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Popkultur

Das Beste, das beim 'Kino wie noch nie' den Augarten zum Flimmern bringen wird

UFOs vor Schönbrunn, Puppen beim Sex, Hippie-Gleichnisse im Irrenhaus und viel Body Horror: Wir haben Tickets.
Foto aus 'Performance', von Kino wie noch nie

Foto (c) Kino wie noch nie

Wir lieben den Augarten ja heiß. Nicht umsonst hatten wir neben unserer Ode an diesen Park auch schon eine Fotostrecke aus dem Inneren von einem seiner Flaktürme. Aber im Sommer beheimatet dieser Ort etwas noch viel Besseres—nämlich die Open Air-Filmschiene vom Kino wie noch nie.

Das Ganze startet ab sofort und das Programm ist dieses Jahr mehr als exzellent ausgefallen. Wir wollen die heurigen Highlights unserer Redaktion natürlich niemandem vorenthalten und präsentieren euch im Rahmen von VICE AT THE MOVIES gleich die schönsten Schmankerl inklusive Gratis-Tickets für euch.

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Kurzer Prozess

Foto: Pokorny

Für einen Film, in dem Helmut Qualtinger als Kommissar mit seinem versoffenen Hausgast anhand von Spirituosenflaschen die Zusammenhänge von Verdächtigen eines Kriminalfalls ermittelt, muss man nicht viel Werbung machen. Stilistisch ähnlich wie die (aber lange vor den) Brenner-Filme haben wir hier den Prototyp des überforderten Anti-Detektivs in Reinform.

Qualtinger bringt mit seinem Würstelstand-Charme sogar Damen zum Schwitzen und spätestens wenn er im Vorbeigehen bei der Bar ein "dienstliches" Vierterl Sliwowitz bestellt, hat jeder Skeptiker sein Herz an ihn verloren. Einer der besten Österreicher mit dem schönsten, traurigsten Hundeblick. Und einer der schönsten Filme mit den zitierbarsten Dialogen der Prä-Meme-Ära.

Kurzer Prozess: Sonntag, 3. 7., 21:30 Uhr

ExistenZ

Lange, bevor Second Life schon wieder alt war und Virtual Reality zu einem Gimmick für Arcade-Spiele in Kartonbrillen wurde, gab es mit ExistenZ bereits den definitiven Film zum Themenfeld der Zweitwelt-Avatar-Simulacrum-Bald-kommt-Matrix-raus-und-alle-werden-sich-fragen-was-eigentlich-echt-ist-Debatte.

Im Gegensatz zum eher totalitären und binären Matrix (echt vs. fake, gut vs. böse)bringt ExistenZ die ganze fleischige Feingeschliffenheit eines frühen Cronenberg-Films in das Thema ein, wenn die Computerspiel-Designerin Allegra Geller nicht für totale Freiheit eintritt, sondern stattdessen "genau so viel Freiheit, dass es spannend bleibt" fordert. Uncharted und Co. grüßen.

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Außerdem habe ich dank ExistenZ gelernt, dass die Zukunft aus gebärmutterartigen Handys und Knochenwaffen besteht und sich die Game-Dock-Öffnungen in unseren Rücken später einmal genauso wenig entzünden werden wie heute unsere Münder. Der Film hat einen frühen Willem Dafoe, viel Existenzialismus(kritik) und ein paar so grundlegende Fragen, dass Matrix im Vergleich wie der furchtbare Dreiteiler aussieht, der es nun mal ist. Zum Beispiel: Ja, es ist Body Horror, aber wessen?

ExistenZ: Dienstag, 5. 7., 21:30 Uhr

1. April 2000

Fotos via Hoanzl, Edition Der österreichische Film

Im Jahr 1952 beschloss die österreichische Regierung, ein bisschen Propaganda für die Unabhängigkeit zu machen, indem sie UFOs vor Schönbrunn landen ließ und eine gigantische Theater-Show mit viel „Küss die Hand"-Charme für unsere Kritiker veranstaltete. Weil wir aber immer noch von Österreich reden, passierte das Ganze natürlich nicht echt, sondern in schön überschaubarer Film-Form.

Das Ergebnis heißt 1. April 2000 und sollte als filmische Studie über die österreichische Mentalität auf jedem Oberstufen-Lehrplan im Fach Psychologie stehen. Hier kurz die Zusammenfassung für alle, die dieses B-Movie-Meisterwerk nicht gesehen haben: Im Jahr 2000 steht Österreich immer noch unter Aufsicht der vier Besatzungsmächte. Weil bereits mehrere Verhandlungen mit den Alliierten gescheitert sind, beschließt der neu gewählte Ministerpräsident auf eigene Faust, die Unabhängigkeit zu erklären. Das lässt bei der Weltregierung natürlich die Alarmglocken läuten und die Weltpräsidentin fliegt persönlich vorbei, um sich von diesem "Bruch des Weltfriedens" zu überzeugen.

