Planet Metalheads

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Planet Metalheads

Der Fotograf Jörg Brüggemann hat drei Jahre damit verbracht, Metalheads in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren—zu Hause, auf der Straße, bei Konzerten, in Zelten.

Der Fotograf Jörg Brüggemann hat drei Jahre damit verbracht, Metalheads in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren—zu Hause, auf der Straße, bei Konzerten, in Zelten … Sein Buch darüber, Metalheads, erscheint am Freitag, in Verbindung mit einer Ausstellung in Berlin. Wir haben mit ihm über Death Vomit, indonesische Textilarbeiter, Globalisierung und muslimische Jugendliche gesprochen. VICE: Siehst du dich selbst als Metalhead? Kam so das Buch zustande?
Jörg Brüggmann: Nicht wirklich, aber ich erinnere mich, wie ich das Video von Guns N‘ Roses zu „You Could be Mine“ gesehen habe. Es war voll roher Kraft—zumindest fühlten sich Guns N‘ Roses so an, als ich zwölf war. Ich habe mit 13 angefangen, Sepultura zu hören, später dann Pantera. Durch Freunde bin ich dann als Teenager zum Hardcore gekommen. Mir kam die Idee für das Projekt, nachdem ich die Dokumentation Global Metal von Sam Dunn gesehen hatte. Ich interessierte mich für die Globalisierung von Jugendkultur. Ich bin ein typisches Kind der MTV-Generation, dem ersten Schritt zur Globalisierung von Jugendkultur. Aber das Internet hat alles beschleunigt. Ein Freund von mir ist der Manager von einer Metalcore-Band, und ich hab sie gefragt, ob sie mich mit auf Tour nehmen. Ich fuhr dann mit ihnen auf Festivals in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Von da an machte ich jedes halbe Jahr, immer wenn ich eine wenig Geld hatte, eine Reise in eines der Länder.

