Selbstversuch im Park: Ich habe Kakao getrunken, um high zu werden

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Selbstversuch im Park: Ich habe Kakao getrunken, um high zu werden

Meine Trip-Gruppe hat im hohen Gras getanzt, Handstände gemacht und ist ekstatisch und blutend in einem Baum herumgeklettert.

Vor Kurzem machte die Meldung die Runde, dass Schokolade die neuste Modedroge in angesagten Clubs sein soll. Da ich für Clubs nicht cool und verrückt genug bin, habe ich mich dazu entschieden, den Trend anderweitig anzugehen. Ich werde an einem spirituellen Ritual in einem idyllischem Park teilnehmen, bei dem auch unbehandelter, aus Guatemala importierter Kakao getrunken werden soll. Dieser Kakao soll einen high machen, unterdrückte Traumata heilen und es ermöglichen, mit Maya-Gottheiten zu kommunizieren. Weinen kann ebenfalls ein Teil davon sein, hat man mir gesagt. Klingt soweit alles sehr vielversprechend, aber in erster Linie hoffe ich einfach auf einen lustigen Trip.

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Um bei dem Ritual dabei sein zu dürfen, habe ich einer Gruppe namens The Heart Space umgerechnet 20 Euro überwiesen. Als ich am Eingang des Parks ankomme, ist es schon später Nachmittag, die Sonne scheint aber noch.

Nach und nach treffen die Kakaonauten ein. Die Teilnehmer scheinen sich nicht wirklich zu kennen, umarmen sich aber trotzdem. Wir folgen unserem spirituellen Guru, Ida, zu einer Lichtung im Park. Dort wartet Idas Kollegin Christina bereits auf uns. Der süße Geruch von Kakao liegt in der Luft. Decken und Kissen für 15 Menschen liegen verteilt in einem Kreis herum. In der Mitte befindet sich eine Decke. Auf dieser Decke sind Kristalle, Jade-Eier und Blumen in der Form eines Kreuzes angeordnet. Ein Bluetooth-Lautsprecher ist auch da. Bunte Flaggen flattern in den umliegenden Büschen.

Ich setzte mich neben einen Typen, mit dem ich mich schon auf dem Weg hierhin unterhalten habe. Er erzählt mir davon, dass er Kakao bereits einmal probiert hat—in einem Hallenbad mit Trommelkreisen. Ich denke mir, dass es mir bei meiner ersten Zeremonie bestimmt hilft, wenn ich neben jemandem mit Erfahrung sitze. Und er sieht definitiv aus wie jemand, der sich auskennt: Er hat einen Bart, lange, zurückgegelte Haare, einen verträumten Blick und diese Zehen-Schuhe.

Wir dürfen den Kakao nicht trinken, bevor nicht jeder eine Tasse hat. Während Ida und Christina uns einschenken, gibt es eine kleine Geschichtsstunde in Sachen Kakao. Sie erklären, dass die Bohnen bei den alten Azteken und Maya als heilig galten. Sie sollten die Fähigkeit besitzen, die körperliche Welt mit der spirituellen zu verbinden. Kakao galt als "Lebensblut" oder "Nahrung der Götter" und man hat ihn für so ziemlich alles verwendet—von Soldatensegnung über Geburtsrituale bis hin zu Hochzeiten.

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Europäer freundeten sich erst mit der bitteren Bohne an, nachdem der Niederländer Coenraad Johannes van Houten eine Methode entwickelt hatte, die Bohne in ein Pulver zu veredeln, das man einfach mit Milch und Wasser mischen kann—und natürlich auch Zucker.

Der Kakao ist dick und schwer—er schmeckt in etwa so nach Milka, wie sich Klettverschlüsse nach Hundewelpen anfühlen.

Während wir unseren Kakao trinken, erfahren wir, dass der Veredelungsprozess daran schuld ist, dass sich die ganzen aktiven Bestandteile nicht mehr in dem Getränk befinden. Bei unserem Gebräu ist das natürlich nicht der Fall. Es gibt drei Hauptsorten: den edlen Criollo, den gewöhnlichen Forastero und den Trinitario, der eine Kreuzung der anderen beiden Sorten darstellt. Forastero und Trinitario sind die beiden Sorten, anhand derer Schokolade und Kakao für die Massen hergestellt werden, aber Criollo ist die Bohne, die man für so ein Ritual haben möchte.

