Prezident im Interview – Troll-Rap aus der "rechtsintellektuellen" Kommentarspalte
Alle Fotos: Rebecca Rütten

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Prezident im Interview – Troll-Rap aus der "rechtsintellektuellen" Kommentarspalte

Auf seinem neuen Album 'Du hast mich schon verstanden' schießt der Wuppertaler Rapper Prezident gegen "Linksgrünversiffte", Emanzen und #MeToo. Meint er das ernst?

Sollte man mit Personen, die mit rechten Positionen flirten, öffentlich diskutieren? Die feministische Autorin Laurie Penny hat auf diese Frage im Fall von Milo Yiannopoulos mal eine recht deutliche Antwort gefunden: Nein. "Nicht weil ich Angst habe, dass er gewinnt, sondern weil ich weiß, dass er gewinnt. Weil es mir wichtig ist und ihm nicht – was bedeutet, dass er bereits gewonnen hat." An diese Aussage muss ich denken, als ich mit Prezident in einer Berliner Eckkneipe sitze. Der Wuppertaler Rapper war bisher vor allem als vergeistigter Geheimtipp bekannt, ein studierter Literatur-Nerd, der Schmerz und die Unsinnigkeit des Seins in düstere Songs gießt. Dann kamen mit "Ich geh dir liebend gern die Extrameile auf den Sack", "Über zwei verschiedenen Arten des Gutseins" und "Du hast mich schon verstanden" drei Songs, die sich im besten Fall als Trollrap Mitte Rechts, im schlechtesten als vertonter AfD-Facebookpost interpretieren lassen. Das klare Feindbild: Emanzen, linksliberale "Refugees Welcome"-Plakatträger, Deutschrapjournalisten, und worüber man sich in YouTube-Kommentarspalten eben sonst noch so echauffiert. Du hast mich schon verstanden, das Album, erscheint heute (20.07.2018) und sieht aus, als hätte die heute-show das Cover gephotoshoppt. Meint Prezident das ernst? Nun, zumindest so ernst, dass er in einem Videointerview gegen "linksgrünversiffte" Gutmenschen schoss und sich zum "Rechtsintellektuellen" erhob. Nur: Selbst wenn das Ganze ein bewusst kontrovers aufgezogenes Gedankenspiel sein soll – diese Positionen sind ja real. Sie sitzen mittlerweile im Bundestag und vergiften das politische Klima in Deutschland. Die Barfrau zündet unsere Tischkerze an. Wir müssen reden.

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Noisey: Ich finde es beinahe lustig, dass dein Album Du hast mich schon verstanden heißt. Ich habe nämlich überhaupt nicht verstanden, was du damit sagen möchtest.
Prezident: Das ist ja so ein bisschen der Witz daran. Es hat einerseits diesen reaktionären Tonfall – so wie dein Vater dir sagt "Du hast mich schon verstanden! Geh auf dein Zimmer". Aber an sich ist der Titel bewusst ironisch. Es geht gerade nicht darum, eine eindeutige Aussage zu transportieren. Deswegen ist im Artwork auch dieses umgedrehte Fragezeichen, das Zeichen für Ironie, wodurch der Titel dann wieder mehrfach ironisch wird. Und dann ist das Ironiesymbol natürlich auch wieder so ein obsoletes Zeichen, weil es halt die Ironie vorzeitig auflöst und damit die Ironie kaputt macht. Das Ironiezeichen an sich ist also auch schon wieder ironisch.

Und wenn wir dann diese 50 Ironierunden gedreht haben – meinst du das am Ende ernst oder nicht?
Ich würde es als Lizenz von Kunst sehen, diese Antworten nicht liefern zu müssen, sondern Sachen erstmal in Frage zu stellen. Ich sage auf dem Album nichts, was nicht schon bei South Park oder den Simpsons gesagt wurde. Mir ist in letzter Zeit ganz stark aufgefallen, dass zum Beispiel Zugezogen Maskulin exakt ähnliche Dinge wie ich ansprechen. Die haben auch dieses Lustig-Machen über Doppelprivilegien. Im Video zu "Was für eine Zeit" haben die so einen "Refugees Welcome"-Dude, der auf einem symbolistisch ertrinkenden Flüchtling hockt und beide Daumen hoch zeigt. Das zeigen sie immer nur ganz kurz, es wirkt bei ihnen aber auch ganz anders, weil sie von Anfang an klarstellen, dass sie noch dieser linken, guten Sache angehören. Wenn man das offenlässt, rasten die Leute aus und schreiben riesige Analysen. Das wollte ich herauskitzeln.

