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​RB-Fans werfen Hatern Nazi-Rhetorik vor, aber kein Fan kann sie verstehen

Die RB-Fangruppierung „Red Aces" zerpflückt die „Nein zu Rb"-Kampagne und kritisiert den eigenen Klub. Das Problem: Ihr Manifest erinnert an eine Doktorarbeit der Philosophie.
Foto: Imago

„Warum die 'Nein zu Rb'-Kampagne zu kritisieren ist", titelte die RB-Leipzig-Fangruppierung „Red Aces" auf ihrer Website. In dem Blogeintrag beklagt sich die Gruppe über die flächendeckende Kampagne, der sich in ganz Deutschland fast jede Fanszene angeschlossen hat. Sie kritisieren besonders die „unreflektierte, regressive Fankultur" und deren „strukturell antisemitische Argumentationsweise", wenn es um die Kritik an RB Leipzig geht. Der ganze Text hat jedoch ein großes Problem: Die Kritik wird kaum jemanden erreichen, da das Red-Aces-Manifest an eine komplexe Doktorarbeit der Philosophie erinnert.

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„Boykottaufrufe, Bullen schlachten und Dosenstechen lässt die Darstellenden alte Requisiten der Verhältnisse entstauben und postum einer neuen Verwertbarkeitslogik unterziehen, die zum Ziel hat, ein postmodernes Schema einer heilen Welt zu proklamieren", heißt es als Erklärung dazu, wie altbekannte Parolen wiederverwendet werden, um die vereinsübergreifende Hexenjagd von Fußballdeutschland auf RB Leipzig zu stützen. Die Folgesätze sträuben ebenfalls von einer sehr geisteswissenschaftlich geprägten Schreibweise, die sowohl den Durchschnittsfan als auch den gängigen RB-Hasser entweder abschrecken oder unwissend zurücklassen wird. „Die zwei Seiten sind in diesem Fall leicht auszumachen—zwischen Gut und Böse passen dabei höchstens noch krude Schulterschlüsse in Zweckbündnissen und struktureller Antisemitismus."

„WIR SIND E1NS"—wie sich Leipzig mit RB überidentifiziert

Mit „Zweckbündnissen" verurteilen die „Red Aces", dass durch die „Konstruktion eines Feindbildes Wir-Gruppen gebildet werden" und eine Verbrüderung von völlig verschiedenen Gruppierungen—entgegen der eigenen Wertvorstellungen—stattfindet. „Dabei finden sich Szenen wie die Crew Eleven Aalen, an ihrer Spitze der NPD Funktionär Dominik Stürmer (Kreisvorsitzender Ostalb), mit denen vermeintlich linke Ultras kollaborieren, wenn es darum geht, ein gemeinsames Feinbild zu zerstören." Die Kritik an RB habe laut den „Red Aces" Auswüchse erreicht, die sie als strukturell antisemitisch bezeichnen:

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Struktureller Antisemitismus, wenn die Kapitalisierung des Fußballs mit dem Handeln eines Strippenziehers verglichen, von Rattenball Leipzig und von einem Handeln gegen Wertlose gesprochen, deren Produkte man zu boykottieren habe und die Akkumulation von Kapital als Raffgier Einzelner personifiziert wird, charakterisiert die Selbstpositionierung als Schädlingsbekämpfer den strukturellen Antisemitismusbegriff auf ein Genaustes.

Ohne dem Großteil der deutschen Fanszene zu nahe treten zu wollen, kann man davon ausgehen, dass kaum ein Fan wirklich versteht, was die „Red Aces" erklären wollen. Über das eigene Verhalten wird bei dieser Wortwahl wohl kaum ein RB-Hasser reflektieren—wenn sie den Text überhaupt bis zur Mitte gelesen haben. Dabei wurde der Vorwurf des strukturellen Antisemitismus in Bezug auf die Kritik an RB Leipzig schon wesentlich einfacher erklärt.

„„Stellt sie an die Wand"——Wie sich die Kritik an RB Leipzig der Nazi-Rhetorik bedient

Während der gängige RB-Fan als blinder Event-Kunde des „Produkts" RB Leipzig gilt, trifft diese Beschreibung für die „Red Aces" weniger zu. Die nicht-offizielle Fangruppe gründete sich aus Mitgliedern des offiziellen RB-Fanclubs „L.E. Bulls" und ruft selbst aus, „als selbstbestimmter Fan in der Kurve stehen zu dürfen und nicht als ein dem Investor dienender Quotenanhänger zu funktionieren." Ihre Vision ist, als „selbstdenkende und selbstbestimmte Fans wahrgenommen" zu werden. Neben der Kritik an den Hatern von RB Leipzig bemängelt die Gruppe auch die „kapitalistischen Unterdrückungsmechanismen" des eigenen Klubs.

Ob es ein neues Stadion ist, oder die verdeckte Personalisierung der Auswärtstickets, es wird stetig versucht, Risiken zu minimieren und nonkonformistische Ausdrucksformen zu absorbieren, weil die Furcht, über den Verlust der zentralen Kontrolle, eminenten Charakter aufweist.

Leider wurden auch die vereinskritischen Worte der Gruppe unnötig kompliziert verfasst, dass sie auch kaum ein RB-Fan versteht. Es stellt sich die Frage, wen die Gruppe mit diesem Text erreichen wollte. Und ob sich der Autor durch seine aufgesetzt intellektuelle Schreibweise vielleicht einfach nur weniger angreifbar machen wollte. Denkanstöße bietet der Text nur wenigen Lesern. Auch verständlich erklärter RB-Kritik, wie zum Beispiel aus der Freiburger Fanszene, konnte der Text der Red Aces kaum etwas entgegensetzen. Die Gruppe „Corrillo Ultras" beschäftigte sich mit RB als Ganzes und die „Supporters Crew" unter anderem mit dem Vorwurf des strukturellen Antisemitismus und der regressiven Kapitalismuskritik.

Die Abschreckung der wissenschaftlich anmutenden Zeilen ist so hoch, dass wohl lediglich solche Leute den Text (bis zum Ende) lesen werden, die sowieso keine radikalen RB-Gegner sind. Die durchaus berechtigten Vorwürfe, dass die RB-Leipzig-Kritik meist nicht sachlich sei, „Schädlingsbekämpfer"- und „Rattenball"-T-Shirts an antisemitische NS-Propaganda erinnern und der RB Leipzig demokratischen Vereinsstatuten nicht gerecht werde, erreicht weder die RB-Hasser noch die eigenen Fans. Dabei wollen die „Red Aces" die eigenen Fans mündig und den RB Leipzig bei anderen Fanszenen zu einem anerkannten Verein machen.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie