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Agrarpolitik

Pestizide machen dumm, depressiv und unfruchtbar

In Europa hat sich das Blatt schon lange gegen den Einsatz von potentiell toxischen Pestiziden in der Landwirtschaft gewendet. Aber Chemiekonzerne zwingen EU-Behörden, ihre Erkenntnisse über die Gefahren von Pestiziden nicht zu veröffentlichen.

Wenn es um biologischen Anbau und biologisches Essen geht, ist Europa den USA schon lange einen Schritt voraus. In Europa sind um die 11,2 Millionen Hektar dem ökologischen Anbau gewidmet, während es in Amerika—dem freiheitsliebenden Land und Zuhause riesiger Landstriche von genmanipuliertem Mais und Soja—gerade einmal gut 2 Millionen. Und während in den Vereinigten Staaten die großen Pestizid-Produzenten wie Sygenta oder Monsanto immer noch jährlich Milliardengewinne einstreichen, hat sich in Europa das Blatt längst gegen möglicherweise lebensbedrohliche Pestizide gewendet und die EU-Mitgliedsstaaten fordern eine wesentliche Verringerung des Einsatzes solcher Substanzen. Den Chemikalienproduzenten schlottern bereits die Knie—so sehr, dass manche Unternehmen angeblich die Veröffentlichung eines EU-Berichts über die toxische Wirkung von Pestiziden verhindern wollten.

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2013, berichtet The Guardian, stellte die Europäische Kommission einen umfangreichen wissenschaftlichen Bericht zusammen, der die potentiellen Gesundheitsrisiken in Verbindung mit der Verwendung von kommerziellen Pestiziden darlegte. Zu diesen Risiken zählten fetale Anomalien, Genitalmutationen, Unfruchtbarkeit, Krebs und ein verringerter IQ. Unter Bauern in den USA, Brasilien, China und anderen Ländern wurde der Einsatz von Pestiziden auch mit Depressionen und Suizid in Verbindung gebracht. Die Chemikalien, die auch in gewöhnlichen Haushaltsprodukten wie Toilettenartikel oder Kosmetika vorkommen, wirken als endokrine Disruptoren und verursachen jedes Jahr mehrere hundert Millionen in Gesundheitskosten.

Mehr zum Thema: Pestizide können zu Depressionen führen

Der Bericht der Kommission, der bislang noch nicht veröffentlicht wurde, sollte das EU-Verbot von gefährlichen Chemikalien in Gang setzen, das für Ende 2013 geplant war. Als aber die großen Akteure der Pestizidwelt wie der deutsche Chemiekonzern BASF von diesem Bericht Wind bekamen, schreibt The Guardian, übten sie extrem großen Druck auf die Europäische Kommission aus, diese Erkenntnisse für sich zu behalten.

„Wir hatten schon die Kriterien für das Verbot sowie einen Strategievorschlag für die Implementierung ausgearbeitet, aber das Büro des Generalsekretärs sagte, wir können das alles vergessen", gab eine Quelle aus der Kommission im Gespräch mit The Guardian an. „Im Grunde wurden unsere Kriterien niedergehalten. Wir haben zugelassen, dass die Biozid- und Pestizidgesetzgebung uns überrollt."

Die extrem profitablen Chemiekonzerne haben Angst um ihren Profit. Laut Forschung des europäischen Pestizid Aktions-Netzwerks, hätten sich die Empfehlungen über 31 Pestizide auf die jährlichen Umsätze der Unternehmen in Milliardenhöhe auswirken können. Obwohl die Konzerne die Europäische Kommission vorübergehend überzeugt haben, ihre Erkenntnisse für sich zu behalten, werden sie sich früher oder später dem Umschwung in Europa stellen müssen.

Vergangenen Montag verkündeten Experten im Auftrag der EU-Mitgliedsstaaten, dass sie daran arbeiten, die Verwendung von 77 Pestizid-Inhaltsstoffen einzuschränken—ein Schritt, der sich auf 20 Prozent aller in Europa verkauften Pestizide auswirken könnte. In Frankreich hat der Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll Pläne vorgestellt, den Einsatz von Pestiziden bis 2025 zu halbieren und somit Frankreichs Landwirtschaft zu ganzheitlicheren Methoden hinzuführen, die weniger von Chemikalien abhängen.

Dass europäische Pestizid-Produzenten über die Schritte in Richtung Landwirtschaftsreform nicht gerade glücklich sind, versteht sich von selbst. Euros Jones, der Leiter der zulassungsrechtlichen Angelegenheiten der European Crop Protection Association (ECPA) sagte zu Chemical & Engineering News, „es wird schwierig werden, diese politisch motivierten Ziele zu erreichen."