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Berlin

Warum reden eigentlich alle von der Markthalle IX und was hat das mit Harald Juhnke zu tun?

Die Markthalle IX in Kreuzberg, in der sich am Streetfood Thursday Berlins Gourmets tummeln, ist eine der 14 historischen Markthallen der Stadt. Jeder redet immer nur über die Markthalle IX , aber was passiert eigentlich in den anderen?
Oberes Foto: Anton Diaz  | Flickr | CC BY 2.0

„Ich bin betrunken immer noch besser als andere nüchtern", soll Harald Juhnke einmal gesagt haben. Das denkt sich – so oder so ähnlich – vielleicht auch die Markthalle IX in Kreuzberg. In der Tat herrscht hier an einem „Streetfood Thursday" eine Art Trunkenheit, ein köstlicher Overkill. Jeder Teilzeit-Gourmet labt sich hier an internationalen Spezialitäten von Schwäbisch bis Neuseeländisch und blendet alles andere aus.

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Bis man an so einem Straßenfutter-Donnerstag erst mal in der Halle drin ist, dauert es schon lange. Überall Menschen. Schöne Menschen. Familien. Laute Musik. Alles voll. Keine Sitzplätze. Wenige Mülleimer. Alle schlängeln sich durch lange Schlangen. Dann der erste Feinschmeckersoßenfleck auf der Schulter. Stopp. Was geht eigentlich in den anderen Markthallen in dieser Stadt? Der Reihe nach:

Preußische Ordnung stopft hungrige Mäuler
Der Berliner Magistrat hatte zwischen den Jahren 1886 und 1892 insgesamt 14 Markthallen in Berlin errichten lassen. So sollte die stark wachsende Bevölkerung systematisch an zentralen Plätzen mit Lebensmitteln versorgt werden.

Zur gleichen Zeit hatte man die umliegenden Wochenmärkte geschlossen, da deren hygienische Bedingungen unmöglich waren. Rund 20 Wochenmärkte mussten bis zur Errichtung der 14 Markthallen über eine Million Menschen versorgen.

Die Hallen wurden von I bis XIV durchnummeriert und hatten ein einheitliches Bauschema – preußisch korrekt. Backstein, hohe Decken mit Oberlichtern, gusseiserne Stützen und Schmuckelemente. Vier dieser 14 Hallen sind noch als Markthallen in Betrieb.

Acker- und Marheinekehalle – Rewe und Rotkohl am Riesenimbiss
Die 1892 fertiggestellte Markthalle VI, die Ackerhalle in Mitte, ist die einzige Markthalle, deren Äußeres noch original erhalten ist. Doch Pulled Pork, Pizza und Pastrami wie an einem „Streetfood Thursday" in Kreuzberg gibt's hier höchstens tiefgekühlt im gefühlt größten Rewe der Welt.

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Apropos Kreuzberg. In keinem Berlin-Reiseführer fehlt die Marheinekehalle. Die Lage an der Bergmannstraße macht's möglich, dass sie eine Attraktion ist. Auf 2500 Quadratmetern gibt es hier unter anderem Fleisch und Fisch, italienischen Käse und spanische Wurst, kandierte Früchte und Antipasti.

Die Marheinekehalle wurde zwar im Zweiten Weltkrieg wie viele der Markthallen zerstört, jedoch in den Fünfzigern wieder errichtet. Leider entspricht sie daher vom Charme her nicht den Markthallen des 19. Jahrhunderts.

Eher ist die Marheinekehalle die nüchterne, solide Markthalle von nebenan. Die seitliche Glasfront mit einer meterlangen Theke wirkt wie ein etwas zu groß geratener Imbiss: Gyros, Rotkohl und Bio-Burger reichen sich hier das Besteck in die Hand.

Die Arminiushalle: Endlich normale Leute!
Warum also nicht mal ein bisschen weiter rausfahren? Die Arminiushalle liegt wie eine kleine Insel hinter der Turmstraße in Moabit. Sie hört auf Nummer X und ist ein bisschen wie der gesetztere Bruder der Markthalle IX: Ein Jazzpianist spielt, es riecht nach dem Aftershave alter Männer.

Die Architektur entspricht dem preußischen Vorbild. Es gibt deftige Hausmannskost, Fish and Chips, aber auch Austern und Champagner. An den Buden stehen eingefleischte Metzger mit Pläte und weißem Haarkranz – endlich normale Leute!

Ein unerwarteter Gast
Hinter den Ständen sitzt ein Mann mit kurzem, grauen Scheitel alleine an einem dunklen Holzschreibtisch, der auf einem pinken Podest steht. Er wischt auf seinem Tablet-PC herum, neben ihm stehen ein Porzellanteller mit Krümeln und ein leerer Kaffeepott.

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„Ich hatte drei halbe Hackepeterbrötchen und einen Kaffee mit Milch. Eigentlich war ich mit den Kollegen von der CDU hier verabredet – die haben mich versetzt", sagt der etwa 50-Jährige. Auf der Nase trägt er eine blaue Brille, die fast so rund ist wie er.

„Thorsten Lüthke ist mein Name." Er ist Mitglied der SPD-Fraktion Mitte und erinnert sich an das Jahr 2010, als es darum ging, die Markthalle an einen Investor zu verkaufen. Man sei erst skeptisch gewesen, aber die Arminiushalle sei ohnehin fast tot gewesen.

„Alkohol funktioniert in Moabit immer gut"
Es habe nur noch wenige Verkaufsstände gegeben. „Ohne den Investor wäre es hier heute genauso scheiße wie früher. Heute gibt es hier tolles Fleisch und sehr vernünftigen deutschen Wein…und Alkohol funktioniert in Moabit ja immer ganz gut", sagt er und lacht herzhaft.

Das Publikum in der Arminiushalle ist gemischt, zum großen Teil sind es ältere Leute. Es kämen mittlerweile immer öfter Studenten in die Markthalle: „Das ist genau das, was die jungen Leute wollen", meint Thorsten Lüthke. „Der Kiez verändert sich und die Halle verändert sich."

Werner brutzelt noch, Harald nicht mehr
Tatsächlich existieren hier neue, kleine Restaurants neben alteingesessenen Imbissbuden wie „Werner's Brutzel-Ecke". Dort gibt es Filterkaffee und Thorsten Lüthkes Lieblingshackepeterbrötchen.

Ein ganz besonderer Imbiss in der Arminiushalle ist der „Hallen-Imbiss" direkt links am Eingang. Der Imbiss mit dem unschlagbaren Namen diente lange als Kulisse für die ehemalige ARD-Vorabendserie „Drei Damen vom Grill", in der übrigens auch Harald Juhnke einen sitzen, pardon, eine Rolle hatte. Gott habe ihn selig.