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Popkultur

Die 10 besten Links, die ihr 2016 vielleicht verpasst habt

Der Mythos von der Filterblase, das Drehbuch zur fiktiven 9/11-Folge von 'Seinfeld' und die Gewissheit, dass eigentlich alles besser wird. Ja, sogar 2016.

Screenshot aus Sunspring

Ja, eh. Krieg in Syrien, Sterben vor Europa, Terror in Berlin und die Tode von Prince, David Bowie, George Michael und Carrie Fisher klingen nicht unbedingt, als gäbe es viel zu feiern—oder überhaupt nur irgendeinen Grund, auf das letzte Jahr zurückzublicken.

In gewohnter Internet-Übertreibungsmanier wurde 2016 mit Memes überschüttet, die es als das schlimmste Jahr überhaupt bezeichnen (weil das Internet 1933 noch nicht da war, um sich über die Welt aufzuregen und anscheinend auch ein eher kurzes Gedächtnis hat). Wer es brennen sehen wollte, fand schnell einen Ort zum Zündeln: 2016 war nicht nur das Jahr, in dem Donald Trump gewählt wurde; 2016 war das Donald Trump unter den Jahren.

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Tatsächlich wird trotz dem Bullshit alles immer besser, auch wenn unsere Kaffeeklatsch-Köpfe das ungern wahrhaben wollen—womit wir beim ersten von 10 Links sind, die dieses Jahr herausgestochen und leider ein bisschen untergegangen sind.

1. Diese Daten, die zeigen, dass alles besser wird

Grafik von Our World In Data

Sicher: Die Statistik, die beweist, dass alles gut wird, macht die statistischen Ausreißer nicht besser, die uns das Gefühl geben, dass alles schlecht ist. Aber noch nie war die absolute Armut weltweit so niedrig, noch nie gab es so viele Staaten, in denen Demokratie herrschte und noch nie konnten so viele Menschen lesen, schreiben, sich impfen lassen oder sich darauf verlassen, nicht im Kindesalter abzukratzen.

Dass die Medien über negative News berichten, weil punktuelle Ereignisse nun mal einfacher zu berichten sind als langfristige Entwicklungen, sagt uns eigentlich auch, dass diese schlimmen Dinge eben immer noch erwähnenswerte Ereignisse sind—und eben nicht die Norm. Es haben zum Beispiel auch ganz schön viele Promis 2016 überlebt.

Hier findet ihr den kompletten Bericht von Our World In Data.

2. Das fiktive Seinfeld-Drehbuch zu 9/11

Screenshot via YouTube

Eine Möglichkeit, sich als Autor einen Namen zu machen, besteht darin, sogenannte "Sepc Scripts" zu schreiben—spekulative Drehbücher zu bestehenden Erzähluniversen, wie Motivationsschreiben in der Form von Fan Fiction. Genau das hat Billy Domineau von The Onion mit der Serie Seinfeld gemacht. Sein Spec Script spielt in einer Welt, in der die Serie nicht 1998 abgesetzt wurde, sondern auch nach 9/11 noch weiterlief, und entwirft das wahrscheinlich witzigste und unkorrekteste Sitcom-Szenario, das sich jemals jemand zu Terrorismus ausgedacht hat. Der 11. September ist inzwischen so weit weg, dass bei der nächsten Nationalratswahl das erste Mal Menschen wählen werden, die damals noch nicht mal geboren waren. Aber unser Umgang mit Terrorismus und Humor ist so aktuell wie damals. Falls es jemals wirklich ein Seinfeld-Revival geben sollte, bitte lass es diese Folge sein, Allah.

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Hier könnt ihr die wahrscheinlich beste Seinfeld-Folge aller Zeiten, die nie gemacht wurde, nachlesen.

