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Journalisten nach der Flucht

Eure Fragen an zwei Flüchtlinge aus dem Irak – und ihre Antworten

Und sie haben ehrlich geantwortet.

Screenshot via Facebook

In der letzten Woche haben wir uns auf ein Experiment eingelassen und zwei geflüchteten Journalisten aus dem Irak die Kontrolle über unseren Snapchat- und Instagram-Account gegeben. Sie haben uns gezeigt, wie sie wohnen, wie ihr Alltag aussieht und uns generell erzählt, wie sie die Dinge sehen.

Als Abschluss gab es gestern ein AMA (Ask-Me-Anything) via Facebook-Live mit ihnen, um euch die Möglichkeit zu geben, wirklich alle Fragen zu stellen, die im Laufe dieser Woche noch nicht beantwortet wurden. Für diejenigen, die keine Zeit hatten, es anzusehen: Hier eine Zusammenfassung und der Link zum Video.

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Was vermisst ihr an eurer Heimat?
Mohammed: Ich vermisse meine Freunde und meine Familie.
Mustafa: Ich vermisse vor allem meine Familie. Mit den Gedanken und dem Herzen bin ich immer bei ihnen. Ich verfolge auch ständige die irakischen Nachrichten—vor allem die aus Bagdad, wie sie dort wohnen. Mir fehlt auch das Essen. Ich mag zwar das lokale Essen hier, aber ihr solltet mal arabisches versuchen. Es ist wirklich gut (lacht).

Wenn der Krieg im Irak vorbei ist, kehrt ihr dann wieder nach Hause zurück? Mohammed: Ich würde nicht mehr zurückgehen. Ich bin 23 Jahre alt und habe noch nie Frieden in meinem Land erlebt, bis jetzt war immer Krieg. Natürlich hoffe ich das Beste für den Irak, aber ich erwarte mir nicht viel.
Mustafa: Ich kann Mohammed nur zustimmen.

Glaubt ihr, dass Flüchtlinge etwas gegen den Terrorismus in Europa tun können?
Mohammed: Ich glaube, dafür ist es wichtig, dass wir zusammenhalten, einander die Hände reichen und nicht sagen: "Die Flüchtlinge tun das? Dann lasst sie uns alle aus dem Land schmeißen." Gemeinsam, mit offenen Augen und einem wachen Geist, können wir die Terroristen vertreiben.
Mustafa: Als erstes muss ich sagen, dass es mir wirklich Leid tut für die Länder, in denen es geschieht. Es macht mich traurig. Wenn man irgendwelche Informationen in Bezug auf so etwas hat, sollte man das der Polizei sagen. Auch als Flüchtling. Wir sollten kooperieren, wenn wir auch weiterhin sicher leben wollen.

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Wenn ich eine Gruppe besiege, bleiben noch immer drei bis vier übrig.

Ist Religion eurer Ansicht nach der Grund für Terrorismus? Seid ihr religiös?
Mustafa: Es geht um Macht, Geld und Öl. Wenn man eines dieser Dinge haben will, dann verwendet man dafür am besten Religion. Jeder islamische Führer ist einflussreich und hat viel Geld. Die Menschen folgen ihnen, weil sie nicht lesen und schreiben können, es nicht besser wissen und durch die Religion davon angezogen werden. Ich bin nicht religiös. Ich trinke und mache schlimme Sachen (lacht). Wobei: Eigentlich sind es keine schlimmen Sachen, sie sind nur menschlich. Ich lebe einfach ein normales Leben.
Mohammed: Ich persönlich bin überhaupt nicht religiös, ich bin wohl der schlechteste Gläubige aller Zeiten. Aber ich habe schon mitbekommen, dass die Leute die wirklich, wirklich religiös sind, auch oft verdammt verrückt sind. Sie denken, dass sie gute Muslime sind, wenn sie Menschen töten. Dabei steht im Koran sogar, dass man andere Menschen nicht einmal schlagen darf. Es ist verboten. Ich weiß daher nicht, wie diese Leute darauf kommen, dass sie Personen einer anderen Religion töten sollten. Wenn es das ist, wozu Religion führt, dann scheiße ich auf Religion.