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Wenn South Park was ähnliches sagt, dann weiß ich, dass das eine Satire-Serie ist, und dass die Leute mir anschließend in einem Interview erklären können, warum die diesen Witz gemacht haben. Bei dir sehe ich die Differenz nicht zwischen dem, was du auf dem Album sagst, und wie du dich in Interviews oder Forenbeiträgen artikulierst.
Da bist du tatsächlich so ein bisschen auf den zentralen Gag von dem Album gestoßen. Ich versuche, diese ganzen Rahmen durcheinander zu bringen. Im Gangstarap darf man das sagen, aber man darf nicht das sagen. Ein Comedian darf das sagen, aber er darf nicht das sagen. Und wenn sich jemand nicht daran hält, verstehen das die Leute nicht mehr. Das ist das stilistische Moment, woran sich dieses Album abarbeitet. Ich mache keine elf Songs, in denen ich Frauen vergewaltige und totprügle und dann mache ich einen Song, der deep ist und mit einem Pianobeat davon handelt, wie ich es wirklich meine und das sich alle Menschen vertragen sollen. So ein Karate Andi bricht halt Frauen die Zähne mit der Rohrzange raus und ich sage, dass bestimmte Spielarten des Feminismus übertrieben sind – und mein Album gilt als der krasse sexistische Scheiß und ich bin plötzlich ein halber Nazi, weil ich mich aus diesem Rahmen rausbewege. "Prezident gibt den Wutbürger gegen Linksgrünversiffte" stand original in den ersten Artikeln, die nach "Extrameile" gekommen sind. Die Leuten assoziieren damit irgendwelche konkreten politischen Positionen, die einfach nicht da sind.

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Du sagst auf deinem Album, dass es nicht relevant ist, ob gleichgeschlechtliche Paare heiraten wollen. Das ist eine politische Position.
Nein, was ich sage ist, ob das nicht ein Erste-Welt-Problem ist. Wenn sich Leute darüber beschweren, dass Leute über irgendwelche nichtigen Probleme rappen, dann aber denken, dass die Homoehe superwichtig ist.

Es ist wichtig für die Leute, die betroffen sind. Und dann so zu tun, als müsse man da nicht drüber reden und das wäre sowieso Quatsch, weil woanders sterben Menschen, ist eine rechtskonservative Argumentationstaktik und Position.
Wenn ich Martin Schulz sehe, wie er am Tag, an dem die Homoehe freigegeben oder als Institution geschaffen wird, in der Menschenmenge steht, und mit einem Pathos von jahrzehntelanger Unterdrückung spricht, als hätte er gerade Auschwitz befreit, dann ist das einfach albern. Ich finde das einfach albern.

Aber das sagst du nicht. Du sagst: Das ist ein First-World-Problem, warum interessiert sich jemand dafür? Die Leute, für die das eine ganz reale Ungerechtigkeit ist, die sich seit Jahren anhören müssen "Ihr seid anders, ihr seid nicht normal, und deswegen dürft ihr nicht heiraten", die können nichts dafür, was ein Martin Schulz daraus macht. Ich verstehe nicht, in welche Richtung du trittst, wenn du viele Sachen sagst.
Die Sache ist natürlich die: Fionn Birr, der diesen JUICE-Artikel geschrieben hat, meint ja, ich mache mich über diese Minderheiten lustig, die Gleichberechtigung wollen. Und dann kommt jemand anderes mit der "richtigen" Analyse und sagt: Nein, er macht sich darüber lustig, dass sich Leute Benachteiligungen imaginieren. Der rein sachlichen Textanalyse nach liegt die Lösung natürlich da, dass die Linie, die zwischen Beidem verläuft, nicht im Text auftaucht. Das ist natürlich das, was das Unbehagen schafft. Die Großerzählung hinter diesem Album ist, dass vieles hinter diesen linken Befreiungskämpfen mittlerweile zu einem Abarbeiten von Erste-Welt-Problemen oder auch imaginierten Problemen degeneriert ist, weil die Leute halt immer etwas zu tun haben müssen. Madame de Staël und Voltaire ist schon im 18. Jahrhundert, als tatsächlich noch ziemlich viele Leute gehungert haben, aufgefallen: Wenn man nichts mehr zu kämpfen hat, und kein Jenseits mehr, auf das man sich vertrösten kann, dann langweilt man sich. Deswegen kämpft man weiter.

