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Händler-Hexen verzweifeln: Etsy verbietet Verkauf von Magie und Hokuspokus

Die Hexenjagd auf Dienstleistungen ohne materiellen Gegenwert hat gerade erst begonnen.
Kein Hokuspokus mehr: Etsy verkauft jetzt nur noch die Tools. Bild: Screenshot Etsy

Wer heutzutage eine Hexe braucht, muss nicht mehr rückwärts zu einer verlassenen Höhle wandern und einer Kröte drei Rätselfragen beantworten, sondern braucht vor allem einen Paypal-Account. Denn die Hexe von heute ist samt ihren übernatürlichen Dienstleistungen natürlich schon lange ins digitale Zeitalter umgezogen.

Ob du einer walisischen Magierin 21 Euro für einen Sex-Zauber zahlst, ob du deine schlechten Träume loswerden möchtest, deinen Nachbarn einen ärgerlichen Ausschlag an den Hals wünschst oder für 200 Euro in die Zukunft schauen willst: There's a witch for that.

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Ein paar Beispielprodukte aus der Etsy-Kategorie „Flüche und Rituale". Bild: Screenshot Etsy

Doch online wird es in den letzten Jahren eng für ein bisschen gute, alte Hexerei gegen Bares. Nachdem erst Ebay den Verkauf von Flüchen im Herbst 2012 eingestellt hat, will nun auch die Handarbeits-Plattform Etsy den schwunghaften Handel mit Flüchen und Zaubern unterbinden.

In den geänderten Geschäftsbedingungen heißt es: „Sie dürfen weiterhin astrologische Tafeln, Tarot-Sitzungen und andere greifbare Objekte verkaufen, so lange Sie kein Versprechen einer physischen Auswirkung oder Wandels daran knüpfen, das dieses Objekt erfüllen soll—so wie zum Beispiel Gewichtsverlust, Liebe oder Rache."

„Wie verkaufe ich denn jetzt einen Fluch, dem ich keine Wirkung zuschreiben darf?", fragt eine Hexe. „Beliebiger Fluch im Angebot?!"

Bisher wurden solcherlei Dienstleistungen durchgewunken, so lange immerhin noch irgendein Gegenstand mitgeliefert wurde: Die Hexen schickten dir beispielsweise eine Bestätigungsmail, sobald der bestellte Fluch ausgesprochen wurde. Im Anhang befanden sich zusätzlich ein paar Fotos oder ein Video des Arbeitsprozesses. Als „greifbares Produkt" galt bisher zum Beispiel eine Dokumentation des rituellen Verbrennens von Pülverchen oder getrockneten Pflanzen in kleinen Umschlägen, auf die der personalisierte Fluch mit Taubenblut geschrieben wurde.

Klar ist, dass sich unter den Besitzerinnen der vielen Hexenhops etwas zusammenbraut. Sie sind sauer über das Ende ihrer Etsy-Hexerei, die bisher so gut funktioniert hat. So gibt es für Flüche und Rituale sogar eine gut gefüllte eigene Kategorie (Rituale&Flüche unter Haus&Garten) auf Etsy mit tausenden positiven Bewertungen.

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„Ich würde tippen, dass die Scharlatane es für die wirklich begabten Leute komplett ruiniert haben. Tja, Pech gehabt, denke mal, die Hexenjagd geht gerade erst los", schreibt eine offensichtlich verstimmte Profi-Hexe im Forum der Plattform—als eine von ganzen 862 Antworten auf die Ankündigung der Suspendierung „metaphysischer Güter".

Hier gibt es immerhin noch ein Objekt zu kaufen, doch auch das Versprechen der Fruchtbarkeit verstößt eigentlich schon gegen die Etsy-Geschäftsbedingungen. Bild: Screenshot Etsy

Solltest du nun trotzdem eine Karriere als Etsy-Hexe anstreben, merk dir einfach: Du darfst keine Heilsverprechen machen, wenn diese nicht offiziell belegt wurden. Diese Regel wird —zumindest in den USA—sehr streng ausgelegt: Nicht mal einer Seife darf ein Etsy-Verkäufer nun pflegende Eigenschaften zuschreiben.

„Schön, aber wie verkaufe ich denn jetzt einen Fluch, wenn ich ihm keine Wirkung zuschreiben darf?", fragt eine ratlose Hexe im Forum. „Beliebiger Fluch im Angebot?!"

Eine findige Kollegin weiß jedoch Rat: „Wie wär's, wenn du einen Fluch verkaufst, der angeblich gar nichts bringt? Zum Beispiel der Mach-Gar-Nix-Fluch: Kauf das und absolut gar nichts wird passieren— außer, dass ich dein Geld einstecken werde. Moment, die Idee ist eigentlich gar nicht so schlecht…"

Dürfen spirituelle Dienstleistungen überhaupt Geld kosten? Die Hexencommunity ist gespalten.

Doch auch die Kunden sind gar nicht begeistert von der neuen Regelung: „Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die metaphysischen Shops nicht geschlossen werden", schreibt eine. „Kristalle sind der Hauptgrund, warum ich hier einkaufe und ich habe dafür schon absurd viel Geld hier auf Etsy gelassen!"

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Aber dürfen spirituelle Dienstleistungen überhaupt Geld kosten?

Innerhalb der Hexen-Community selbst gibt es ein deutliches Schisma im Bezug auf die Monetarisierung ihrer übersinnlichen Fähigkeiten. „Niemals würde ich Geld für einen Fluch nehmen", schreibt zum Beispiel eine Hexe. „Das ist ethisch total falsch."

Wer das Ganze nicht so eng sieht oder gerade auf einen neuen Kessel spart, für den gibt noch eine Lösung, und sie ist so seltsam wie bigott: Denn offensichtlich scheint die Etsy-Regelung nur Paganismus und okkulte Weltanschauungen zu betreffen; die Talismane mancher Weltreligionen sind immer noch erlaubt. Wer katholische Verwandte hat, wird vielleicht die kleinen St. Christopherus-Plaketten kennen, die in Autos oder im Handgepäck für eine sichere Reise sorgen sollen. Die scheinen—auch mit komplett unbelegbarem Effekt-Versprechen— noch immer völlig okay zu sein.

„Also verkaufe ich einfach mein Fluch-Set als Gebets-Set…", resümiert eine Verkäuferin.

Die latente Diskrimierung von Hexen lebt also auch in der digitalen Warenwelt weiter.