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Sexismus

Was du tun kannst, wenn dein Fahrlehrer dir zu nahe kommt

Wenn ein Fahrlehrer dich berührt oder verbal belästigt, fällt es oft schwer, sich zu wehren. So kommst du da trotzdem raus.
Symbolbild | Foto: Grey Hutton

"Ist das schon sexuelle Belästigung?", fragen zahlreiche junge Frauen in Foren, die von Vorfällen mit Fahrlehrern berichten. Sie schreiben von "zufälligen" Berührungen, von sexuellen Anspielungen.

Zwei von drei Frauen in Deutschland erleben laut des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sexuelle Belästigung, in zwölf Prozent der Anrufe beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" geht es um "Vorfälle sexualisierter Grenzüberschreitung". Wie oft solche Überschreitungen während Fahrstunden passieren, weiß niemand, denn es wird nicht statistisch erfasst – da viele Fälle nicht gemeldet werden, ist die Dunkelziffer hoch. Gespräche mit Beratungsstellen, Forumseinträge und Gerichtsurteile legen nahe: Die bekannten Berichte über solche Vorfälle bilden nur einen geringen Teil des tatsächlichen Ausmaßes ab.

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Wenn eine Frau im Club plötzlich eine fremde Hand auf dem Arsch hat, kann sie die Türsteher holen, und der Typ wird rausgeworfen. Das kostet viel Überwindung, aber es ist sofort möglich. Im Auto zu reagieren, ist schwieriger. "Das kann Angst und Hilflosigkeit auslösen – ein ganz furchtbares Gefühl", sagt Sibylle Ruschmeier vom Frauennotruf Hamburg zu VICE. Berührungen an Oberschenkel, Schulter oder Brüsten passieren oft "zufällig". Hinzu kommt: Der Mann neben dir ist kein Fremder. Und er ist eine Autoritätsperson: Er zeigt dir, wie man ein Auto fährt; er bewertet, wie du dich anstellst; an ihm hängt, wann du deine Fahrprüfung machen kannst – und damit auch, wie viel der Führerschein am Ende kostet. All das macht es noch schwerer, unangenehme Situationen anzusprechen und sich zu wehren.

Was kannst du also tun, wenn du dich fragst: Was war das gerade? Wie kann ich mich wehren?

1. Rede darüber

Mit jedem, mit dem du reden möchtest. Seine Kommentare, seine Blicke geben dir ein ungutes Gefühl? Erzähl es Freunden, Eltern, oder wende dich an anonyme Beratungsstellen wie das Hilfetelefon oder die Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen. Sie können dir helfen zu verstehen, was eigentlich genau passiert ist, und warum es dir damit schlecht geht. Außerdem können die Berater dir Tipps geben, um aus der unangenehmen Situation herauszukommen.

Und noch ein Rat ist Sibylle Ruschmeier vom Frauennotruf wichtig: Denke nie, dein Fall wäre "zu wenig schlimm", um darüber zu reden und dir Hilfe zu holen. Dafür sind sie da: um eine anonyme Beratung zu geben, eine fachkundige Einschätzung der Situation zu treffen.

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2. Du musst es nicht ertragen

Alle Fahrlehrerverbände sagten gegenüber VICE: Frauen sollten sexuelle Belästigung auf keinen Fall hinnehmen, es gebe "null Toleranz".

"Selbst wenn ein Fahrlehrer Berührungen scheinbar zufällig ausübt, macht es das nicht zu einer Bagatelle, es ist eine sexualisierte Grenzüberschreitung", sagt Sibylle Ruschmeier. Nicht oft genug könne man sich klarmachen: Wenn jemand dich berührt und du dich unwohl dabei fühlst, bist niemals du daran schuld. Ein Fahrlehrer kann dir das Autofahren beibringen, ohne dich dabei an intimen Stellen anzufassen. Es liegt nicht an deinem Outfit, du trägst keine Verantwortung für das Verhalten des Mannes, und vermutlich bist du auch nicht die einzige, die er bedrängt.

Ruschmeier kann aus Erfahrung beim Frauennotruf sagen, dass Belästigung oft einem Muster folgt: "Der wird das nicht nur einmal machen, der wird das öfter machen."

Doch auch wenn es "nur" um Sprüche geht, die dir unangenehm sind; du dich in der Nähe des Fahrlehrers unwohl fühlst: Geh nicht mehr hin. Selbst wenn Extrakosten entstehen sollten: Sie sind es sicher nicht wert, Dinge auszuhalten, die du nicht möchtest.

3. Wechsel den Fahrlehrer

Fragt man Fahrlehrerverbände, lautet der häufigste Ratschlag: Wechsel den Lehrer innerhalb der Schule, bevor du dich noch durch ein Dutzend weiterer Stunden quälst. Oder such dir notfalls eine neue Fahrschule. Wenn du dich unwohl fühlst, dieses Gespräch alleine zu führen, nimm jemanden mit, der dich unterstützt. Du musst das nicht alleine aushalten, du kannst ja nichts dafür. Sei stolz, dass du darüber gesprochen hast und dich selbst schützt, indem du eine weitere unangenehme Situation umgehst.

4. Je nach Fall: Zeig deinen Fahrlehrer an

Deinen Fall kannst du bei der Fahrerlaubnisbehörde melden. Je mehr Frauen sich dort beschweren, desto schneller wird sichtbar, wenn ein Fahrlehrer immer wieder übergriffig wird. Außerdem kannst du dich jederzeit bei dem Fahrlehrerverband deines Bundeslandes melden, auch anonym.

Bei Frauenberatungsstellen kannst du dich auch informieren, ob eine Klage in deinem Fall sinnvoll ist. Seit November 2016 ist sexuelle Belästigung strafbar. Um es klar zu machen: Dich gegen deinen Willen zu berühren, an Po, Brüsten oder plötzlich zu küssen, ist per Gesetz verboten. Dem Täter droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Das Strafmaß ist auch so scharf, weil die Politik Frauen Mut machen wollte, sich zu wehren. Dich zu wehren, ist also dein gutes Recht.

Unseren Report über sexuelle Übergriffe durch Fahrlehrer kannst du hier lesen. Willst du VICE deine eigene Geschichte erzählen, erreichst du uns unter Fahrschule@vice.com.

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