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The Moral Compass Issue

Baumstümpfe lügen nicht

Papua-Neuguinea erlebt derzeit den wahrscheinlich dreistesten illegalen Landraub seit seiner Kolonialzeit. Ausländische Unternehmen wollen jeden Baum im Land fällen

Papua-Neuguinea erlebt derzeit den wahrscheinlich dreistesten illegalen Landraub seit seiner Kolonialzeit. Ausländische Unternehmen—insbesondere Holzunternehmen—fälschen angeblich Unterschriften, bestechen die Polizei und lügen die Regierung bezüglich ihrer Absichten an, jeden Baum im Land fällen zu wollen. Fast ganz Papua-Neuguinea untersteht dem Gewohnheitsrecht, was bedeutet, dass das Land der einheimischen Bevölkerung gehört und im Einklang mit lokalen Bräuchen verwaltet und bewirtschaftet wird. Vor Kurzem führte die Regierung die sogenannten Special Agricultural and Business Leases (SABLs) ein, also spezielle Pachtverhältnisse für Landwirtschaft und Unternehmen. Durch die Möglichkeit, Teile ihres Landes an die Regierung zu verpachten, die es wiederum an forstwirtschaftliche Betriebe unterverpachten kann, sollten Gemeinden mehr wirtschaftliche Handlungsfreiheit erhalten. Mit dem entsprechenden Weitblick und Feingefühl hätte theoretisch eine Win-win-Situation für alle entstehen können. Stattdessen wurde der Holzindustrie ein bequemer Weg bereitet, die strengen Umweltgesetze Papua-Neuguineas zu umgehen und die Wälder zu zerstören, aus denen 80 Prozent der Bevölkerung ihre Nahrung, ihre Unterkunft und ihr Einkommen beziehen. „Was daraus geworden ist“, so der Leiter des Forest Campaign Teams von Greenpeace Paul Winn, „ist ein Riesenschwindel“, ein „rort“, wie man in Australien sagt. Ein kürzlicher Vorfall in Pomio, einer Region in East New Britain, ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Schwindel funktioniert. Durch SABL wurden mehr als 441 km² Land an eine Firma namens Gilford verpachtet, die darauf angeblich eine Palmölplantage errichten will. Gilford gehört aber dem malaysischen Holzunternehmen Rimbunan Hijau. Während einige Dorfbewohner die Anwesenheit des Unternehmens begrüßen, in der Hoffnung, dass dadurch das dringend benötigte Geld und vor allem eine bessere Infrastruktur in die Region kommen, behaupten andere, das Land sei ohne ihre Zustimmung verpachtet worden. Winn bestätigt diese Behauptung und meint außerdem, dass viele der angeblichen Unterzeichner des Pachtvertrags Kinder, Verstorbene oder Dorfbewohner sind, die gar nicht existieren. Um ihren Frust zum Ausdruck zu bringen, haben die Gegner des Projektes in Pomio auf Taktiken wie Straßensperren und Protestveranstaltungen zurückgegriffen und wurden unlängst beschuldigt, die Plantagenarbeiter tätlich angegriffen zu haben. Ende Oktober wurde ein Polizeitrupp in das Dorf eingeflogen. Laut Greenpeace waren die Beamten offensichtlich betrunken und schlugen Passanten mit Riemen und Ästen, während sie andere in Schiffscontainer sperrten. Der stellvertretende Polizeikommissar von Pomio, Anton Billy, bestätigte, dass Rimbunan Hijau für den Flug und die Ausgaben des Polizeitrupps aufgekommen sei, was er in einem Interview mit der Australian Broadcasting Corporation (ABC) als übliche Vorgehensweise in der Region bezeichnete. ABC-Korrespondent Liam Fox ist mit der Situation vertraut, er meinte, Zahlungen von Unternehmen an die Polizei seien zwar üblich, „sie werfen aber alle möglichen Fragen auf. Wie kann die Polizei objektiv und unvoreingenommen sein, wenn sie von einem Holzunternehmen bezahlt wird?“ Er fügte hinzu, Gilfords Behauptung, sie errichteten eine Palmölplantage, sei verdächtig. „Es gibt dort zwar eine Baumschule, aber jemand aus der Palmölbranche hat mir erzählt, der Boden in dieser Gegend sei genau das Falsche für Ölpalmen und seriöse Bauern würden einen Bogen um dieses Land machen.“ Papua-Neuguineas neu eingesetzte Regierung und ihr Premierminister Peter O’Neill widmen sich offenbar der heimischen und ausländischen Sorge um das SABL-System und die damit zusammenhängende Korruption. Es wurde eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen. Derzeitig werden 75 Pachtverträge untersucht, um zu prüfen, ob sie auf betrügerische Weise erwirkt wurden. Bis im März die Ergebnisse der Untersuchung vorgelegt werden, gilt ein Embargo auf neue Pachtverträge. Grund, optimistisch zu sein, doch Fox kann sich nicht freuen: „Viele dieser Verträge laufen irgendwie über Parlamentsmitglieder oder wurden von ihnen unterstützt, die werden sich nicht beeilen, sie für nichtig zu erklären.“ Winn ist seiner Meinung, glaubt aber, dass Greenpeace und die protestierenden Dorfbewohner gewinnen werden. „Das Thema ist so sehr in den Blickpunkt der Medien gerückt, dass wohl sehr wenige Personen des öffentlichen Lebens riskieren werden, laut zu sagen, das SABL-System sei gut für das Land.“

Foto von Ian Booth