzählen die Geschichte etwas anders.

Laut den FBI-Agenten hat Shakur Foerster kaltblütig erschossen und dann versucht zu fliehen. 1977 wurde sie schließlich für den Mord an Foerster verurteilt, verbrachte zwei Jahre hinter Gittern, brach 1979 aus dem Gefängnis aus, lebte fünf Jahre lang im Untergrund und entkam 1984 nach Kuba.

Allerdings schrieb Shakur erst im Mai letzten Jahres Geschichte, als sie als erste Frau auf die FBI-Liste der meistgesuchten Terroristen gesetzt wurde und sich damit neben Leuten wie dem Flugzeugentführer Mohammed Ali Hamadi und dem Saudi-Araber Ibrahim Salih Mohammed al Yacoub einreiht. „JoAnne Chesimard ist eine Inlandsterroristin, die einen Polizeibeamten exekutionsähnlich tötete“, sagte der für die FBI-Abteilung in Newark zuständige Spezialagent Aaron T. Ford in einer Presseerklärung vom Mai 2013 bezüglich der Aufnahme Shakurs in die Liste. „Am heutigen Todestag von Werner Foerster wollen wir die Öffentlichkeit wissen lassen, dass wir nicht ruhen werden, bis die Flüchtige ihre gerechte Strafe erhält.“ Warum wurde Shakur plötzlich wieder zu einer erneuten Bedrohung erklärt, obwohl sie bereits vor Jahrzehnten geflohen war und inzwischen über 60 Jahre alt ist?

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Man muss ein wenig in der Geschichte zurückgehen, um zu verstehen, wie diese zierliche Frau aus Queens eine gleiche Bedrohung für die US-Regierung darstellen kann wie Männer, die mit Hisbollah und al-Qaida in Verbindung gebracht werden. Man muss eine Verbindung herstellen zwischen Rappern wie Common und Chuck D, die sie in ihren Liedern erwähnen, dem breiteren Kontext der Black-Power-Bewegung und den Spannungen zwischen schwarzen Revolutionären und dem Staat. Nur dann kannst du dir eine Meinung über Shakur bilden: Ist sie Freund oder Feind; eine flüchtige Verbrecherin oder eine Heldin für die Kinder des Black-Power- und Bürgerrechtskampfes?

„Während dem Black History Month wird dir in der Grundschule nichts über Assata Shakur erzählt. Sie macht sich nicht gut neben den Bildern von Rosa Parks und Martin Luther King“, sagt der Autor und Blogger Mychal Denzel Smith lachend am Telefon. „Das war einfach Zeug, zu dem man kaum Zugang hatte. Im Teenager-Alter fing ich jedoch an, HipHop zu hören, der nicht zwangsläufig nur im Radio lief. Durch die Reime dieser Typen habe ich dann zum ersten Mal Assatas Namen gehört.“ Da Smith 1986 geboren wurde, gehörte er nicht zur Generation der amerikanischen Ostküste, die Shakurs Gesicht irgendwie durch die Fahndungsposter kannten, die die New York Daily News in der ganzen Stadt aufhängte, als die Frau Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre wegen einer ganzen Reihe von Verbrechen gesucht wurde.

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Stattdessen wurde Smiths Interesse an Shakurs Geschichte durch Rapper geweckt, deren Musik auf dem Label Rawkus Records veröffentlicht wurde—Mos Def, Talib Kweli, Pharoahe Monch und Commons und Cee-Lo Greens Lied „A Song For Assata“. Tupac erwähnte Assata in „Words of Wisdom“ und war gleichzeitig ihr Patenkind und der Stiefsohn ihres Bruders Mutulu Shakur. Tupacs Mutter Afeni Shakur kämpfte neben Assata in der Black Liberation Army. Aber ihre Verbindungen zur Musik gehen noch weiter: Der Dichter und Rapper Saul Williams (der in dem kürzlich aufgeführten und gefloppten, von Tupac inspirierten Musical Holler if Ya Hear Me die Hauptrolle spielte) lässt ihren Namen fallen, wo er nur kann. „Wenn du Tupac verstehen willst, dann musst du die Autobiografie von Assata Shakur lesen“, sagte er in einem Interview mit Drew Millard von Noisey. „Sie ist seine Tante und schau doch, was der Staat New Jersey jetzt mit ihr macht. Sie ist auf der Liste der meistgesuchten Terroristen in Amerika an zweiter Stelle … für etwas, das 1976 nur aufgrund von COINTELPRO passiert ist.“

Lass uns doch kurz über COINTELPRO reden. Von 1956 bis 1971 sammelte das FBI Informationen für sein Anti-Terror-Gegenspionage-Programm, das COINTELPRO getauft wurde. Das Programm warf die Black-Liberation-Bewegung, die Black Panthers und andere schwarze Aktivistengruppierungen in einen Topf mit der kommunistischen Partei der USA, der sozialistischen Arbeiterpartei und dem Ku-Klux-Klan—in den Augen des FBI alles Terroristen. Dabei wurden nicht immer nur gesetzmäßige Mittel angewandt. Das FBI formuliert es selbst so: „Auch wenn das Ausmaß begrenzt war … , so wurde COINTELPRO später zu Recht vom Kongress und den amerikanischen Bürgern für die Beschneidung der Rechte unter dem First Amendment und für andere Dinge kritisiert.“

