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was isch jetzt?

„Fußball-Mafia DFB/DFL, fickt euch!"—eine sprachliche Analyse

Selten gab es in 144 Pixeln ehrlichere Worte zu hören als die von zwei KSC-Fans nach dem Abstieg gegen den HSV. Dabei waren ihre Aussagen nicht nur witzig sondern rhetorisch unglaublich geschickt.

Die Ohnmacht ist ein ständiger Begleiter des Fußball-Anhängers. Sie äußert sich in vielen Situationen. Zum Beispiel, wenn du weißt, dass deine Mannschaft kann, aber offensichtlich nicht will. Doch am Schlimmsten ist es, wenn sie kann und will, aber dann doch nicht gelassen wird. So geschah es am Montag in der Relegation des Karslruher SC gegen den Hamburger SV. In der neunzigsten Minute pfiff Schiedsrichter Manuel Gräfe ein Handspiel der Karlsruher, das man auf keinen Fall geben muss. Marcelo Diaz schlenzte den HSV zunächst in die Verlängerung und schließlich zum Klassenerhalt.

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Man hat gedacht, dass der HSV seinen letzten Funken Karma aufgebraucht hat. Aber nein, am Ende traf es den Kleinen, der es doch eigentlich mehr verdient hatte. Während unser einer sich einmal kurz aufregen durfte, konnten einem die KSC-Fans wirklich leid tun.

Ihrem Unmut gaben zwei Badener in einem Interview mit RTL Luft. Doch diese 29 Sekunden sind mehr als nur pure Unterhaltung, sie sind auch ein ungefiltertes Zeugnis des Seelenlebens eines deutschen Fußballfans. Ehrliche Worte, die mit einer unglaublichen sprachlichen Rhetorik geäußert wurden. Wir haben uns die Aussagen nochmal genau angeschaut und sie sprachlich interpretiert.

Der Greefe. Is ja typisch Fußball-Mafia DFB, DFL!

Fan A lässt keinen großen Interpretationsspielraum zu und spricht sofort Klartext, um gleich mal deutlich zu machen, auf wessen Kappe dieser Nicht-Aufstieg geht. Die generalisierende Pejoration „Fußball-Mafia", die so beliebt und gleichzeitig betagt ist, wird herangezogen, um dem Sündenbock ein Gesicht zu geben. Das müsste im hiesigen Fall zwar die DFL sein, aber die ist eben nicht so präsent wie der DFB, der ja auch irgendwie mit der FIFA zu tun hat. Der Kamm reicht jedenfalls für beide.

Mir lasse die do net sterbe!

Eine sehr schöne rhetorische Figur. Um DFB und DFL lächerlich zu machen, wechselt er in ihre Perspektive und bietet eine volle Ladung Sarkasmus. „Sterben" ist in dem Fall Metapher und Hyperbel (eine extreme Übertreibung) in einem. Obwohl: Der Mythos des Dinos wäre gestorben, hätte Gräfe nicht gepfiffen. Allerdings kann man die Begründung für das Handeln nur erahnen.

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So ein Arschloch! Hat alles verpfiffe! Kein Elfmeder!

Denn von der Seite grätscht Fan B rein und nimmt wie sein Kollege sofort Bezug auf den Schiedsrichter. Während erster allerdings versucht hat, eine argumentative Ebene hineinzubringen, bleibt es bei Fan B unreflektierter Zorn, der sich in kurzen Exklamationen deutlich macht. Vor lauter Wut hat er glatt vergessen, dass der „Elfmeder" eigentlich ein Freistoß war. Es schimpft sich ja auch leichter über Elfmeter.

Mir wäre aufgestiege! Und jetzt? Was isch jetzt? Der HSV isch weider in der Bundesliga!

Und auch diese Formulierung ist pure Kunst. Fan B gibt eine inhaltliche Einordnung, dass man ohne die Fehlentscheidung nächste Saison in der Bundesliga spielen würde. Dann feuert er pleonastisch zwei rhetorische Fragen hinterher. Der letzte Satz als Höhepunkt kommt ganz ohne rhetorische Mittel und Beleidigungen aus. Der HSV isch weider in der Bundesliga—der Horror erklärt sich alleine durch den Sachverhalt.

So ein Dreck! Verpfeive! Dieser Gräfe isch ei riese Arschloch!

Wieder sind es Interjektionen, mit denen Fan B operiert. Seine Conclusio ist eine sorgsam gewählte Klimax: Der Gräfe—So ein Arschloch—Dieser Gräfe isch ei riese Arschloch!

Große Vereine redde ma und kleine, die es verdient habe, die bleibe einfach am Bode.

Fan A meldet sich zurück und damit auch die inhaltliche Tiefe. Wieder erzählt er aus der Perspektive des DFB bzw. der DFL, doch es schleicht sich ein Fehler ein. Würde er weiterhin aus der Perspektive der Fußballmafia sprechen, würde er Begriffe wie „verdient habe" und „einfach" nicht verwenden. Die Ausdrücke wären abwertender, diffamierender.

Fußball-Mafia DFB/DFL, fickt euch!

Auch ihm gelingt es, zum Schluss den Bogen zu spannen. Wir haben ein grundlegendes Verständnis dafür bekommen, dass die Fußballmafia den KSC nicht aufsteigen sehen wollte. Allerdings fehlt ein wenig die inhaltliche Tiefe. Natürlich vermuten wir wirtschaftliche Interessen—aber was ist mit Prestige? Könnte die Liga noch einen „Kleinen" neben Ingolstadt und Darmstadt vertragen? All das sind Themen, auf die die Beiden verzichtet haben. Ich glaube aber nicht, weil sie die Punkte nicht auf dem Schirm hatten, sondern weil sie sich ihrer rhetorischen Qualität bewusst waren. Weniger war in diesem Fall so viel mehr!

Folgt Toni bei Twitter: @sopranovic