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Machen Smartphones unsere Augen kaputt? Das sagt die Wissenschaft

Ständig warnen Forschende, dass Laptops und Smartphones kurzsichtig machen. Kopfweh und schlechten Schlaf sollen sie auch verursachen. Stimmt das? Der Faktencheck für Bildschirm-Phobiker.
Frau am Bildschirm
Bild: Shutterstock | Kaspars Grinvalds | Bearbeitung: Motherboard

Demnächst werden wir alle blind, weil wir zuviel auf Fernseher, Monitore und Telefone glotzen – das jedenfalls könnte man befürchten, wenn man einigen Schlagzeilen großer Medien glaubt. "Smartphones machen die Augen kaputt", schreibt "Chip.de". Die "Welt" erklärt: "So ruinieren wir unsere Augen" und nennt das ganze eine "neue Seuche". Und die Redakteure von Wissenschaft.de haben sich sogar ein neues Wort ausgedacht: "cyberkrank".

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Die Angst, durch exzessiven Medienkonsum die Augen zu schädigen, gibt es schon deutlich länger als Computer. Sätze wie "Lies nicht zuviel, dann wirst du kurzsichtig" bekamen wohl schon unsere Großeltern zu hören. Bei unseren Eltern hieß es dann: "Guck nicht so viel Fernsehen, sonst bekommst du eckige Augen." Die Sorge, dass Arbeit am PC schlecht für die Augen sein könne, ging schon Anfang der 1990er Jahre um, als noch längst nicht in jedem Haushalt ein Windows-3.0-Computer stand.

Trotz allem kann ein Großteil der Menschheit offenbar immer noch erstaunlich gut sehen. Heißt das also, ganze Generationen aus Eltern und Großeltern haben sich grundlos um die Augen ihrer Kinder gesorgt? Ganz so einfach ist es nicht: Ein paar Dinge sollten wir unseren Augen wirklich nicht zumuten. Hier kommen sechs verbreitete Mythen über Bildschirme – und was wirklich dahinter steckt.

1. Wer zu viel am Bildschirm liest, wird kurzsichtig

Gut möglich, dass manche Eltern einfach nur ihre Kinder zum Schlafen bewegen möchten, wenn sie sagen: "Lies nicht so viel, sonst wirst du kurzsichtig". Doch nach Stand der Wissenschaft ist da wahrscheinlich etwas dran. Häufig liegt Kurzsichtigkeit an der Länge des Augapfels. Die Lichtstrahlen, die durch die Augenlinse gebündelt werden, fokussieren an der falschen Stelle: Man sieht verschwommen. Ist dein Augapfel zu lang, bist du kurzsichtig, ist er zu kurz, bist du weitsichtig. Das ist eigentlich rein genetisch bedingt.

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Allerdings nimmt Kurzsichtigkeit stark zu, wie eine viel beachtete Studie zeigt, an der zahlreiche Forscher aus mehreren europäischen Ländern gearbeitet haben. Besonders stark betroffen ist die Gruppe der 25 bis 29-jährigen. Von denen brauchen mittlerweile 47 Prozent eine Brille. Mit genetischer Vererbung allein ist das kaum noch zu erklären. Da liegt der Verdacht nahe, dass jüngere Menschen schlechter sehen, weil sie mehr auf Bildschirme schauen. Bewiesen ist dieser Zusammenhang allerdings nicht.

Es könnte auch sein, dass die zunehmende Kurzsichtigkeit ganz allgemein am häufigen Lesen liegt. Darauf deutet ein Ergebnis der Gutenberg-Gesundheitsstudie der Uni Mainz hin, wonach es einen Zusammenhang zwischen höheren Bildungsabschlüssen und Kurzsichtigkeit gibt. Und die amerikanische Gesellschaft für Augenheilkunde fand heraus, dass Kinder nicht so leicht kurzsichtig werden, wenn sie sich viel an der frischen Luft aufhalten.

2. Licht von Bildschirmen verursacht Schlafprobleme

Unsere innere Uhr sorgt dafür, dass wir abends müde werden und morgens aufwachen. Sind wir dem Blaulichtanteil des Sonnenlichts ausgesetzt, schüttet die Zirbeldrüse im Gehirn das Hormon Serotonin aus, das uns wach macht. Umgekehrt führt ausbleibendes Licht zur Produktion von Melatonin, von dem wir schläfrig werden. Menschen, die im Winter nicht richtig wach werden, schwören deshalb auf Tagesichtlampen. Umgekehrt halten uns Bildschirme und LED-Lampen mit ihrem hohen Blaulichtanteil tendenziell wach.

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Das belegen mittlerweile eine ganze Reihe von Studien, zum Beispiel ein Experiment am Zentrum für Chronobiologie an der Uni Basel. Die Forscher ließen jugendliche abends auf Displays lesen. Einige bekamen dabei eine Brille mit Blaufilter, andere nicht. Ergebnis: Bei denjenigen, die einen Blaufilter benutzt hatten, fand sich mehr vom Schlafhormon Melatonin im Speichel und sie fühlten sich vor dem Einschlafen schläfriger.

Für gutes Einschlafen ist es also tatsächlich besser, ein Buch auf Papier oder mit einem eBook-Reader zu lesen. Wer sich gar nicht vom Bildschirm trennen möchte, kann zumindest die Farbtemperatur des Displays nachts in den rötlichen Bereich verschieben. Einige neuere Smartphones liefern ab Werk schon sogenannte Blaulichtfilter mit; ansonsten helfen auch entsprechende Apps.