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Was darauf folgt, ist das Nächstbeste zu einer Gehirnwäsche der Gemütlichkeit, das man unter dem Etikett "Sci-fi-Satire" und mit Nebenrollen von Hans Moser und Helmut Qualtinger in Spielfilmlänge packen kann. Das offizielle Österreich tut, was es am besten kann: Es spielt seinen Kritikern etwas vor. Viel Fremdscham, aber noch mehr Spaß.

1. April 2000: Mittwoch, 13.7., 21:30 Uhr

Performance

Nicolas Roeg ist Gott. Nicht nur, weil er in seinen Filmen wie ein omnipräsentes Wesen überall zu sein und alles zu durchdringen scheint, sondern auch ganz einfach, weil er wie ein Gott Filme macht.

Don't Look Now (auf Deutsch bekannt unter dem viel schwülstigeren, pseudoliterarischen Titel Wenn die Gondeln Trauer tragen) ist ein Lehrbeispiel für alles von Spannungsaufbau über Psychologie im Film bis zu Parallelmontage von Vergangenheit und Zukunft. Und in The Man Who Fell to Earth tut nicht nur David Bowie genau das, sondern Roeg schafft damit auch das poetischste Alien-Porträt in der poetischsten aller Filmlandschaften.

Beide Filme sieht man in Performance—den Roeg nicht alleine, sondern mit Donald Cammel gedreht hat—ein bisschen vorweggenommen. Zumindest stilistisch, aber auch philosophisch. Mehr muss man nicht wissen, außer vielleicht, dass es eher assoziativ und lynchesk als logisch und stringent zugeht—und das Star-Gesicht in diesem Fall nicht Bowie, sondern dessen Freund Mick Jagger gehört.

Performance: Sonntag, 17. 7., 21:30 Uhr

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Anomalisa

Trigger-Warnung: Nach diesen Film fühlt man sich so allein und egozentrisch wie noch nie. Klar, es sind "nur" Puppen aus Kunststoff, die uns eine im Prinzip langweilige Hotel-Affäre vorspielen, aber selten hat man so eine psychologisierte, extrem vermenschlichte Reise in die Tiefen von Depression und Einsamkeit gemacht wie hier, wo man durch den hohen Abstraktionsgrad auf das Wesentliche durchblicken kann.

Die Geschichte: Michael leidet an einer seltenen Krankheit, durch die er in jedem Menschen die gleiche Person zu sehen glaubt. Die Leute sprechen auch alle mit der exakt gleichen Stimme und sind für ihn nicht voneinander zu unterscheiden. In echt nennt sich das Ganze Fregoli-Syndrom, worauf der Film übrigens mit dem Namen des Hotels anspielt, in dem sich die Handlung zuträgt (es heißt Fregoli). Die einzige Person, die sich vom Rest abhebt, ist die anomale Lisa.

Charlie Kaufman hat es mit diesem Skript—ursprünglich ein verworfenes Theaterstück—wieder einmal geschafft, die ganze Welt außerhalb seines Kopfes geschmacklos und fad zu färben. Und zwar im besten Sinne. Außerdem gibt es mit Sicherheit keine realistischer anmutende Sexszene, als die in diesem Stop-Motion-Film mit nur Zentimeter großen Figuren (kein Penislängenwitz).

Anomalisa: Sonntag, 21. 7., 21:30 Uhr

One Flew Over the Cuckoo's Nest

Ist Jack Nicholsons Figur wirklich irre oder nur ein arbeitsfauler, Hafenhauberl tragender Proll mit Aggressionsproblemen? Und gibt es in unserer Gesellschaft überhaupt einen wesentlichen Unterschied? Die Definition von psychischer Gesundheit und die Behandlungsmethoden steinzeitlicher Medizinbarbarei in diesem Gebiet zeigen die 70er hier nicht von ihrer besten Seite. Dafür macht das ganze Kartenspielen um Zigaretten richtig Lust wieder zu rauchen.

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Wenn ihr den Film nicht kennt, dann zumindest die Referenzen darauf in The Simpsons oder den zig anderen TV-Sendungen, die sich mit postmodernen Anspielungen an der Figur des riesigen stummen amerikanischen Ureinwohner abgearbeitet haben, der in diesem Film Badezimmer-Armaturen aus der Wand ausreißt. Vielleicht habt ihr die Referenzen bisher aber nicht unbedingt verstanden, was in jeder Hinsicht schade wäre.