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COINTELPRO wurde im März 1971 aufgedeckt, als man bei einem Einbruch in eine FBI-Dienststelle hunderte Dokumente fand, in denen Details über die Überwachung von mehreren Gruppierungen durch das FBI und durch die örtliche Polizei aufgelistet wurden. Hier ein Beispiel:

Scans: bereitgestellt durch das FBI

Zusammen haben die Regierung und die örtlichen Gesetzeshüter Black-Power-Aktivisten heimlich überwacht, anonym angerufen und unerbittlich verhaftet (oftmals wegen völlig haltlosen Anschuldigungen). Auch wurden Radiosender und Zeitungen dazu benutzt, die öffentliche Meinung gezielt zu beeinflussen. Solche Taktiken zeigen, was für eine Bedrohung Assata und andere schwarzen Aktivisten zu dieser Zeit für den nationalen Zusammenhalt darstellten—anscheinend war das Ganze ausreichend, um die Durchführung eines Programms wie COINTELPRO zu rechtfertigen, das sich über 23 Städte erstreckte.

Für den Rapper Akala, der auf panafrikanische Art und Weise in London großgezogen wurde, bringt Assata Shakurs Status als schwarze Radikale ihren Platz auf der Most-Wanted-Liste auf den Punkt. „Sie ist eine Bedrohung“, erzählt er mir an einem schwülen Nachmittag im Juli. „Aber sie ist keine solche Bedrohung, wie uns das das FBI und die amerikanische Regierung weismachen wollen. Sie ist in dem Sinne eine Bedrohung, als dass sie entkommen ist. So ziemlich jeder andere schwarze Revolutionär aus ihrer Generation wurde getötet, eingesperrt, zum Schweigen gebracht oder ins Exil verbannt.“ Akala nennt mir eine ganze Liste von Namen, angefangen bei Huey Newton und Malcolm X bis hin zu Geronimo Pratt und natürlich Martin Luther King Jr. Er fährt in einem irgendwie erschöpften, ungeduldigen Ton fort, als ob er diese (für ihn mühselige) Diskussion schon einmal geführt hätte: „Wenn die amerikanische Regierung meint, dass Assata Shakur eine Bedrohung ist, dann meinen sie damit das, was sie darstellt—eine schwarze Frau, die sich auf keinste Art und Weise mit der weißen Vorherrschaft zufrieden gab und nach Kuba entkam, das (ihrer Aussage nach) ‚Maroons‘-Lager des 21. Jahrhunderts.“

Akala spricht einen Punkt an, der von Anna Hartnell, einer Akademikerin für Amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts, wiederholt wird: Shakurs Platz auf der Liste ist sowohl komplett lächerlich als auch total logisch. „Ich finde es rätselhaft und gleichzeitig beunruhigend, dass die US-Regierung das Ganze jetzt aufbringt“, schreibt Hartnell in einer E-Mail. Als wir telefonieren, führt sie den Gedanken weiter aus: „Wenn sie sie wirklich aus dem Grund jagen, den sie anführen, dann macht das keinen Sinn. Sie war eine große Bedrohung und die Regierung der USA bestätigt die Tatsache, dass sich Shakur immer noch in ihrem Zielkreuz befindet.“

Sie sind immer noch an ihr interessiert, weil Shakurs Überzeugungen im Widerspruch zur amerikanischen Geschichte des Fortschritts gehen. Sie lebte in einem anderen Amerika als das über Rassen hinwegsehende Leuchtfeuer der Einzigartigkeit, das heute von den Leuten propagiert wird. Ihrer Meinung nach konnte die Geschichte eines Landes, das auf weißer Vorherrschaft und schwarzer Versklavung aufgebaut wurde, nicht so einfach sein. „Amerika sagt, dass es die großartigste Nation der Erde ist; die großartigste Nation, die je existiert hat. Dazu muss dann auch die Geschichte passen. Also erzählst du so etwas, damit das alles nicht so schlecht aussieht“, sagt Smith und fasst damit die Sichtweise zusammen, die Shakur enthüllen wollte.

Shakur repräsentiert eine Infragestellung dieser perfekt ausgearbeiteten Geschichte. Für das FBI ist diese Stufe des Widerspruchs einfach nicht akzeptabel. Die Tatsache, dass sie die Jahrzehnte überlebt hat, in denen andere Radikale eingesperrt, ermordet und vernichtet wurden, passt nicht in den Plan der Behörde, die Tätigkeiten von schwarzen Aktivisten zu „neutralisieren“ und zu „behindern“. Vielleicht macht es aber gerade deshalb Sinn, dass das FBI immer noch hinter Shakur her ist und sie sich immer noch versteckt.