3. Der Stop-Motion-Fanfilm zu Enterprise

Weil wir gerade bei Motivationsschreiben in der Form von Fan Fiction waren: Auch die Macher dieses Enterprise-Films, die mit dem Franchise nichts zu tun, aber offenbar sehr viel Zeit für sehr gute Stop-Motion-Effekte geopfert haben, sollten eigentlich vom Fleck weg einen Job bekommen; entweder bei einer der nächsten Star Trek-Inkarnationen oder zumindest bei der nächsten Staffel von Robot Chicken.

4. Dieser Artikel zu Demokratie und Tyrannei

Screenshot von The Atlantic

Je gleichberechtigter, fairer und offener eine Gesellschaft ist, umso eher bietet sie auch Tyrannen eine Hintertür. Das ist im Wesentlichen, was schon Platon über die Gesellschaftsform der Demokratie sagt und was dieser Artikel am Beispiel Amerika neu durchdenkt. Gut, Platon war auch der Meinung, dass "neue Medien" wie die Schrift zur Verdummung der Menschheit führen würden, aber seine Gedanken zur Republik und der noblen Lüge, die die Demokratie zusammenhält, sind an der Schwelle zu Präsident "I have big hands!"-Donald einen zweiten Blick wert.

Hier lest ihr den gesamten Artikel im New York Magazine.

5. Der Anfang vom Ende der Filterblase

Foto von Judy Schmidt, CC by 2.0

Kaum ein Wort beschreibt das Jahr so gut wie "Filterblase"—außer vielleicht "Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung", zumindest wenn es nach dem österreichischen Wort des Jahres 2016 geht. Im Gegensatz zu diesem ist "Filterblase" aber ein Begriff, den tatsächlich schon mal jemand verwendet hat und mit dem die Menschen alles von ihrer Facebook-Freundesliste bis zu ihrer dunkelsten Vorstellung vom Internet als Echokammer meinen. Aus ihr kommen Hasskommentare, postfaktische Parallelwelten, Fake-News und jedes andere Buzz-Word, das uns 2016 um die Ohnren gehauen wurde. Und wie das mit Modewörtern so ist, hat es nicht lange gedauert, bis sich jemand die Filterblase vorgenommen und als die bequeme gedankliche Abkürzung entlarvt hat, die sie ist.

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Wenn das Internet überhaupt etwas Neues zu unserer alten Echokammer beigetragen hat, dann wohl eher die Möglichkeit, den ewigen Circlejerk der immer gleichen Meinungen im Freundeskreis auch mal zu durchbrechen. Weil man sich im Netz mit seiner chaotischen, zufälligen Struktur nun mal weniger aussuchen kann, was man zu hören und sehen bekommt, als am Stammtisch mit den fünf immer gleichen Freunden. Oder warum sonst dringen Fake-News heute auch zu Nicht-Trump-Fans durch?

Hier geht's zum Artikel in der Süddeutschen Zeitung.

6. Der erste Film, den eine künstliche Intelligenz geschrieben hat

Screenshot aus Sunspring

Für manche Dinge braucht man kein Vorwissen, um Spaß daran zu haben. Der Kurzfilm Sunspring ist keines dieser Dinge. Hier hilft es für den Spaß ganz beträchtlich, wenn man weiß, dass der Film von einer künstlichen Intelligenz geschrieben und für das Festival Sci-Fi London in 48-Stunden gedreht wurde. Die AI, die hier als erster künstlicher Drehbuchautor agiert hat, nennt sich selbst übrigens Benjamin und hat auch den Song im Film selbst geschrieben. Muss man zwar nicht wissen, schadet aber auch nicht.

Hier findet ihr den ganzen Beitrag inklusive Film auf Ars Technica.

