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Die skurrile Geschichte, wie Al Walser zu seinem Grammy kam

2013 erstaunte der selbsternannte "Robin Hood der Musikindustrie" die Szene, als er für einen EDM-Grammy nominiert wurde. Jetzt hat er tatsächlich abgeräumt – irgendwie jedenfalls.

Foto: Facebook, Al Walser Al Walser muss sich gerade fühlen, als hätte er den Musikolymp erklommen – ganz alleine und mit einer Kletterausrüstung aus dem letzten Jahrtausend: Trotz mässigem Bekanntheitsgrad darf er sich seit Montagnacht Grammy-Gewinner nennen. Der Schweiz-Liechtensteiner, der schon seit vielen Jahren in Los Angeles lebt, gewann als Teil des Produzententeams von Ted Nashs Album Presidential Suite: Eight Variations on Freedom in der Kategorie "Best Large Jazz Ensemble Album".

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2013 sorgte Al Walser bereits für Aufsehen, als er neben Avicii, Calvin Harris, Skrillex und der Swedish House Mafia für einen Grammy in der Kategorie "Best Dance Recording" nominiert wurde. Damals fragte sich die ganze Szene, wer Al Walser ist und wie er sowas schaffen konnte – ganz ohne Major-Label und mit einem Low-Budget-Videoclip mit 200 YouTube-Views.

Al Walsers grosser erster Grammy-Auftritt 2013. (Foto: zvg)

Doch alles von Anfang an: Erstmal in Erscheinung trat Al Walser, als er 1997 in der zweiten und weniger erfolgreichen Generation der Band "Fun Factory" einsprang, einer Euro-Dance-Band, die auf einigen Bravo-Hits-CDs ihren Platz fand. Ansonsten tauchte Al Walser sporadisch in deutschen Promisendungen auf, in denen er neben "echten" Promis posierte – was er auf Facebook bis heute fleissig macht – oder über die Familie Jackson Interviews gab. Er sei ein sehr guter Freund der Familie und habe, als er vor elf Jahren nach LA kam, seine erste Zeit bei Katherine Jackson verbracht, der Mutter von Michael Jackson – sagt er zumindest in diversen Interviews. Auf Google lassen sich ausserdem Fotos von Al Walser mit Barack Obama finden. In einem Video unterhielt sich Walser mit Obama über sein Heimatland Liechtenstein und über die Tatsache, dass Walser genau wie Obama einen farbigen und einen weissen Elternteil habe – seine Mutter ist Liechtensteinerin und sein Vater Kongolese. Zusätzlich sei er in seinem Heimatland der erste seiner Art gewesen.

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2010 produzierte Walser für Jürgen Drews' Tochter Joelina den Track "Trendsetter", auf dem er selbst den Backgroundsänger gibt und im Video Schweizer Kuhglocken durch die Luft wirbelt. Das Video feierte sogar an der Street Parade Premiere und steht sinnbildlich für die Neuausrichtung der Parade zu Beginn der 10er-Jahre. In den kommenden Jahren versuchte Al Walser sich vermehrt als DJ in der EDM-Szene zu etablieren, indem er – stets in einem Astronautenkostüm verkleidet – aktuelle EDM-Hits auflegte. In dieser Zeit begann Al Walser auch seine Zusammenarbeit mit den Glamour Girls, einem Damentrio, das in ihrem Video mit gross präsentierten Brüsten und wenig Kleidung mit Autotune-verzerrter Stimme durch Mallorca hüpft und "Ich bin besoffen auf Malle" schreit.

Als 2013 Al Walsers Track "I Can't Live Without You" plötzlich auf der Liste der für einen Grammy nominierten Dance-Tracks auftauchte, wirbelte das die Szene so auf, dass sich der Electro-Produzent Deadmau5 dazu veranlasst sah, ein Rant-Video gegen Al Walser zu veröffentlichen. Ausserdem warf der deutsche Musiker Zedd Walser vor, Teile aus einem seiner Stücke für den "Malibu"-Remix des Grammy-Nominierten Songs geklaut zu haben. Heute ist der Song und die Videos mittlerweile fast überall verschwunden.

Al Walsers Nomination war aber keineswegs Schummelei – er verstand es einfach, sich gut zu verkaufen. Al Walser war Mitglied der Grammy365 Plattform, eine Art interne Plattform für Grammy-Wähler, und bettelte dort konsequent bei seinen 4.100 Freunden um ihre Stimme, wie er der LA Times verriet. Da EDM zu dieser Zeit eine Randspalte war, die unter den Grammy-Wählern kaum Bedeutung hatte, reichte sein Engagement, um genügend Stimmen für eine Nomination zu erhalten. Bei der folgenden Grammy-Verleihung sorgte Al Walser für den vielleicht skurrilsten Moment seiner Karriere, als er im Astronautenkostüm mit einer Al Walser-Flagge über den roten Teppich spazierte und vor der versammelten Weltpresse seine ganz persönliche Landung auf dem Planet Grammy inszenierte.

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Damit sich Al Walser trotz eher bescheidenem Musiktalent eine kleine Karriere aufbauen konnte, musste er über Jahre viele Klinken putzen und perfektionierte diese Fähigkeit. Auf seinem Wikipediaeintrag versuchte er sich anscheinend mehrfach selbst jünger zu machen und unliebsame Passagen zu löschen, liest es sich in der Artikeldiskussion. Seinen Erfolg begründet Al Walser auch mit seiner wöchentlichen Radioshow, die weltweit in rund 70 Ländern ausgestrahlt werde und einer der grössten ihrer Art sei. Wie diese Zahl zustande kommt, lässt sich jedoch nicht beweisen – die Quellen verweisen immer auf Aussagen von Al Walser selbst. Seine Skills in Selbstvermarktung gab er zudem mit neun E-Books weiter, die er auf seiner Webseite vertreibt – mit Titeln wie "Stay Home! Get paid in your Pijamas" oder "Musicians Make It Big: An Insider Reveals the Secret Path to Break in Today's Music Industry". Auf YouTube schwirrt ein Video, in dem er sein persönliches Star-Consulting bewirbt: Für nur 250 Dollar bietet Al Walser an, deiner Karriere mit einem einzigen Telefonanruf auf die Sprünge zu helfen. Dass Al Walser ein eigenartiges Verhältnis zu Medien hat, bewiest er 2013, als er 20 Minuten ein selbstgeschriebenes Interview mit sich selbst schickte.

Nach fragwürdigem Grammy-Auftritt und einer Kurzkarriere auf Mallorca brach Al Walser schliesslich mit seiner EDM-Vergangenheit und setzte nochmal einen drauf. Im Video zu seinem Rocksong "I Want My Money Now" erschiesst er einen geldgierigen DJ auf seinem Filmset und anschliessend auch einen anwesenden Journalisten. Die offensichtliche Low-Budget-Produktion gewann anschliessend beim "New York International Independent Film and Video Festival Award" die Auszeichnung zum besten Musikvideos des Jahres – ein Award, bei dem die Teilnahme jedem offen steht, der 300 Dollar bezahlt und deshalb von der Filmplattform IMDb ausgeschlossen wurde. Gegenüber den Medien erklärte Al Walser den "Plot" des Videos damit, dass er genug von der EDM-Szene hätte und zu seinen musikalischen Wurzeln zurückkehren möchte.

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Al Walser mit Grammy-Award. (Foto: Facebook, Al Walser)

Jetzt, vier Jahre später und nachdem es ruhig um Al Walser wurde, darf er sich plötzlich doch noch Grammy-Gewinner nennen. Zumindest in einer Randkategorie innerhalb der 84 Auszeichnungen. Er war als einer von sieben Produzenten am Gewinner-Werk Presidential Suite: Eight Variations on Freedom von Ted Nash beteiligt. Am Tag nach den Grammy-Awards erreiche ich Al Walser kurz am Telefon und hake selbst nach.

Noisey: Hey Al, wie war die Grammy-Feier?
Al Walser: Ausgezeichnet, wir haben bis in die Morgenstunden gefeiert. Die Abläufe an den Grammys kenne ich ja schon zu gut, ich war da schon öfters dabei. Nach rund 45 Minuten auf dem roten Teppich folgte die grosse Zeremonie und anschliessend gingen wir gemeinsam an die offizielle Aftershowparty und später zogen wir noch nach Hollywood. Was hast du zur Grammy-ausgezeichneten Platte Presidential Suite: Eight Variations on Freedom effektiv beigetragen?
Das war ein langer Prozess. Angefangen bei der Produktion über Marketing bis hin zur Distribution – ich war in vielen Bereichen beteiligt. Zudem war ich bei den Konzerten auch dabei und habe viele Meet & Greets gemacht.

Kriegst du auch dein eigenes Grammophon?
Ja, das erhalten nur wir Produzenten und der Künstler selbst.

Was steht die nächsten Tage bei dir an?
Mein persönliches Highlight habe ich schon am Freitag hinter mich gebracht, meine alljährliche Pre-Grammy-Party, die ich organisiere. Unter anderem waren auch David Hasselhoff und alte Freunde von Elvis Presley dabei. Mit Hasselhoffs Tochter Taylor werde ich demnächst Songs produzieren, sowie auch das Album zu Roberto Blancos 80. Geburtstag. Die Arbeit geht also gleich wieder los.

Danke für das Gespräch, Al. Alles Gute auch weiterhin!
Danke, dir auch!

Ein Betrüger ist Al Walser nicht, das wäre vermessen zu sagen und würde dir wahrscheinlich nur eine Klagedrohung einbringen. Vielmehr ist er wie dein alter Schulfreund, der schon seit Jahren mit nur mässigem Erfolg versucht, mit seiner Rapperkarriere durchzustarten und dich unerbittlich auf Facebook mit Spamnachrichten eindeckt, in denen er dich dazu auffordert, für sein amateurhaft produziertes Video an irgendeinem Contest zu voten. Bloss hat Al Walser im gegensatz zu deinem Schulfreund gecheckt, wie er das System überlisten kann.

** Noisey Schweiz auf Facebook