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Emptyset machen Musik mit der Ionosphäre

Beim diesjährigen CTM Festival in Berlin beschäftigten sich die Wissenschaftler unter den Elektroproduzenten mit der Frage, wie eigentlich elektromagnetische Strahlung klingt. elektronische Musik wird.
Der Transmitter in Nauen. Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt: J. Ginzburg / Emptyset | Mit freundlicher Genehmigung

Wissenschaftler, die sich wie Rockstars aufführen ​kommen schon mal vor. Sollte es dagegen so etwas wie Vollblut-Wissenschaftler in dem schier unendlichen Pool der experimentellen Techno-Produzenten geben, dann säßen in dieser gemütlichen Nische James Ginzburg und Paul Purgas von Emptyset. Die Bristoler Avantgardisten haben sich gerade beim ​CTM Festival in Berlin mit der Frage beschäftigt, wie die Atmosphäre eigentlich klingt und wie sie auf uns wirkt.

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Denn nicht nur wird unser Planet permanent mit kosmischer Strahlung bombardiert—wir, die menschlichen Bewohner und die Geräte, die wir benutzen, strahlen auch selbst ins All. Der elektromagnetische ​Fußabdruck des Menschen auf der Erde ist enorm. Diese Strahlung ist jedoch sowohl unsichtbar als auch eigentlich unhörbar.

Hier setzen Emptyset mit ihrer radiobasierten Performance Signal an und verwandelten das Theater Hebbel am Ufer (HAU) in eine galaktische Hörspielstube. Und so klingt die Live-Ionosphäre in ihrer Weltpremiere:

Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt: J. Ginzburg / Emptyset | Mit freundlicher Genehmigung

Der Weg des Schalls verläuft folgendermaßen: Zunächst schickt ein Übertragungswagen des Deutschlandfunks das Sinuswellen-Signal von Berlin-Kreuzberg nach Nauen. Dort steht der mittlerweile dienstälteste Transmitter der Welt, der seit seiner Inbetriebnahme 1906 durch Telefunken die internationale Radio-Kommunikation des 20. Jahrhunderts vorangebracht hat.

Von Nauen aus wird das Audio als Hochfrequenz-Radiowellen in die Ionosphäre geschossen, prallt von dort ab und und wird von einem 1000 Kilometer entfernten Empfänger im französischen d'Issudun verarbeitet. Und von da aus bewegt sich die Atmosphären-modulierte Übertragung wieder zurück zum Ausgangsort—in Berlin empfängt eine Antenne auf dem Dach des HAU das durch die Ionosphäre ausgeschmückte Signal und speist es in Emptysets Liveset ein.

So können wir alle den Weltraum hören—das Projekt untersucht die Übertragung grundlegender Schallquellen und erforscht ihre ästhetischen Qualitäten durch die Anreicherung mit Umwelt- und Atmosphärenfaktoren.

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Signal bietet damit elementaren, verborgenen Klangquellen eine Bühne und zeigt uns, wie hypnotisch die Macht der Atmosphäre um und über uns wirken kann. In der Nacht vom 16. auf den 17. April ab fünf Minuten nach Mitternacht (also zur allerbesten Radiozeit!) strahlt Deutschlandradio Kultur die Aufnahme aus; danach erscheint Signal als Album.

Bilder: ​CTM | Udo Siegfriedt

Im Zentrum des diesjährigen Berliner CTM Festivals unter dem Motto „Un Tune" stand die Frage, inwiefern sich Klänge und Frequenzen auf unsere Körper auswirken. Nicht nur das Gehör wird dabei angesprochen, sondern auch unsere weiteren Sinne—als eine Art Vermächtnis der analogen Medien in unseren digitalen Produktionssystemen.

Emptyset machen sich nicht nur zehnmal so viele Gedanken wie andere durchschnittliche Musikproduzenten—sie machen auch einfach verdammt gute Musik.