Warum bleibt ihr nicht im Irak und kämpft dort für den Frieden?
Mohammed: Wen will man denn bekämpfen? Wir haben die IS-Miliz, die Regierung, das Militär … Es sind einfach zu viele. Wenn ich eine Gruppe besiege, bleiben noch immer drei bis vier übrig. Es ist nicht nur eine Gruppe, die eine andere bekämpft. Es sind viele, die sich gegenseitig attackieren. Und wir stehen in der Mitte.

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Wir sind alle Menschen, darum sollten wir uns gegenseitig respektieren.

Gibt es im Flüchtlingscamp Konflikte zwischen den ethnischen Gruppen? Mustafa: Es war eine komische Situation am Anfang, vor allem in den ersten Wochen. Es gab Probleme, weil wir uns alle nicht kannten. Aber wir haben sie gelöst und jetzt ist alles cool. Unser Camp ist perfekt.
Mohammed: Am Anfang hat es schon kleine Schwierigkeiten gegeben. Wir haben uns zu Beginn nicht so gemocht, aber nach ein paar Monaten haben wir uns aneinander gewöhnt. Jetzt habe ich dort zum Beispiel wirklich viele Freunde aus Afghanistan gefunden. Ich habe keine Ahnung was sie sagen, weil ich ihre Sprache nicht spreche und sie meine nicht. Aber wir spielen zusammen Fußball, machen viel zusammen … Ich liebe sie sehr. Es ist egal geworden, wer woher kommt, oder welche Sprache er spricht. Wir sind alle Menschen und darum sollten wir uns gegenseitig respektieren.

Warum braucht ihr ein Smartphone?
Mustafa: Wir leben auf die gleiche Weise wie ihr. Wir gehen zur Arbeit, werden gut bezahlt, heiraten … alles ist an sich cool. Die Dinge, die ihr hier macht, könnten wir theoretisch zuhause auch tun. Nur, dass wir dabei sofort sterben könnten.
Mohammed: Natürlich haben wir Smartphones. Geld ist zu Hause auch nicht das Problem—das Problem ist, dass es daheim nicht friedlich ist. Ich hätte genug Geld, um schön auszugehen, aber ich kann nicht nach draußen, weil ich dort getötet werde. Natürlich werde ich mich gut anziehen und mir ein Handy kaufen. Warum auch nicht? Das ist normal. Aber ich kann im Irak nicht friedlich leben. Kleidung und Statussymbole haben keinen Wert, ich würde sie sofort hergeben, wenn ich dafür in Frieden leben könnte. Das ist es, was mir hier ermöglicht wird und so ist es perfekt.

Ich bin unglaublich dankbar für das hohe Maß an Hilfe, das mir die Österreicher entgegengebracht haben.

Wie sieht es mit den Rechten der Frau im Irak aus? Gibt es große Unterschiede zu Österreich?
Mohammed: Die Frauen bei uns sind lange nicht so frei wie hier bei euch. Ich finde es super, dass Frauen bei euch das gleiche Leben haben wie Männer. Warum auch nicht? Wir sind alle gleich. Es gibt natürlich auch viele Unterschiede in Bezug auf das Aussehen (lacht). Bei uns sehen Frauen natürlich auch gut aus, und vielleicht kommt es mir auch nur so vor, aber ich habe das Gefühl, dass die Frauen hier alle wunderschön sind (lacht). Sie sind schön und frei. Das ist das Beste.

Was war euer erster Eindruck von Österreich?
Mustafa: Als erstes sind mir die Willkommens-Schilder aufgefallen. Das hat mir das Gefühl gegeben, zuhause zu sein. Ich hatte Angst, dass die Menschen sich vor mir fürchten, weil ich Araber bin. Aber als ich direkt gesehen habe, wie sie auf uns reagierten, war die Angst weg. Das war unglaublich.
Mohammed: Mein erster Eindruck waren viele Menschen, die mich nicht kannten und mir trotzdem Essen und einen Platz zum Schlafen gegeben haben. Das war toll. Ich bin unglaublich dankbar für das hohe Maß an Hilfe, das mir die Österreicher entgegengebracht haben. Das war super cool. Danke dafür!

Was ist euer größter Wunsch?
Mustafa: Ich würde mir wünschen, dass alle Menschen in Frieden miteinander leben könnten. Das ist alles was ich will.
Mohammed: Ich würde mir auch wünschen, dass es keinen Krieg mehr gibt, keine Explosionen, keine Schläge, keine Entführungen … Ich möchte, dass sich alle lieben. Liebt die Menschen, die Natur, das Leben!