Die verstörendste Videospiele-Bestenliste 2016

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Die verstörendste Videospiele-Bestenliste 2016

Vergesst alle diesjährigen AAA-Blockbuster, gehypten Apps und anspruchsvollen Indie-Titel. Das sind die Top Games in Punkto Feigheit, Tierquälerei und Kellernazi-Qualitäten.

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Dieses Jahr hat nicht viele Fans für sich gewinnen können. Das wissen wir. Ein Bereich, in dem 2016 aber wirklich brilliert hat und es sehr wenig zu meckern gibt, ist der Videospiel-Sektor. Großartige Titel wie DOOM, Dark Souls III, emotionale Kampagnen und schlaue Brain Teaser-Spiele haben wenigsten die Kulturpessimisten, die eine Konsole oder einen PC zuhause haben, milde stimmen können.

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Ich weiß nicht, ob man jetzt gleich eine direkte Kausalität in das Aufblühen der interaktiven Unterhaltungsindustrie und das Zunehmen soziopolitischen Zustände jenseits von Gut und Böse hineininterpretieren muss und ich lasse das an dieser Stelle gerne offen zur Debatte, ob die Welt im Arsch sein muss, damit Games florieren. Aber so oder so: Eskapismus hat noch nie so viel Spaß gemacht wie dieses Jahr. Da wir aber Kinder unserer Zeit sind und es IMMER an allem etwas auszusetzen gibt—und weil Bestenlisten normalerweise einfach saulangweilig, ihr aber trotzdem unbedingt um diese Jahreszeit irgendwelche Rankings wollt—, haben wir uns ein paar der herausragendsten Spiele angeschaut; und in die Kategorien eingeteilt, die ihnen eigentlich gebühren.

'Atomic Butcher' (c) Das Humankapital

Bestes Spiel in Punkto Kacke, Kotze und Kannibalismus: ATOMIC BUTCHER

Die beiden in Oberösterreich stationierten Game Devs haben ihr lang erwartetes Projekt nun endlich auf die Steam Stores der ganzen Welt losgelassen. Atomic Butcher: Homo Metabolicus ist ein Platformer mit Natursekt als Startwaffe. Sehr viel mehr muss man hoffentlich nicht sagen. In der Postapokalypse ist eben alles erlaubt und guter Geschmack ist mit der restlichen Menschheit untergegangen. Die Steuerung dieses heimischen Jump 'n' Piss-Retrospiels ist gewöhnungsbedürftig, aber Duke Nukem II war ja anfangs auch klobig.

Außerdem vergibt man so ziemlich jeden kleinen Animations-Hacker und jedes verwurstelte Level-Design, wenn man ein Power Up findet, das einem extra fäkale Sprungkraft verleiht! Spätestens bei den phallischen, pinken Monstern, die sich aus dem Boden bohren und dich zu Tode squirten wollen, ist die Neugierde auf noch mehr anstößige Gegner nicht mehr zu bändigen. Meine Theorie ist ja, dass der Butcher ein mutierter Commander Keen ist. Erstaunlich jedenfalls, wie ansprechend Körperflüssigkeiten in Pixelform sein können. Chapeau.

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Bestes Spiel, um winterdepressiv zu werden: NO MAN'S SKY

Wir haben ja bereits einen Nachruf für No Man's Sky ausgeschrieben und über den düsteren Ahnenkult, der in diesem gigantischen Unglücksraben eines Videospiels betrieben wird, gesprochen. Diese depressive Grundstimmung wird wohl weiter bestehen. Der erste Update-Patch nach monatelanger Sendepause von Hello Games hat auch niemanden vom Hocker gehauen und was bleibt, ist die repetitive weite Unendlichkeit.

Und das ist doch auch irgendwie geil: Der Fatalismus eines Spiels, das dir unzählige individuelle Welten bietet, aber du bist völlig allein gelassen und kannst nichts machen, außer sinnlos Rohstoffe abzubauen. Wenn dann die ganzen Tweens zu alt für Minecraft werden und bereit sind für die einsame Emo-Pubertät, steht das passende Spiel schon längst bereit—mit einer unberührten Staubschicht auf dem ganzen Universum. Ich drehe Nine Inch Nails lauter und mach mich auf ins nächste Sonnensystem.

Bestes Spiel für Kellernazis: BATTLEFIELD 1

Ich bin kein Multiplayer, nur Battlefield schafft es echt immer wieder, mich in die internationalen Server und Kriegsgebiete zu locken. Auch Battlefield 1 ist wieder verflucht gut geworden, mit Hammer-Maps und super Balance in den Online-Schlachten. Man trifft dann aber auch mal auf kleine Nazi-Player—so wie ich ihn auf dem Screenshot hier schön erwischt habe—der komplett anachronistisch den Ersten Weltkrieg mit Hakenkreuzen unsicher macht.

