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Warum wir immer noch an die große Reality-Format-Beziehung glauben

Gürtel auf, Beine hoch, Unterhemd an, Chipstüte aus der Küche geholt—los geht's.

Das Licht geht aus, der Kameramann zündet sich hinter dem Studio heimlich einen Joint an, der Regisseur schaut zufrieden auf sein Blackberry und das wahre Leben beginnt wieder. Gürtel auf, Beine hoch, Unterhemd an, Chipstüte aus der Küche geholt—in etwa so stellt man sich das Ende eines langen Drehtags am Set des TV-Formats Der Bachelor vor. Wo jedes Jahr ein anderer Schönling mit generischem Astralkörper einen Berg aus angeblich heiratswilligen Frauen an den Lippen durch die TV-Kulissen-Manege knutscht, fragt man sich 2016 tatsächlich, warum so ein Format immer noch funktioniert.

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Die Meldung der obligatorischen Trennung der gekrönten und „berosten" Bachelor-Pärchens geistert gerade durch die Promi-Portale und die Lokalpresse: „Offiziell: ‚Bachelor'-Leonard & Leonie sind getrennt!", „Alles nur Show? ‚Bachelor' schon wieder solo", „Deshalb sollen Leonard und Leonie schon wieder getrennt sein" sind nur drei von vielen Headlines.

Man fragt sich, ob die Zuschauer eines solchen Formats etwa Lack gesoffen haben und immer noch glauben, dass die an vielen Stellen angesetzte Inszenierung zur Spannungserhaltung einer Verkupplungs-Show nicht auffällt. Wieso machen solche Meldungen überhaupt noch die Runde? Eine banale Antwort mag sein: Weil Magazine das Format der inszenierten Liebesgeschichte zweier Personen dort weiterführen und der Zuschauer, ob er die Beziehung für authentisch hält oder nicht, über die Sendung hinaus mitgenommen wird.

Der Großteil der Fernsehzuschauer hat durch jahrelanges Reality-Fernsehen gelernt, einen Handlungsstrang eines Reality-Formats als inzeniert zu erkennen und die Authentizität immer häufiger in Frage zu stellen. Dieser Umstand führt allerdings nicht dazu, dass diese Formate—wie von vielen erwartet und gehofft—weniger werden, nein. So setzte zum Beispiel Germany's Next Topmodel laut einer Studie im Jahr 2015 mit der um die Staffel geschalteten Werbung 55 Millionen Euro um.

Die Formate werden raffinierter und setzen darauf, dass der Zuschauer trotz der ihm bewussten Inszenierung einer Handlung zuschaut, weil er sich durch den mit Challenges gespickten Handlungsrahmen und das gleichzeitige Aufregen über schlechte Schauspielerei unterhalten fühlt. Denn wie der verstorbene Roger Willemsen kürzlich noch in einem Gespräch über Marcel Reich-Ranicki sagte, ist das Fernsehen ein „Medium der Unterforderung". Gürtel auf, Beine hoch, Unterhemd an, Chipstüte aus der Küche geholt. Und das ist ja jedem erlaubt.

Noch mehr Mitleid oder Häme als mit dem Bachelor hat man als Zuschauer nur mit den anderen Zuschauern—weil es einfach ist, sich selbst gern für den Schlausten zu halten. Denn was Spaß macht, ist immer noch der alte nivellierende Hass auf das oft betitelte „Präkariatsfernsehen". Als Produzent heißt der Arbeitsauftrag also: Man legt die Niveau-Messlatte so tief wie möglich, so dass sich fast jeder über die Sendung aufregt und behaupten kann, dass sie ja nur Trash-TV wäre.

Dabei ist so eine Sendung ja auch abseits vom Klassenkampf vor den Fernsehgeräten oft einfach nur Guilty Pleasure. Zum Abschalten eben, als Beifutter für die jetzt schon oft erwähnte Chipstüte und das Schokoladen-Souflee aus dem Supermarkt-Regal. Ob man dem Format nun über den Weg traut oder nicht, ist also egal—wenn wir Abschalten wollen, greifen wir eben gern zur Fernbedienung.

Was allerdings immer weiter zu beobachten ist, ist, wie wurzelartig sich solche medial aufgebauten Beziehungskonstrukte auch auf andere Medien wie Promiflash, OK oder Bravo übertragen lassen—die Sendung hört hier nicht auf, sondern geht dann auf dem Papier oder auf einer Website weiter. Und eine schnelle Trennung nach der Show bestätigt auch dem letzten Fernsehzuschauer, dass er ja nur Recht hatte mit dem, was er vor dem Fernseher gerätselt und schon längst vermutet hatte: Alles nur Fake!