7. Dieses Und täglich grüßt das Murmeltier-Porträt eines Pensionisten

Screenshot via FAZ

Die Geschichte von Herrn Meier, der jeden Tag ins Phantasialand fährt, ist wie jede gute Geschichte gleichzeitig sehr spezifisch und sehr allgemeingültig. Es ist das fast schon peinlich genaue Protokoll eines Pensionistenlebens, aber auch ein ziemlich poetisches Gleichnis über die kleinen Dinge im Leben, den großen Kampf gegen Einsamkeit, das stille Zurechtkommen mit der Routine, das Bedürfnis nach Verzauberung und irgendwie auch den Zusammenhalt der und das Grundvertrauen in die Menschheit an sich. Auf Englisch sagt man "Human Interest Story", auf Deutsch sagt man "Alltagsgeschichte", aber was man mit beidem eigentlich meint, ist: verdammt schön und genauso lesenswert.

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Hier geht's zum ganzen Artikel auf der Website der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

8. Dieser Kommentar zu Fake-News

Bild von Gerald Fricke, via Twitter

So wie die Filterblase hatte auch der Ausdruck "Fake-News" nach dem Sieg von Donald Trump Hochkonjunktur und soll auf einen angeblichen Missstand hinweisen, der bei genauerer Betrachtung in jeder Gesellschaft ohne Zensur dazugehört: nämlich die Überflutung sozialer Netze durch falsche oder unechte Nachrichten. Fake-News ist nicht nur ein Kampfbegriff, der Handlungsbedarf unterstellt, wo Quellenkritik reichen würde—der Ausdruck "schafft ein falsches Oppositionspaar und verwischt die Grenze zwischen politischer Propaganda, absichtlicher Falschinformation, aufmerksamkeitsheischendem Clickbait und einfach nur schlechter Berichterstattung", wie es in diesem Kommentar heißt. Neben dem oben erwähnten Beitrag zur Filterblase aus der

SZ

und dem

ersten großen Artikel zu Postfaktizität

aus dem

New Yorker

ist das hier der Kommentar zum Thema, den ihr am ehesten gelesen haben solltet.

Hier lest ihr den Artikel "The Fake War on Fake News".

9. Das FM4-Interview mit Falco über Hip-Hop

Foto von Axl Jansen, CC BY SA 3.0

1996 war im Hip-Hop das Jahr von Busta Rhymes, Dr Dre, 2Pac, N.W.A.—und vielleicht auch Falco, wenn man diesem FM4-Interview glauben darf. Obwohl Falco selbst auf die Unterstellung, dass er Hip-Hop gemacht habe, gleich als allererstes antwortet mit: "Werner, pass auf, des stimmt im Ansatz schon mal net!" Was darauf folgt, ist das Gegenteil von arrogant und in jeder Hinsicht ein Juwel von einem Radiogespräch; über österreichischen Rap, Hop-Hop als die letzte Bastion brauchbarer Literatur im 20. Jahrhundert, linke Zecken, großen Erfolg, Ernst Jandl als Deutschlehrer und Texta am Telefon. Vor allem, wenn ihr Falco eher als kinskieske Skandalfigur kennt, solltet ihr euch das anhören.

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Hier findet ihr einen Audio-Mitschnitt und das Transkript des Interviews.

10. Der ultimative Obama-Text zum Abschied

Screenshot von The Atlantic

Im Internet altert alles schneller—aber dass dieser Beitrag heute schon melancholische Gefühle und ziemliche Nostalgie auslöst, obwohl Obama seine letzten Wochen im Weißen Haus sogar nochvor sich hat, liegt wahrscheinlich nicht nur am Medium, sondern auch an der Fallhöhe von Obama zu Trump. Ta-Nehisi Coates zeichnet in 6 Kapiteln die Tragweite der ersten schwarzen US-Präsidentschaft nach, als würde er sich selbst für die zweite bewerben—was angesichts der Hashtag-Drohung von Kanye West ("#2020") eine ziemlich beruhigende Sache wäre. Wenn ihr nur noch für ein episches Feature Platz in eurem Kopf habt, lasst es das hier sein.

Hier geht es zum Artikel "My President Was Black" auf The Atlantic.