Der Kakao ist dick und schwer—er schmeckt in etwa so nach Milka, wie sich Klettverschlüsse nach Hundewelpen anfühlen. Ich kann die einzelnen Kakaofasern mit meiner Zunge fühlen und das Gebräu klebt mir zwischen den Zähnen. Ida und Christina haben 42 Gramm Kakao (die Maximaldosis pro Tasse) mit Pfefferminztee aufgekocht und mit Cayennepfeffer gemischt, um die Absorption in den Blutkreislauf zu beschleunigen. Ein Prise Zimt und Salz sind auch noch drin, um den Geschmack etwas angenehmer zu machen. Natürlich gibt es keinen Zucker, aber Agavendicksaft und Biohonig stehen bereit, um sich die Mixtur zu versüßen. "Natürlich alles Fairtrade", sagt Christina. Alle lachen. Ich weiß nicht, warum. Ich trinke das bittere Zeug, so schnell ich nur kann.

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Während ich trinke, tut sich in meinem Körper etwas. Ich spüre ein warmes Kribbeln, das sich durch meinen Brustkorb ausbreitet. In meinem Kopf summt und brummt es und ich habe das Gefühl, dass sich mein Blick unweigerlich nach oben richtet. Ida und Christina singen und pfeifen vor sich hin, während sie in unserer vierstündigen Sitzung abwechselnd auf einer Menge unterschiedlicher Instrumente spielen. Es gibt gigantische Trommeln, verzierte Becken und tibetanische Klangschalen. Es gibt Federn und es gibt Räucherstäbchen. Eine unglaubliche Menge an Räucherstäbchen. Ich kann Räucherstäbchen nicht ausstehen. Von Räucherstäbchen wird mir schlecht und unwohl. Leider weht in unserer Lichtung kaum Wind und dementsprechend treibt eine milde Brise unablässig Räucherstäbchen-Aroma in meine Richtung. Jedes Mal, wenn ein Räucherstäbchen abbrennt, zünden Ida und Christina sofort das nächste an. Es gibt kein Entkommen.

Die Menschen um mich herum geraten langsam in einen Trance-Zustand. Ich selbst weiß noch nicht so wirklich, was der Kakao mit meinem Körper anstellt. Aber ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Vor meinem Ausflug in den Park habe ich mit der Ernährungswissenschaftlerin Randi Tobberub gesprochen. Sie erklärte mir, dass Kakao Substanzen enthalte, die im zerebralen Cortex eine Dopamin- und Serotoninexplosion auslösen. Gleichzeitig verlangsamt sich der Herzschlag und die Blutgefäße weiten sich. Sie versicherte mir auch, dass der hohe Magnesiumgehalt gut für mein Herz sei und Kakao entzündungshemmend wirke. Insgesamt gibt es aber noch nicht genügend wissenschaftliche Untersuchungen in diesem Bereich.

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Je weiter das Ritual voranschreitet, desto mehr fühle ich mich wie der einzige in diesem Kreis, der nicht weiß, was er tut. Manche Menschen machen einen Handstand, andere gehen durch die Gegend und schütteln dabei ihre Beine. Eine Frau mit einem DIY-Haarschnitt wälzt sich in einem Haufen weicher Decken hin und her und stöhnt dabei leicht. Sie steht auf und springt durch das hohe Gras. Dabei wickelt sie sich einen bunten Schal um ihren Kopf und tanzt in den Sonnenstrahlen, die durch die Blätter der Bäume scheinen. Als ich von einer Pinkelpause im Unterholz zurückkomme, sehe ich meinen Freund barfuß auf einem Baum sitzen, wo er laut ein- und ausatmet. Sein großer Zeh blutet. Als er runterspringt, knacken die Zweige.

Was mich angeht, sitze ich entweder im Schneidersitz auf einem der Kissen oder liege unter einer Decke. Lasst mich, mir ist kalt und die Decke ist so bequem. Ich fühle mich wie in einem Trance-Zustand—einem Zustand, der mich diese ganze Szenerie von außen betrachten lässt. In der Theorie soll dieses Ritual dazu führen, dass Mutter Kakao alle Zellen meines Körpers zum Lächeln bringt. Aber irgendwie schafft sie das nicht. Mein Gesicht ist wie festgefroren. Aus irgendeinem Grund ist das der gleiche Gesichtsausdruck, den ich auch als Kind hatte, als meine Eltern mich darum baten, die größten Steine vom Feld einzusammeln, damit unser Pflug nicht kaputtgeht.