Ich seh das an sich mal nicht so eng, da in manchen Teilen der Welt das Swastika mindestens so tagesgebräuchlich ist wie Hello Kitty oder das Geist-Emoji. Den echten Kellernazi-Vibe habe ich eigentlich erst bekommen, wie ich bei einem Match, in dem ich mit den Truppen des Kaisers gegen die Osmanen um Territorien gekämpft habe, die gegnerische Fahne erobert habe. Das Gefühl, plötzlich die schwarz-weiß-rote Reichsflagge mit Ehrenkreuz darauf zu hiessen—obwohl sie im Kontext von Battlefield 1 natürlich eigentlich die altdeutsche ist—muss für den einen oder anderen Gamer etwas ganz Besonderes sein. Mancher vergießt sicher eine Freudentränchen, der die Flagge wehen sieht, die er sogar in echt an der Kellerwand neben seiner Österreichkarte samt "Südtirol ist NICHT Italien"-Plakat hängen hat. Das Spiel ist also super; das Gruselige daran kommt, wie so oft, erst mit den Menschen, die es spielen.

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Bestes Spiel, in dem ich meine Freundin nachgebaut und sterben gesehen habe: XCOM 2

Es passiert nicht oft, aber manchmal bleibt man hängen beim Figuren-Costumizing und wird wunderlich. Bei XCOM 2, wirklich eines meiner Lieblingsspiele des Jahres, habe ich zum Beispiel meine Freundin nachgebaut, so gut es eben ging, mit den entsprechenden Haaren, Augen, dem Namen, einem Scharfschützengewehr und strengem Gesichtsausdruck. Also alles ganz naturgetreu (an dieser Stelle könnt ihr euch einen Zinkersmiley vorstellen). Als ich den gnadenlosen Spielmodus "Ironman" dieses rundenbasierenden Militärschachs gestartet habe, musste ich meine Liebe recht bald im außerirdischen Kreuzfeuer sterben sehen. Kein Rewind, keine neuer Versuch, kein Extraleben. Sie war nur noch ein Porträt an der Wand in der Soldatenbar der Raumschiff-Baracken.

Bestes Spiel, wenn man Batman als feiges Arschloch erleben möchte: BATMAN TTS

Mit Telltale ist es so eine Sache. Sie bringen regelmäßig Episodenspiele raus, die ein bisschen auf Point-and-Click-Adventure machen, und die Illusion von narrativer Kontrolle vorgeben. Aber so wie Filme nicht probieren sollten, Videospiele zu sein—wie Rogue One das schon ein wenig als negatives Musterbeispiel vorgemacht hat—, sollten sich auch umgekehrt Videospiele nicht um cineastische Erzählung bemühen (Uncharted 4 musste ich zum Beispiel nach kurzer Zeit abschalten, weil ich das Gefühl hatte, das Spiel kommt auch ohne mich zurecht und ich null herausgefordert wurde).

OK, aber warum zum Teufel ist Batman jetzt ein feiges Arschloch? In dem diesjährigen, gestaffelt releasten Spiel Batman TTS lenkt man Bruce Wayne und in manchen Instanzen auch seinen bipolaren Rächerkomplexler mit Cape. Es ist wirklich extrem cool geschrieben, hat eine aufregende und Comic-Nerds zur Weißglut treibende Handlung und ist wirklich sehr ab 18, was seine Darstellung von Gewalt angeht. Wenn man aber ein Troll ist—was bei vielen von uns leider zutrifft—und das Credo "Break the game" im Herzen trägt, wird man bei Waynes interaktiven Dialogen immer die feigste und zu Batman unpassendste Antwort aussuchen. Ich habe eine Seite des Dark Knights gesehen, für die ich mich heute noch (fremd)schäme.

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Bestes Spiel, das komplett unnötig zum Videospiel adaptiert wurde: UNO

Diese Auszeichnung bekommt eigentlich eher das Kartenspiel selbst. Denn wer mag bitteschön Uno nicht? Es hat schon die längsten Busfahrten erträglich gemacht und ist ein Klassiker, der mit Farbcodes auf Vorschulniveau wirklich den größtmöglichen gemeinsamen Nenner der strategischen Spielherausforderung findet. Dieses Jahr kam davon eine Konsolen-Version von Ubisoft raus und warum the fuck nicht!? Es ist das Spiel, das ich starte, wenn ich nach der Silvester-Lobotomie meinen Schmerz vergessen möchte und sowieso keine Karten in den zitternden Händen halten könnte. Ich freu mich schon auf das Schwarzer Peter der Next Gen.

Bestes Spiel, das den inneren Tierquäler in dir weckt: THE LAST GUARDIAN

Ich habe bereits ICO und Shadow of The Colossus geliebt und The Last Guardian schafft den perfekten Van-Damme-Spagat zwischen den beiden Vorgängern. Man klettert wieder auf riesigen Kreaturen herum und muss sich im freundschaftlich süßen Teamwork durch Räume voller Rätsel und Mechaniken tüffteln. Dieses meterhohe Fabeltier, eine Mischung aus Golden Retriever, Ratte und Wolpertinger—mit leicht ekeligen Vogelbeinen—, löst in den ersten Stunden nichts als Zuneigung aus. Ich streichle das flauschige Federfell eigentlich minütlich.