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Was sind denn für dich imaginierte Probleme?
Mit Foucault ist ja die Idee der Historizität … Nee, ich möchte das jetzt ganz konkret von dir wissen. Ich weiß, dass du schlau bist, und ich weiß, dass du viele Bücher gelesen hast, und ich weiß, dass du sehr lange studiert hast. Ich will wissen, worauf du Bezug nimmst, wenn du von Dingen redest, die Leute sich angeblich aus Langeweile ausdenken, obwohl Menschen ganz real von Rassismus, Sexismus oder Homophobie betroffen sind.
Da ich die ganzen Sachen ja recht konstruktivistisch angehe, gibt es keine konkreten Probleme, alles existiert nur in einem bestimmten Kontext. Und ich spiele mit diesen Kontexten. Du sagst zum Beispiel, dass Leute sich Geschlechter ausdenken und #MeToo eine Geisteskrankheit ist.
Also erstens ist #MeToo ja nicht deshalb eine Kollektivpsychose, weil es damit irgendwie korrelierende Probleme nicht gäbe, sondern wegen der Art und Weise, wie diese Probleme als Wirklichkeit begriffen werden.

Was soll das heißen?

MeToo beginnt quasi mit den Anschuldigungen gegen [Harvey] Weinstein. Aber diese ganzen Diskurse sind ja schon seit Jahren da. Vorher gab es #Aufschrei, es gab #imzugpassiert – tatsächlich ist sexuelle Gewalt seit Jahrzehnten ein Reizthema. Es ist völliger Unsinn zu behaupten, das würde keinen interessieren oder da würde ein Schweigen gebrochen werden. Natürlich ist es unangenehm, betatscht zu werden. Aber dieser Pathos, mit dem diese Offenbarungen gefeiert wurden, auch mit diesem TIME-Cover für die Enthüllenden – das hat so einen Heldenstatus, den ich nicht angemessen finde, im Vergleich zu den Männern, die in der Normandie gelandet sind, um die Nazis zu bekriegen und dann Bauchschüsse kassiert haben.

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Gut, aber letztes Jahr sind keine Männer in der Normandie gelandet, um die Nazis zu bekriegen, und die TIME wählt jedes Jahr ihre Personen des Jahres. Wenn immer alles der Sieg gegen die Nazis sein muss, damit es für dich ein okayes Anliegen ist, dann ist das eine sehr hohe Hürde. Findest du nicht?
Wenn Weinstein, der sich nach allem, was ich wissen kann, die letzten Jahrzehnte wie das letzte Arschloch aufgeführt hat, endlich Konsequenzen zu spüren bekommt, dann ist das natürlich ein positiver Effekt. Aber die ganze Erzählung basiert im Prinzip darauf, zwar noch einen quantitativen Unterschied zu belassen, aber zwischen einer Vergewaltigung und einem Keuchen in den Telefonhörer stufenlose Übergänge zu bilden, weil die Kultur und Strukturen als allgegenwärtig imaginiert werden. Was irgendwie seltsamerweise dazu führt, dass sie ständig neu enthüllt werden müssen, obwohl sie ja eigentlich alle betreffen müssten, und alle ja irgendwie als Täter oder Opfer involviert sind. Sofern es um justiziable Sachen geht, hat #MeToo natürlich seine Berechtigung. Was das Ganze in die Richtung von Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien stellt, ist, dass das alles mit einem umfassenden Anspruch einhergeht und im Prinzip alles erklären soll, was irgendwie mit Macht, Geld, Sex, Machtmissbrauch und Gewalt zu tun hat. Hauptsächlich geht es darum, mächtige böse Männer zu imaginieren, die unschuldige und schützenswerte Frauen angreifen. Weinstein ist kein Warlord in irgendeinem Dritte-Welt-Land, er ist kein Drogenboss in Mexiko. … und er war auch kein Nazi und niemand musste in der Normandie landen, um ihn zu besiegen. Aber er war in einer Position, in der die Leute Angst hatten, dass sie ihre Jobs verlieren. Das ist doch eine ganz klare Machtposition.
Wie schlimm ist denn eine Vergewaltigung, wenn das nicht einmal ein hinreichender Grund ist, es öffentlich zu machen, weil man dabei Gefahr läuft, seinen Job zu verlieren? Worum es mir geht ist, dass aus all diesen Geschichten das Klischee vom mächtigen Mann spricht, das nicht weiter hinterfragt wird.

