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Fotografie

Killed in Action: Die Fotos der ersten amerikanischen Kriegsberichterstatterin

Dickey Chapelle war eine der ersten weiblichen Kriegsberichterstatterinnnen und die erste, die bei einem Einsatz ums Leben kam. Ein neues Buch zeigt uns ihre faszinierenden Bilder.

Selbstportrait, mit der Armbinde für Kriegskorrespondenten, 1942 (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)
   
Heute sind die Nachrichten oft von verwackelten Smartphone-Videos und oberflächlichen Twittermeldungen geprägt. Früher hingegen mussten furchtlose Menschen wie Dickey Chapelle (1919-1965) ihr Leben riskieren, um die Öffentlichkeit mit Nachrichten zu versorgen. Die erste weibliche Kriegsfotografin der USA berichtete über den Vietnamkrieg und kam in ihm zu Tode.

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In dem Buch Dickey Chapelle Under Fire: Photographs by the First American Female War Correspondent Killed in Action präsentiert der Autor John Garofalo die Arbeiten von Chapelle auf eine ganz neue Art. Er durchforstete das umfangreiche Archiv der Kriegsjournalistin, das ihre Tagebücher, Veröffentlichungen, Negative und Abzüge enthält und von der Wisconsin Historical Society verwaltet wird. Garofalo begann bereits im Jahr 1991 mit seiner Arbeit an dem Projekt. Im Jahr 2016, genau 50 Jahre nach dem Tod von Chapelle, bekommt die Öffentlichkeit nun endlich einen Einblick in ihr Lebenswerk.

Jackie Spinner, die ehemalige Bürochefin der Washington Post in Bagdad, hat über die Kriege in Afghanistan und im Irak zwischen 2004 und 2011 berichtet. In ihrem Vorwort zu dem Buch schreibt sie: „Ich frage mich, was Chapelle zu den neuen Gefahren der Kriegsberichterstattung gesagt hätte: der Angst, entführt und geköpft zu werden… Und trotzdem, wir schreiben weiter. Wir dokumentieren weiter. Wir bleiben dabei." Skinner beschreibt auch, wie sich die fotografierten Charaktere, Handlungen und Hintergründe in verschiedenen Kriegen ähneln—trotz der enormen zeitlichen und örtlichen Abstände. Und das führt uns zu Dickey Chapelle.

Marine-Stabschef Nelson West und südvietnamesische Soldaten patrouillieren eine Gegend in der Nähe von Vinh Quoi. Dieses Bild erschien ursprünglich im „National Geographic" im Jahr 1962 und wurde 1963 mit dem Photograph of the Year Award der National Press Photographers Association ausgezeichnet (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)

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Das Buch

Dickey Chapelle Under Fire

soll Chapelles Arbeiten aus den Trümmern der Geschichte retten, um ihren dokumentarischen Wert zu zeigen, aber auch um die uns unbekannten Namen und Gesichter zu ehren, die ihre Leben aufs Spiel setzten um uns zu informieren. Wer an der persönlichen Geschichte Chapelles interessiert ist, kann sie in ihrer 1962 erschienenen Autobiografie

What's a Woman Doing Here?: A combat reporter's report on herself

nachlesen.

Dickey Chapelle Under Fire

ist weniger eine Beschreibung ihres Lebens, sondern eher eine visuelle Darbietung ihres Lebenswerks. Es ist allerdings unmöglich, die Fotografien von Chapelle zu diskutieren, ohne sie in den Kontext ihres Lebens zu setzen, da beide Sphären natürlich eng miteinander verwoben sind.

Dieses Foto von Chapelle war bis zu ihrer Zeit im Vietnamkrieg das am häufigsten reproduzierte Bild der Fotografin. Sein Originaltitel war „The Dying Marine". Der abgebildete Soldat, Corporal William Fenton, ist schwer verwundet und wartet auf die medizinische Behandlung. In ihrer Autobiografie beschreibt Chapelle Fenton als „einen von 551 schwer verletzten Marines, die an Bord der USS Samaritan gebracht wurden und um ihr Leben kämpften. Er überlebte. Iwo Jima, 1945 (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)
   
Chapelle wurde im Jahr 1919 unter dem Namen Georgette Louise, oder auch „Georgie Lou", Meyer in Shorewood geboren, einer Vorstadt von Milwaukee, Wisconsin. Ihre Eltern waren Pazifisten, aber Chapelle interessierte sich schon in ihrer Kindheit für Luftfahrt und Entdecker. Ihren Spitznamen „Dickey" erhielt sie zu Ehren ihres Idols, dem Piloten, Konteradmiral und Polarforscher Richard E. Byrd.

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Nach der Highschool erhielt Chapelle ein Stipendium für das Studium der Luftfahrtechnik am MIT, aber ihre schnell wachsende Faszination mit dem Militär ließ sie ihr Studium abbrechen. Sie begann damit, Berichte über Flugshows zu schreiben und verkaufte ihre Geschichten an Lokalzeitungen. Ein Jobangebot bei der Öffentlichkeitsabteilung von TWA brachte sie schließlich nach New York, wo sie Tony Chapelle traf. Tony Chapelle war 20 Jahre älter als sie und Fotograf. Er brachte der jungen Journalistin die Grundlagen des Fotografierens bei und die beiden heirateten im Jahr 1940. Chapelle verließ ihren Job bei TWA und konzentrierte sich auf fotografische Arbeiten. Als die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 Japan den Krieg erklärten, begann sie ihre lebenslange Tätigkeit als Kriegskorrespondentin.