Aber sobald Trico—so vertraut heißt nämlich die riesige Hundemaus—nicht schnell genug das tut, was es soll, oder nicht an die Stelle hin tappst, an der ich sie haben möchte, werde ich sehr böse. So böse, dass ich fast ein wenig Angst bekomme vor mir selber. Abgesehen davon, dass man das arme Vieh ständig in Todesgefahr bringt und gegen fiese Gegner in den Kampf schickt, wird es bald mehr zum Nutztier, das man in herzloser Gamer-Routine verfallen dann nur noch zweckorientiert an die richtige Position des Levels hintreten möchte.

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Bestes Spiel für Möchtegern-Wunderkinder: THE WITNESS

"Ein Blick und schon habe ich das bunte Puzzle mit den Labyrinthen und Symbolen gelöst." Solche Momente gibt es tatsächlich manchmal in The Witness und man fühlt sich dann wie Stephen Hawking, nur weil man in diesem Open World Rätselspiel eine Verbindungslinie zwischen zwei Punkten gezogen hat, ohne einen anderen Punkt dabei berührt zu haben. Das geht jetzt zu viel ins Detail, egal. The Witness ist jedenfalls trotz seiner angeberischen Intelligenz-Verherrlichung und plump süchtigmachenden Soduku-Qualitäten eines der allerbesten Spiele aus 2016, das eine ausentwickelte Obsession in mir entwickeln durfte.

Bestes Spiel, um zu lernen, wie man Familienmitglieder (und Obst) sinnlos beleidigt: OH … SIR!! THE INSULT SIMULATOR

Die Beleidigungen in Oh … Sir!! The Insult Simulator, in dem man Wörter und Satzteile um die Wette arrangieren muss, sind oft unsinnig und ergeben manchmal am Ende recht unlustige Aussagen wie "Your favourite Bond actor was your cousin's car and is a lumberjack, and you know it's true". Letztlich ist das dann nicht mal eine Beleidigung und was diese "Elderberries" immer wieder sein sollen, weiß ich auch nicht. Obst vielleicht?

Aber das Handyspiel hat viel Herz und wenn man im Tournament—das einen durch verschiedene von Monty Python inspirierte Szenarien führt, inklusive einem Black Petrus an der Himmelstür—angekommen ist, wird man schon recht geübt sein. Dann weiß man, wie man Combo-Beleidigungen oder einen "Rude"-Bonus bekommt. Dann kommen auch plötzlich wirklich wunderbar kohärente Sätze zustande, die sehr richtig existenziell angriffig sind (wie im Screenshot) oder einfach nur herrlich random und idiotisch: "You have bum cancer and your sense of style is silly!" Moment, hat mich der Typ jetzt gerade "Cockwomble" genannt, was immer das sein soll (vielleicht auch Obst)?!

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Das beste Videospiel, das gar kein Videospiel war, Sheeple: POKÉMON GO

Ich will nicht wie der alte mit NES-Controller fuchtelnde Opi klingen, aber ich habe es bereits damals im Sommer gesagt und wiederhole: Pokémon Go ist kein Videospiel! Ich will niemandem den Spaß, das mitreissende Erlebnis eines globalen Hypes oder die Freude an einem Spaziergang nehmen, aber man muss sich doch mit den Tatsachen konfrontieren: Diese Leute, die NICHT Nintendo sind, haben mit Pokémon Go getrickst und so getan, als ob das Prinzip von Smartphone-ständig-in-der-Hand-halten-und-Apps-anschauen (etwas, was wir ohnehin schon die ganze Zeit tun und wofür uns natürlich jede Ausrede recht ist, um es mehr zu tun) ein Mobile Game wäre. Genial, aber nein. Gehen ist keine Spielmechanik. Man kann in Pokémon Go auch nicht "besser" werden, es gibt keine Lernkurve und der Name Pokémon hat so etwas eigentlich nicht verdient.

So, das war jetzt nur ein mikroskopisch kleiner Ausschnitt des Gaming-Jahres. Ja, es gibt noch einiges nachzuholen! Zum Glück sind die Feiertage zum Spielen da—also macht was draus. Ich werde auch noch "schnell" versuchen, einige der Highlights abzuhaken, bevor das neue Jahr mit tausenden Releases, Switch und dem endlosen Teufelskreis der Videospiele von vorne beginnt, aber die Liste ist lang. Mir fehlen noch Thumper, Overcooked, Darkest Dungeon, Watch Dogs 2Steamworld Heist, Inside, Firewatch, Stardew Valley und, und, und!

Kommentiert gerne in All Caps jeden Titel, bei dem ich die Frechheit besaß, ihn zu vergessen, auf Facebook. 

Josef auf Twitter: @theZeffo

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