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Natürlich sind nicht alle weißen Männer "mächtig". Aber in den Fällen, wo sich das klar nachverfolgen lässt, ist das doch kein Klischee oder keine Phrase mehr, sondern eine Realität.
Ja, wenn es wahr ist, ist es nicht nur ein bloßes Klischee. Bei Louis CK gibt es zum Beispiel eine Geschichte, wo er als Gag-Schreiber Ende der 90er bei Saturday Night Live gearbeitet hat. Er fragt seine Sekretärin am Tisch daneben, ob er sich unter seinem Tisch einen runterholen darf, und sie sagt "Ja". Ihre explizite Begründung, warum sie ihm das hat durchgehen lassen, war: Die Strukturen waren so und Louis CK war ein mächtiger Mann. Und Louis CK war Ende der 90er kein mächtiger Mann, der war ein Gag-Schreiber bei Saturday Night Live. Außerdem verstehe ich den Fokus auf diese Sex-Sachen nicht. Man ist doch ständig in Situationen, in denen andere übergriffig sind. Leute furzen in Fahrstühlen, ich werde den ganzen Tag mit irgendeinem Scheiß belästigt.

Aber sexualisierte Gewalt oder Belästigung ist doch etwas anderes, als wenn dich jemand schubst. Das ist eine besondere Art von Übergriffigkeit.
Die Idee von sexueller Selbstbestimmung ist neu, die gibt es erst seit ungefähr dem zweiten Weltkrieg. Vorher hatte man diese Vorstellung überhaupt nicht. Die augustinische Sexualmoral geht ja zum Beispiel davon aus, dass man in der Ehe dem Partner wechselseitig verpflichtet ist, was 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurde. Vergewaltigung in der Ehe wurde als Straftatbestand erst 1990 eingeführt, weil es vorher diesen Rechtswiderspruch gab. Das ist ein kompletter ideengeschichtlicher Paradigmenwechsel, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattgefunden hat. Diese Idee, denke ich, ist eine Obsession geworden. Da folge ich Foucault, der sich gefragt hat: Warum glauben eigentlich alle Leute, dass ihr tiefstes Inneres im Sexuellen steckt? Das ist eine neue abendländische Idee. In den 68ern hat man dann geglaubt, dass wenn die sexuelle Befreiung erst da ist, auch die Befreiung von allen anderen Weltproblemen eintritt. Dagegen hat Foucault gesagt, dass Sex nichts ursprüngliches ist, was man befreien muss, das ist nicht der Kern der Identität. Es ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Du hast gesagt "Sexuelle Gewalt ist besonders schlimm", und ich sage dir, dass das am Zeitgeist liegt.

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Wenn ich dir mit einem Messer ins Bein steche, tut dir das doch auch dann noch weh, wenn es innerhalb des Zeitgeists total in Ordnung ist, Menschen abzustechen?
Es ist aber kein Messer. Sex ist ein Akt, den Leute ständig freiwillig machen.

Der aber in dem Fall nicht freiwillig passiert. Es ist doch auch ein Unterschied, ob du freiwillig etwas isst oder dich jemand zwangsernährt.
Es werden jeden Tag auch Kinder dazu gezwungen, etwas zu essen, was sie nicht essen wollen. Das ist jetzt wirklich der Punkt, wo ich dir vehement widersprechen muss. Und das ist vielleicht auch wichtig, weil es zeigt, wie unterschiedlich wir denken. Wenn du erstmal checkst, wie anders die Menschen früher gedacht haben, dann fängst du auch an, Distanz zu all den Kämpfen deiner eigenen Zeit zu gewinnen.

Dann kommen wir jetzt einfach mal zurück zu deinem Album. Da kommen Frauen im Gegensatz zu deinen vorherigen Releases nämlich vor allem als "Fotzen" vor.
Wobei das eigentlich geschlechtsneutral gemeint ist. Das ist so ein bisschen die angelsächsische Tradition der "Cunts".

