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Die Flugzeuge der Zukunft haben keine Fenster

OLEDs sorgen in den fensterlosen Kabinen für spektakuläre Projektionen und sparen auch noch Sprit.
So könnte ein Flugzeug der Zukunft aussehen
Bild: CPI

Ein Sitz in der Reihenmitte eines großen Passagierflugzeugs mag zwar mit „41 E" ausgeschildert sein, aber im Fliegerjargon heißt dieser Platz eigentlich „Arschkarte". Nicht nur musst du bei einem Langstreckenflug für jeden Gang ins Bad ungelenk über benachbarte Passagiere und deren Tabletts turnen, du verpasst auch das, wofür sich der Ticketpreis eigentlich lohnt: Den majestätischen Blick auf die Welt von oben, der nur den glücklichen Menschen direkt an den kleinen Bullaugen des Fliegers vergönnt ist.

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Doch gerade forschen mehrere Entwickler parallel daran, die Fenster eines Flugzeugs ein für alle mal loszuwerden und durch Projektionen der Außenwelt in den Innenraum trotzdem mehr Menschen in den Genuss der Aussicht kommen zu lassen. In den nächsten zehn bis dreißig Jahren könnte die Illusion einer transparenten Außenwand in den ersten fensterlosen Flugzeugen Wirklichkeit werden.

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Bild: CPI

So will ein britischer Entwickler schwere Flugzeugfenster durch ultraleichte Smartscreen-Paneele ersetzen, um den Kraftstoffverbrauch der Maschine zu reduzieren. Das Centre for Progress Innovation (CPI) arbeitet dafür an stromsparenden OLEDs (organischen Leuchtdioden). Verbunden mit Kameras, die einen Panoramablick auf die Wolken ermöglichen, will das CPI die Kabinenwände in zehn Jahren nahtlos mit hochauflösenden, flexiblen Displays ausstatten. Je nach Flugangst kann der Passagier sich darauf eine Projektion der Umwelt vor dem Fenster ansehen oder einfach die Absturzszene von Final Destination.

Das Kernproblem der Flugzeugentwickler ist seit jeher die Gewichtsreduktion. Plexiglasscheiben bedeuten vor allem Gewichtszunahme, denn die Verkleidung des Flugzeugrumpfs muss verdickt werden, wenn Fenster eingelassen werden.

Genau darin liegt der Vorteil der smarten Displays. Sie helfen bei der Gewichtsreduktion und sparen damit auch Kerosin. Nach Schätzungen des CPI können für jedes Prozent in der Gewichtsreduktion eines Flugzeugs 0,75% Kraftstoff eingespart werden. Bei über 3,3 Milliarden Passagieren im Jahr ist diese Ausbeute für Luftfahrtunternehmen enorm.

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In seinem animierten Video unterschlägt der Hersteller allerdings elegant mindestens drei Dezimalstellen im weltweiten Kraftstoffverbrauch, denn statt der angegebenen 832.790 Liter veranschlagt der weltweite Luftverkehr schon jetzt unglaubliche 1,2 Milliarden Liter Kerosin im Jahr.

Zu Beginn des Jahres heimste das Pariser Designerteam Technicon einen Preis für ihr Konzept eines fensterlosen Luxusjets namens IXION ein, der nach einem sehr ähnlichen Prinzip mit Rundumdisplays ausgestattet ist.

Für die Gestaltung der Wände könnte es beliebig viele Möglichkeiten geben. Statt grauem Plastik stellen sich die Designer zum Beispiel die Projektion einer Bibliothek vor oder ergötzen sich an der Idee, dem wahnsinnig beschäftigten Passagier eine Art Cortana in Form eines Dashboards bereitzustellen, das an der Wand mitschwirrt und auf Befehle für die nächste Videokonferenz wartet.

Natürlich hat sich der Platzhirsch Airbus ebenfalls nicht lumpen lassen und schon vor drei Jahren ein Konzept für eine Art gruseligen, fliegenden Bienenstock vorgelegt, der ab dem Jahr 2050 einsatzbereit sein könnte—wobei die multifunktionale „Activity Area", die sich vom VR-Golfplatz zur sehr realen Absturzbar wandelt, das eigentlich Spektakuläre an dem Konzept darstellt. Außerdem meldete der Luftfahrtriese dieses Jahr ein Patent auf fensterlose Cockpits an, um die Nase des Flugzeugs aerodynamischer zu gestalten, und schlug vor, die Piloten in den Bauch zum Gepäck oder in die Schwanzflosse zu verfrachten.

Die Treibstoffeinsparungen sind ein unerschütterliches Argument für einen Rumpf voller Displays statt Fenstern. Doch trotz der Allgegenwart von Bildschirmen in unserem Alltag sind wir es immer noch gewohnt, aus jedem Fortbewegungsmittel heraus unsere Umgebung beobachten zu können. Fenster gibt es in jedem Auto, in jedem Bus und Zug; sie zeigen uns, dass wir voran kommen und verbinden uns mit der Außenwelt. Wem diese Möglichkeit ganz genommen wird, könnte möglicherweise Platzangst entwickeln oder ganz einfach kirre werden, wenn 300 Passagiere ihr flimmerndes Wanddisplay auf unterschiedliche Arten bespielen. Die Entwicklung smarter Kotztüten birgt in diesem Fall durchaus noch Innovationspotential.

Wahrscheinlich werden clevere Unternehmen die großen Flächen sofort nutzen, um uns auch während eines Transatlantikflugs mit emotionalen Imagefilmen und Werbespots zuzukleistern. Irgendwie schade, wenn mal wieder ein echtes Erlebnis durch ein medial vermitteltes auf dem Bildschirm ersetzt wird. Denn welche Projektion geht schon über die Vogelperspektive auf Städte im Landeanflug und echte Wolken?