Dies war Dickey Chapelles Lieblingsbild von sich selbst bei der Arbeit. Aufgenommen wurde es von dem Marine Master Sergeant Lew Lowery im Jahr 1958 in Milwaukee. Von ihm stammt auch das Bild des erstmaligen Hissens der amerikanischen Flagge auf Mount Suribachi bei Iwo Jima (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)

Ihren ersten Einsatz hatte Chapelle in Panama im Jahr 1942, wo sie die Gefechtsausbildung der US-Armee für das Magazin

Look

dokumentierte. 1944 hatte sie schon acht Bücher geschrieben, und im Jahr 1945 wurde sie die erste akkreditierte weibliche Fotografin der US-Navy. Als sie mit der Navy nach Iwo Jima verschifft wurde, widersetzte sie sich der Anweisung auf dem Lazarettschiff der USS Relief zu bleiben und fotografierte verwundete Soldaten auf See und an Land. Mit diesen Bildern wurde die Bevölkerung in den USA dann dazu aufgefordert, Blut für die verwundeten Soldaten zu spenden. Nur 26 Jahre alt, fotografierte sie bereits direkt an der Front. Als jedoch herauskam, dass Chapelle sich dem Befehl auf dem Schiff zu bleiben widersetzt hatte, entzog ihr die Navy die Akkreditierung. Doch die Fotografin ließ sich nicht aufhalten.

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Nach ihrer Zeit bei der Navy dokumentierte Chapelle internationale Hilfseinsätze für Magazine und Wohltätigkeitsorganisationen. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete die sogar eine eigene Hilfsorganisation: die American Voluntary Information Services Overseas (AVISO). Ihre fotografischen Dokumentation von Hilfsprojekten in Europa, dem Mittleren Osten und Asien führten zu der Veröffentlichung zweier Serien im National Geographic. Nach der Trennung von ihrem Mann im Jahr 1955 konnte sich Chapelle noch freier auf der ganzen Welt bewegen und sich ganz ihrem Beruf widmen. So erhielt sie auch ihre Akkreditierung der US-Navy zurück und begann wieder, über Kriege und Bürgerkriege in der ganzen Welt zu berichten.

Verwundete Soldaten, Matrosen und Marines werden mit einem Landungsboot auf die USS Samaritan gebraucht, die kurz vor der Küste anliegt, Iwo Jima, 1945 (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)
   
Als sie im Rahmen eines Auftrags des Magazins Life nach Österreich reiste, schmuggelte Chapelle Penicillin für ungarische Flüchtlinge, die vor der Auseinandersetzung zwischen den ungarischen Freiheitskämpfern und dem sowjetischen Militär flüchteten. Sie verbrachte zwei Monate in einem ungarischen Gefängnis, nachdem die Russen sie gefangen genommen und an ungarische Nationalisten übergeben hatten, die sie exekutieren wollten. Die USA konnten jedoch ihre Freilassung bewirken. Die Idee, Aufstände zu dokumentieren, ließ sie jedoch nicht los, und Chapelle reiste nach Algerien und danach nach Kuba, wo einige seltene Fotos von Fidel Castro an der Schwelle zur Revolution entstanden. Im Jahr 1961 wurde Chapelle nach Vietnam geschickt. Für ihre Arbeiten im Vietnamkrieg wurde sie mit dem Overseas Press Club's George Polk Award ausgezeichnet und von der National Press Photographers Association zur Fotografin des Jahres gewählt. Am 4. November 1965 starb Chapelle durch einen Granatsplitter, der bei der Explosion einer Sprengfalle, die durch den Tritt eines Marinesoldaten auf eine Angelschnur versehentlich ausgelöst wurde, ihren Hals traf.

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Auf ihrem Weg nach Österreich überqueren ungarische Familien gefrorene Felder in der Nähe des Dorfes Andau. Die Menschen wanderten mindestens 10 Meilen bei Minustemperaturen, um sich während des Aufstands in Ungarn in Sicherheit zu bringen (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection, ca. 1956)

Garofalo beschreibt in seinem Buch, wie der Kommandant des Marinekorps, General Wallace M. Greene Jr., Chapelle nach ihrem Tod würdigte: „Alle US-Marines auf der ganzen Welt trauern um Dickey Chapelle. Sie starb am 4. November 1965 an einer Kriegsverletzung, die sie sich während der Berichterstattung über die Operationen der US-Marines in Südvietnam zugezogen hatte. Sie war nicht nur eine kompetente und engagierte Journalistin, sondern auch eine beispielhafte Patriotin, deren große Liebe für ihr Land allen, die sie kennen und mit ihr zusammengearbeitet haben, als Inspiration dient. Ihre Pressekollegen sagen von ihr, dass sie bei den Männern starb, die sie liebte. Und wir können nur erwidern: die Zuneigung, die Bewunderung und der Respekt waren beidseitig. Sie war eine von uns, und wir werden sie vermissen."

Chapelle war erst 47, als sie starb. Ihr Beruf war ihr Leben und ihre Leidenschaft.

Südvietnamesische Soldaten in einer Artillerieübung, ca. 1961–62 (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)

Vietnamesische Kinder reagieren auf Mörserbeschuss, ca. 1961–62. Dieses Bild erschien ursprünglich im Jahr 1962 im „National Geographic" (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)

Fallschirmjäger Captain E. F. McGushin tanzt mit einer Klasse Viertklässlerinnen in der Pause einer Schule in Santo Domingo. Sein Unternehmen organisierte Schulunterricht für 720 Kinder und arbeitete dafür, die Kinder von der Straße zu holen, nachdem die Lehrer die Stadt verlassen hatten, 1965 (aus dem Buch „Dickey Chapelle Under Fire", alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Wisconsin Historical Society Historic Images Collection)
   
Dickey Chapelle Under Fire: Photographs by the First American Female War Correspondent Killed in Action zu bestellen bei Wisconsin Historical Society Press.