Für die vorbeikommenden Jogger und Hundehalter sieht das hier sicherlich wie eine Freakshow aus. Leider teile ich diese Meinung. Vor dem Ritual hatten wir alle die Möglichkeit, unser Herz darüber auszuschütten, warum wir an dieser Zeremonie teilnehmen. Eine Frau weinte, als sie uns von einer besonders schlimmen Trennung erzählte. Ein Mann hatte gerade seinen geliebten Großvater verloren, ein anderer erzählte von der schlimmen Einsamkeit, zu der er nach seinem letzten Kakaotrip zum Glück etwas Abstand gefunden hatte.

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Ich werde niemals frei und unbekümmert genug sein, um im hohen Gras zu tanzen, einen Handstand zu machen oder ekstatisch auf einen Baum zu klettern, während ich blute.

Vier Stunden und viel Rumgetolle später scheint sich jeder wirklich besser zu fühlen. Der ehemals einsame Typ ist der letzte, der aus seiner Trance aufwacht. Mit zitternden Beinen seufzt er und bedankt sich lächelnd.

Es ist eine schmerzhafte Erkenntnis: Ich werde niemals frei und unbekümmert genug sein, um im hohen Gras zu tanzen, einen Handstand zu machen oder ekstatisch auf einen Baum zu klettern, während ich blute. Ich werde niemals den Singsang von buddhistischen Mönchen genießen, der aus Bluetooth-Lautsprechern tönt. Mit wird es niemals gefallen, wenn ein Kollege aus dem Sitzkreis seine dreckigen Füße in mein Gesicht presst. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass ich mich Mutter Erde, Mutter Kakao, der Zeit oder meinen Sitzkreis-Kumpanen jemals auf irgendeinem höheren Astrallevel verbunden fühlen werde. Für mich ist es grundlegend widersprüchlich, Maya-Rituale in einem öffentlichen Park zu imitieren, indem man auf singt und Instrumenten spielt. Nein, ich denke über diese Dinge immer noch genau so wie vorher auch. OK, früher hätte ich mich über eine solche Szenerie wohl noch gnadenlos lustig gemacht, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ein sarkastischer Kommentar dazu verschwendete Energie wäre. Es ist ja auch immerhin mein Pech, dass ich das Ganze weder fühle noch verstehe.

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Es ist aber auch nicht zwangsläufig schlecht, dass ich nicht über meinen Schatten springen kann: Die Hippies in meinem Kreis haben ja alle persönliche Kämpfe auszutragen. Christina und Ida behaupten zwar, dass sie der Natur näher kommen wollen, aber keiner der Ritual-Teilnehmer ist wirklich hier, um die Verbindung zu dem Gras zu stärken, auf dem wir sitzen. Nein, wir sind alle hier, weil uns in unserem Leben etwas fehlt. Bei mir ist das die Fähigkeit, so glücklich zu sein wie meine Kakao-Kumpel.

Nach der Séance verkünden Ida und Christina, dass unsere Zeremonie so großartig und ertragreich war wie noch keine andere Zeremonie zuvor. Wir teilen uns noch ein paar Snacks—Oreo-Kekse, Vollkorn-Chips und Lakritz-Backpflaumen—, aber als sich mir die erstbeste Möglichkeit bietet, verlasse ich den Kreis und den Park. Draußen sehe ich dann, wie ein älteres Pärchen aus einem angrenzenden Biergarten stolpert und wie eine Blondine auf einer pinken Vespa an einem vollbärtigen Fahrradfahrer in neongrüner Montur vorbeizischt. Willkommen zurück in der echten Welt.

Am Tag nach meinem Trip fühle ich mich zwar tatsächlich wohler in meiner Haut, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das dem Kakao zu verdanken habe oder der Tatsache, dass ich vier Stunden lang einfach nur dasaß und über alles mögliche nachdachte. In meiner Brust verspüre ich immer noch eine gewisse Enge—und da sind definitiv die Räucherstäbchen dran schuld. Ach ja, sechs Mückenstiche habe ich auch noch vorzuweisen.