Ich finde nicht, dass das geschlechtsneutral wirkt. Du benennst auf dem Album mehrfach namentlich Hengameh [Anm. d. Red.: Autorin und feministische Aktivistin] und in dem Emanzen-Kontext ist das absolut auf Frauen gemünzt. "Die sollen mal kleinere Brötchen backen, weil die haben eh keine Macht", und so.
Mir ist tatsächlich erst beim Schneiden von "Du hast mich schon verstanden" aufgefallen, dass die Reaction-Gifs von den empörten Gesichtsausdrücken, die ich eingebaut habe, meistens Frauen waren. Ich verstehe es schon ein bisschen. Man könnte tatsächlich glauben, dass diese Empörung und dieses Wehleidige und dieses Zurschaustellen von eigenen Befindlichkeiten irgendwie weiblich konnotiert ist. Ich müsste das Album jetzt nochmal selbst durchhören, um zu gucken, wie berechtigt das ist. Aber ja, ich hatte zwischenzeitlich auch die Überlegung, dass ich diesem Eindruck gegensteuern muss.

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Wenn ich mir die Kommentare unter den neuen Videos auf YouTube angucke, dann scheint es da einen ziemlichen Clash zwischen deinen "linken" Fans zu geben und denen, die sich offen zur AfD positionieren.
Ich habe meine komplette Karriere lang immer versucht, diese Fan-Künstler-Verschmelzung möglichst gering zu halten, damit ich jetzt an diesem Punkt sagen kann: Ich halte meine Fans nicht für irgendeine elitäre Gruppe, die besonders schlau ist. Ich stehe denen genauso skeptisch gegenüber wie jeder anderen Ansammlung von Menschen. Wenn ich irgendetwas an Kunst produziere, und das ist offen und kein Erklärbär-Rap, dann muss ich das so in die Welt stellen, und dann hören das eben alle möglichen Leute. Und wenn irgendwann der Punkt kommen sollte, dass 50 Prozent der Leute, die auf meinen Konzerten einlaufen, offen erkennbar Nazis sind, dann muss ich mir auf jeden Fall die Frage stellen, ob da nicht gründlich was falsch gelaufen ist.

Dafür, dass es kein Erklärbär-Rap sein soll, musst du jetzt im Nachhinein aber schon sehr viel mit literarischen und popkulturellen Bezügen erklären.
Im Endeffekt ist das ein Album, was von den Reaktionen lebt und wo Reaktionen Teil des Gesamtkunstwerks sind. Deinen Ansatz mit dem Frauenthema verstehe ich noch, aber der Vorwurf, ich sei rassistisch, macht für mich überhaupt keinen Sinn mehr. Das bedeutet für mich, dass ich das Album so nicht stehen lassen kann, sondern dazu Paratext liefern muss. Förmlich davon distanzieren will ich mich aber auch nicht, sowas finde ich ekelhaft. HipHop-Provokation ist normalerweise: Ich mache einen Song darüber, Schwule zu vergasen, dann schreibe ich ein Facebook-Statement, dass ich das nicht so gemeint habe, und alle sind beruhigt. Wenn Hitler von den Toten wiederauferstehen würde, würde er ein förmliches Statement bringen, in dem er sich vom Holocaust distanziert, und die meisten HipHop-Journalisten wären voll zufrieden. Und mein Album triggert sie, weil sie es nicht einordnen können.

Kurze Zwischenfrage: Bist du nicht eigentlich die am krassesten getriggerte Person, wenn du ein ganzes Album über diese bösen Linken machst?
Es ist ein Rant gegen Rants und dadurch natürlich paradox. Das stimmt.

Es ist ja auch keine unbequeme Position, die du da vertrittst. Die Zeit hatte kürzlich eine Titelgeschichte, in der ein Journalist Feminismus mit Faschismus verglichen hat, und das findet mitten im Mainstream statt. Im Endeffekt tust du dir also nicht weh damit, wenn du sagst, dass du es albern findest, wenn Leute für bestimmte identitätspolitische Dinge eintreten.
Das finde ich jetzt ein bisschen unfair. Was heißt, ich tue mir nicht weh? Ich finde es generell immer albern, wenn Leute irgendetwas Künstlerisches als mutig bezeichnen, aber sonderlich bequem war das jetzt auch nicht. Es wäre bequemer gewesen, irgendeinen Anti-AfD-Song zu machen, der dann von allen glücklich durchgereicht wird. Oder vieles von dem, was ich mit dem Album sagen will, so weiterlaufen zu lassen, dass es im normalen Nihilismus-Film untergeht und sich niemand Gedanken machen muss. Das wäre bequem gewesen. Was ich gerade mache, ist im Verhältnis dazu nicht bequem.

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