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Dein Buch stellt die These auf, dass es eine global verbundene Metal-Szene gibt. In welchem Land gab es die enthusiastischsten Fans?
Ich würde sagen in Indonesien. Es hat mich total überrascht, was da los war. Ich hatte das echt nicht erwartet. Ich flog nach Jakarta und fuhr dann nach Yogyakarta und Bandung. Ich ging erst nach Yogyakarta, weil ein Freund von mir dort lebte und ich mir schon dachte: „Wow, was geht denn hier ab?“ Yogyakarta ist eine fantastische Stadt, da passiert so viel, nicht nur Metal, auch die Punk- und Kunst-Szenen sind hier groß. Diese Leute wissen, was in der Welt abgeht. Und was hast du nicht erwartet?
Man sagte mir, ich solle nach Bandung gehen, eine Industriestadt in Java. Es wurde viel über Ujung Berung geredet, einem Teil der Stadt, von dem gesagt wird, dass er der die Wiege der Metal-Szene sei. Ich fuhr dort mit dem Nachtzug hin und um 6 Uhr morgens wurde ich mit einem Motorrad abgeholt, dann blieb ich dort einige Wochen. Es war fantastisch, was in Ujung Berung passierte. Ich weiß es nicht so genau, aber dort leben vielleicht 300.000 bis 400.000 Menschen in diesem Stadtteil. Es soll dort 120 wirklich harte Death-Metal-Bands geben. Jeder zweite Jugendliche hat dort ein Death-Metal-Shirt an, weil die da produziert werden. All diese jungen Metalheads arbeiten in der Siebdruckindustrie. Dort werden die T-Shirts für die internationale Szene hergestellt. Jeder hat eine Band, jeder spielt ein Instrument. Sie sind alle extrem gute Musiker. Dort gibt es jede Menge soziale Probleme, deswegen wollen die jungen Leute auch mal Dampf ablassen. Metal kam in den späten 80ern da an und Anfang der 90er gab es eine erste große Welle. Jetzt, mit dem Internet, breitet es sich explosionsartig aus. Dennoch gibt es keinen, der Geld damit machen kann, obwohl es Tausende von Leuten gibt, die Konzerte besuchen. Es herrscht sehr viel Korruption. Man muss die Polizei bezahlen, wenn man ein Konzert veranstalten will. Also machen sie stattdessen diese kleinen Studiogigs. Es gibt Proberäume, die sich 25 Bands teilen und ab und zu am Wochenende veranstalten sie Konzerte. Die Auftritte sind hart, da sind 100 Leute in einem 30 qm Raum, bei 80 Grad und jeder schwitzt, aber die gehen total ab, sie lieben es einfach. Zu dieser globalen Metal-Szene, gibt es da ein Verbindungsproblem? In einem Gespräch mit Grant Willing hast du gesagt, dass Metalheads „Teil einer Szene sind, in der Religion, soziale Stellung und Nationalität keine Rolle spielen.“ Du hast von Metal als etwas gesprochen, zu dem Fremde gehen können, eine eigene Gemeinschaft finden und akzeptiert werden. Auf der anderen Seite gibt es viele Sub-Genres von Metal, die zum Beispiel nationalistische Themen haben oder mit religiösen oder politischen Fraktionen arbeiten. Deine Idee vom globalisierten Metal als eine fröhliche, vereinte Welt, wirkt so, als wenn sie etwas komplizierter wäre als das, oder?
Da könntest du recht haben. Meine Perspektive ist, dass ich es nicht erlebt habe. Ich ging hinaus, um mir ein eigenes Bild zu machen. Ich wolle nicht rausgehen, um ein Klischee zu fotografieren, das ich bereits im Kopf hatte. Ich wollte sehen, was da passiert und es dann fotografieren. Ich hab nirgendwo etwas Vergleichbares erlebt. Es gibt sogar fundamentalistisch muslimische Black-Metal-Bands in Indonesien, die über den Dschihad und das Töten von Christen singen. Ich denke, Metal ist ein Behälter. Du kannst alles rein tun, was du willst. Es ist sehr offen. Dieses Bild von dem Pärchen, wo er so aussieht wie ein mittelalterlicher Wikinger—ich habe nicht mit ihm gesprochen, aber es hat nicht so gewirkt, als hätte er etwas mit Nazis oder „White Power“ zu tun. Diese Leute stehen eher auf verrücktes Mittelalterzeug. Es hat keine politische Ausrichtung. Wenn du etwas über Burzum und die norwegische Szene wissen willst: Ich war nicht in Norwegen, ich habe mit den Leuten dort nicht geredet. Ich habe Until the Light Takes Us und anderes gesehen. Ich hab das True Norwegian Black Metal-Buch gelesen, aber ich habe nicht mit den Leuten geredet, dazu weiß ich nichts. Ich würde sagen, das meiste ist einfach nur Provokation, man verkauft Musik durch Provokation. Ich finde das nicht gut. Das ist ziemlich hart. Ich höre kein Burzum, aber ich mag Black Metal. Ich finde, Varg ist ein Idiot. Tut mir leid, da sehe da nichts Faszinierendes an ihm.

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Du hast viele Fotos von Frauen in deinem Buch. Mir gefällt das. Gab es vor allem in muslimischen Gesellschaften mehr Frauen als erwartet?
Ich hatte gar nichts erwartet. Ich war wirklich überrascht, als ich diese Mädels bei der Show in Ägypten sah. Aber es schien normal zu sein. Nichts Besonderes. In Indonesien waren es weniger, weil es ein sehr muslimisches Land ist. Vielleicht gibt es mehr Frauen, die daheim diese Musik hören, aber sie gehen nicht auf Konzerte und tragen keine Band-Shirts.
Es sind vor allem Männer, aber es gibt auch Frauen. Besonders in Brasilien. Dort war der Anteil an Frauen 30%, wenn nicht 40%. Nach meinen Beobachtungen sind es wohl 5-10% Frauen in Indonesien, 15-20% in Deutschland und Amerika und 30-40% in Brasilien.

Gab es einige lokale Bands, die dich begeistert haben, als du unterwegs warst?
Ja, in Indonesien gab es Death Vomit. Da gibt es Jasad. Death Vomit ist ein sehr netter Name, oder? Die sind ziemlich erfolgreich, wahrscheinlich die erfolgreichste Band. Sie haben schon eine Tour in Australien gemacht, coole Typen. Es gibt eine Band in Ägypten, die Scarab heißt. Die sind ziemlich gut. Eine Mischung aus traditioneller arabischer Musik und Death Metal, echt brutalem Death Metal. In Brasilien hab ich mir Korzus angeschaut—die sind ziemlich erfolgreich, sie machen Thrash Metal. Sonst noch irgendwas?
Jeder sollte mal nach Indonesien reisen.

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