3. Wer zu lang am Bildschirm sitzt, bekommt Kopfweh

Mir ging es selbst so: Jahrelang hatte ich häufig Kopfschmerzen, war manchmal sogar tagelang krank geschrieben, aber kein Arzt konnte die Ursache finden. Als Übeltäter stellte sich schließlich meine Brille heraus: Ein Optiker muss die Werte für das rechte und das linke Brillenglas vertauscht haben. Das fiel erst auf, als mal wieder ein neues Gestell fällig wurde, und seitdem sind die Kopfschmerzen verschwunden.

Derlei anekdotische Evidenz ist kein wissenschaftlicher Beweis, aber tatsächlich deutet die Studienlage darauf hin, dass eine Überanstrengung der Augen Kopfschmerzen verursachen kann. Allerdings ist unklar, wie sehr es wirklich an den Augen liegt. Wenn du nach längerer Zeit vor dem PC Stress und Verspannungen hast, kann auch allein das zu Kopfschmerzen führen. Ob du dich am Arbeitsplatz wohl fühlst, hängt auch davon ab, wie du sitzt, ob dein Monitor richtig eingestellt ist und vieles mehr. Klingt kompliziert, aber zum Glück gibt es für sowas Tutorials.

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4. Ist die Strahlung von Bildschirmen ungesund?

Die Hersteller von klobigen Kathodenstrahlröhren in alten Monitoren und Fernsehern mussten noch sicherstellen, dass ihre Geräte keine Röntgenstrahlen abgeben. Von Flachbildschirmen gehen nur noch elektromagnetische Felder aus, die zu schwach sind, um Menschen zu beeinträchtigen, und ganz normales Licht.

Unklar ist noch, ob der hohe Blauanteil von Bildschirmlicht unbedenklich ist – und zwar nicht nur, weil wir dann möglicherweise schlechter schlafen. Eigentlich brauchen wir blaues Licht, um wach zu sein, aber zu viel davon könnte möglicherweise der Netzhaut schaden.


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Grund für diesen Verdacht ist ein Tierexperiment am französischen Forschungsinstitut Inserm. Die Forscher setzten Ratten für 24 Stunden unter normale Lampen und solche mit LED-Birnen, die bauartbedingt einen besonders hohen Blauanteil haben. Bei den Tieren, die im LED-Licht saßen, fanden sie Anzeichen von Schäden an der Netzhaut des Auges.

Offen bleibt, ob dieses Tierexperiment auf den Menschen übertragbar ist. Und ob Bildschirme auch schädlich sind, die schließlich wesentlich weniger hell leuchten als Lampen. Die gesetzliche Unfallversicherung der Verwaltungsberufsgenossenschaft wollte es genauer wissen. Sie beauftragte Chriostoph Schlierz von der Abteilung für Lichttechnik an der TU Ilmenau, die Strahlenintensität von Monitoren zu messen. Er kam zu dem Ergebnis, dass selbst sehr helle Monitore weit unter den gesetzlichen Grenzwerten bleiben. Hier kann also eher Entwarnung gegeben werden.

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5. Von Bildschirmarbeit bekommt man trockene Augen

Wenn eure Augen jucken oder tränen kann das an einer Allergie liegen – oder ihr habt trockene Augen, die mehr Tränenflüssigkeit brauchen. Das kann vielfältige Ursachen haben, aber viele Studien deuten darauf hin, dass Bildschirmarbeit dazu gehört.

Die Frage ist auch deshalb schwierig zu beantworten, weil noch nicht abschließend geklärt ist, warum genau Bildschirmarbeit zu trockenen Augen führt. Einige Ursachen können ungünstige Raumtemperatur oder Luftfeuchtigkeit sein. Offenbar blinzeln wir einfach seltener, wenn wir längere Zeit auf Bildschirme schauen, wodurch die Augen weniger Tränenflüssigkeit produzieren. Verschlimmert wird das ganze noch, wenn du Kontaktlinsen trägst. Es kann also besser sein, wenn du sie am Schreibtisch herausnimmst und stattdessen eine Brille aufsetzt.

6. Man sollte jede Stunde eine Bildschirmpause machen

In deinem Auge sitzt ein Muskel, der die Form der Linse verändert. Auf diese Weise kannst du dein Auge auf nahe oder entfernte Dinge scharf stellen. Das heißt: Wenn du lange im gleichen Abstand auf dein Display schaust, wird dieser Muskel viel zu wenig beansprucht. Und das rächt sich – wie bei jedem anderen Muskel auch.

Oft reicht es schon, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen oder die Augen zu schließen. Als Empfehlung ist in Ratgebern oft die 20-20-20-Regel zu lesen. Sie besagt: Schaue alle 20 Minuten für 20 Sekunden auf etwas, das 20 Fuß, also etwa 6 Meter, weit entfernt ist. Mit den Zahlen muss man es wohl nicht ganz so genau nehmen. Aber an dem Ratschlag ist etwas dran: Es gibt dafür sogar eine offizielle Regelung, die Arbeitsstättenverordnung. Sie besagt, dass Chefs ihren Angestellten Pausen gewähren müssen, wenn sie ständig am Bildschirm sitzen. Leider steht in der Verordnung nicht, wie oft und wie lange.

Fazit: Lass den Bildschirm an, aber gönn dir Pausen

Derzeit gibt es noch keine abschließende Antwort auf die Frage, ab wann und wie sehr Bildschirme den Augen nachweislich schaden. Es ist auf jeden Fall eine gute Idee, regelmäßig Sehpausen einzulegen oder Blaufilter und Dark-Modes zu nutzen.

Wenn du trotzdem ständig Kopfschmerzen bekommst oder die Buchstaben auf dem Bildschirm tanzen und verschwimmen, solltest du natürlich deine Augen checken lassen. Sicher ist, dass du weiterhin unbesorgt Motherboard lesen kannst, ohne dadurch zu erblinden.

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