Hier noch ein bisschen Fun-Fact-Unterbau: Das Ganze ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ken Kesey, der mit seiner Truppe The Merry Pranksters auch in echt einen ähnlichen Ausflug wie die "Irren" in Cuckoo's Nest gemacht hat. Tatsächlich ist der Inhalt sogar ein Gleichnis auf die Unterdrückung seiner hippiesken Bewegung durch die reaktionäre Mehrheitsgesellschaft. Die Wahnsinnigen im Film sind also die Hippies der echten Welt. Ah ja und: Vorsicht, man hoppst nicht unbedingt glücklich aus dem Film.

One Flew Over the Cuckoo's Nest: Mittwoch, 24. 7., 21:30 Uhr

Boogie Nights

Paul Thomas Anderson hat uns die wunderbarsten Einblicke in die Pornoindustrie Kaliforniens Ende der 70er beschert, die man sich nur wünschen kann—egal, ob man sich nun drogensüchtige, phallisch enorm ausgestattete Boys ansehen will oder selbst zu ihnen gehört. Der Film wirkt irgendwie klebrig, erschütternd in seinen Pastelltönen und riecht stark nach zu starkem Aftershave.

Dirk Digglers Aufstieg und Fall ist extrem lustig, einigermaßen gestört und in Kombination mit Burt Reynolds' allerbester Rolle aller fucking Zeiten purer Genuss in engen Schlaghosen. Nicht zu vergessen: Heather Grahams "Rollergirl" ist auch heute noch so ziemlich der Zenit männlicher Sexfantasien und wird viele bis in ihr erigiertes Grab verfolgen.

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Boogie Nights: Dienstag, 26. 7., 21:30 Uhr

The Hateful Eight

Wer das Glück hatte, The Hateful Eight in der Roadshow-Version im Kino zu sehen, wird verstehen, dass man diesen Film nur sehr schwer in irgendeiner anderen Form, Größe oder Darbietungsart empfehlen kann. Nicht nur, weil die Leinwand groß, das Zelluloid 70mm breit und die Pause mit Piano-Musik ausgekleidet war, sondern auch, weil es wie im Theater ein Programmheft zum Mitnehmen gab und Quentin Tarantino weit über die Grenzen der Leinwand hinaus ein 50er-Jahre-Flair re-implementiert hat, das fast schon historische Relevanz hat.

Allerdings ist die Roadshow vorbei und wir wollen den Film nicht nie wieder sehen dürfen, weshalb wir einfach jedem und jeder befehlen, an diesem Sonntag in den Augarten zu pilgern und das intime Kammerspiel mit der Cluedo-Handlung mit uns gemeinsam zu schauen.

Ob The Hateful Eight Tarantinos feingeistigster, spannendster oder actionreichster—und wenn wir schon dabei sind, auch sein gendertechnisch differenziertester—Streifen geworden ist, darf man ein bisschen hinterfragen. Was wir hiermit auch tun; und die Antwort ist ziemlich sicher nein. Aber was er genauso wenig ist, ist austauschbar oder überflüssig. Oder wie oft habt ihr ein Wildwest-Detektiv-Kammerspiel in ultra breit gesehen (und ich meine das Bild, nicht euch)?

The Hateful Eight: Sonntag, 7. 8., 21:30 Uhr

Spotlight

Gleich vorweg, ihr habt saumäßig Glück. Diesen Film muss man nämlich unbedingt auf einer Leinwand sehen. Unsere von ADHS zerfressene Gesellschaft kann nämlich bei solchen breitspurigen und langsamen, aber extrem wichtigen Geschichten über echten Journalismus und die Aufdeckung von sexuellem Missbrauchs an Kindern nicht mehr richtig aufmerksam bleiben. Wahrscheinlich haben ein paar sogar mitten im vorhergehenden Satz schon wieder Snapchat aufgemacht. Dabei hat jede Minute es verdient, dass wir hinsehen. Sehr genau sogar.

Der Boston Globe hat kurz vor 9/11 eine der unglaublichsten und auch traurigsten Recherchen betrieben, die schneeballartig die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern sollte—und das zurecht. Rachel McAdams, Michael Keaton und Mark Ruffalo spielen die Journalisten ohne viel Pomp oder übertriebenen Gravitas. Das funktioniert. Oscar-Gewinner sind manchmal tatsächlich verdient Oscar-Gewinner.

Spotlight: Donnerstag, 11. 8., 21:30 Uhr

Für alle diese Filme verlosen wir 2x2 Tickets. Schreibt uns einfach eine Mail an win@vice.at, nennt als Betreff den gewünschten Filmtitel und betet zur Gewinnchancen-Erhöhung demütig zur Wetterfee.