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Sieben Versprechen von Facebook-Chef Zuckerberg im Realitätscheck

Gleicher Datenschutz für alle, transparente Werbung, KI gegen Propaganda – Mark Zuckerberg hat bei seiner Anhörung in Brüssel so einiges versprochen. Wir analysieren, was er davon wohl halten kann.
Mark Zuckerberg vor seiner Anhörung im EU-Parlament | Bild: imago | ZUMA Press

"Ich möchte auf die Zeit achten", sagte Mark Zuckerberg bei seiner Anhörung vor EU-Abgeordneten, kurz bevor er den Termin mehr oder weniger selbst beendete. Wie schon vor dem US-Kongress musste sich der Facebook-Chef am Dienstagabend in Brüssel den kritischen Fragen von Politikern stellen und Sorry sagen .

Viel Zeit für unangenehme Fragen zum Cambridge-Analytica-Skandal gab es bei der Anhörung aber nicht. Denn nach Zuckerbergs vorbereitetem Eingangsstatement ließen sich die Abgeordneten insgesamt 45 Minuten lang Zeit, um ihre Fragen auszubreiten. Zuckerberg antwortete 20 Minuten lang und pochte dann darauf, dass die für die Anhörung eingeplante Zeit ja schon längst abgelaufen sei.

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Ein paar Zusagen über die Zukunft von Facebook hatte Zuckerberg den EU-Politikern dann aber doch gemacht. Fragt sich nur: Wie realistisch sind Zuckerbergs Pläne? Was können die Milliarden Nutzer der Plattform wirklich erwarten? Sieben Versprechen des Facebook-Chefs und wie gut sie wirklich sind.

1. "Wir machen Werbung auf Facebook viel transparenter"

Alle Nutzer sollen sich bei Interesse alle Werbeanzeigen anschauen können, die auf Facebook geschaltet wurden. Nicht nur die, die das soziale Netzwerk ihnen anzeigt, weil sie zu einer bestimmten Zielgruppe gehören. Dieses Experiment hat Facebook in Kanada bereits im letzten November gestartet und dann auf Irland ausgeweitet. Zuckerberg zufolge soll das noch in diesem Sommer ein weltweites Feature werden.

Eine solche Funktion wurde bereits während des deutschen Bundestagswahlkampfs gefordert, um Transparenz herzustellen. Auch im Bundestagswahlkampf nutzten Parteien sogenannte Dark Ads, also nur für bestimmte Gruppen sichtbare Anzeigen, um zielgerichtet Wähler anzusprechen. Bei der genauen Gestaltung dieser Funktion gibt es aber offenbar noch Verbesserungsbedarf. Bei den Tests in Kanada und Irland berichteten Medien, dass Nutzer die transparent gemachten Ads erstmal einige Zeit lang suchen mussten. Es ist daher unrealistisch zu glauben, dass besonders viele dieses Feature wirklich nutzen.

2. "Wir geben allen auf der Welt die gleiche Kontrolle über ihre Daten"

Etwas ähnliches hatte Zuckerberg bereits bei seiner Anhörung in den USA gesagt: Ja, Facebook werde allen Nutzern die gleichen Instrumente zur Verfügung stellen wie EU-Nutzern ab dem 25. Mai. Dann gilt nämlich die EU-Datenschutzgrundverordnung, mit wesentlich höheren Datenschutzanforderungen als in den USA. Bei seiner US-Anhörung konnte der Facebook-Chef aber noch nicht sagen, wie genau US-Nutzer der Nutzung ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen können. Auf seinem Notizzettel stand damals noch "Nicht sagen, dass wir schon tun, was die DSGVO verlangt".

In die Verlegenheit, genauere Nachfragen beantworten zu müssen, kam Zuckerberg bei der Anhörung in Brüssel aber nicht. Denn es waren schlicht keine Nachfragen möglich. Welche "Instrumente" Nutzer weltweit also genau bekommen und inwiefern sie sich eventuell doch von der DSGVO unterscheiden, bleibt zunächst ein Geheimnis.

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3. "Du kannst deine Facebook-History löschen wie Cookies"

Zuckerberg kündigte in Brüssel das "Clear History"-Feature an, das er Anfang Mai zuerst vorgestellt hatte. Das Löschen von Facebook-Daten soll für Nutzer damit so einfach funktionieren, wie einen Browserverlauf und Cookies zu entfernen. Dabei geht es nicht etwa um die Daten auf der Facebook-Seite oder in der App, sondern lediglich um Informationen, die Facebook von anderen Websites und Apps bekommen hat. Sogar ein permanentes Opt-Out aus dieser Art von Datensammlung soll möglich sein.

Das Versprechen ist kleiner als es zunächst klingen mag: Gelöscht werden durch das "Clear History"-Feature nur Daten von externen Websites, die Facebook-Ads und -Plugins verwenden. Alle Daten, die Nutzer direkt auf Facebook hinterlassen, bleiben davon unberührt. Hinzu kommt: Nur Nutzer mit Facebook-Account können das Feature in Anspruch nehmen. Wer keinen Facebook-Account hat und nicht möchte, dass der Konzern einen über Plugins auf externen Websites ausspioniert, ist genauso hilflos wie zuvor.

4. "Unsere KI markiert 99 Prozent des gesamten ISIS- und al-Qaida-Contents, den wir löschen"

Mark Zuckerberg will Terrorismus, Gewalt, Propaganda und Mobbing den Kampf ansagen, und zwar mit noch mehr KI-Tools und noch mehr Menschen, die Inhalte überprüfen. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Leute bei Facebook im Bereich Safety and Security sich verdoppeln, auf 20.000 Angestellte.

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Die Ankündigung, das zuständige Personal zu verdoppeln, stammt bereits aus dem Oktober 2017, als der Konzern sich vor dem US-Senat wegen russischer Einflussnahme auf die US-Wahlen verantworten musste. Wie erfolgreich Facebook wirklich schädliche Inhalte löscht, lässt sich von außen aber kaum kontrollieren, denn der Konzern gewährt nur sehr begrenzt Einblicke, wer genau nach welchen Kriterien Inhalte löscht. Auch was wirklich hinter der 99-Prozent-Quote der Facebook-KI steckt, muss zumindest hinterfraqt werden. Unklar ist nämlich, wie viele schädliche Inhalte komplett übersehen werden und gar nicht in die Statistik einfließen - und wie viele Inhalte fälschlicherweise gelöscht werden.

5. "Unsere Priorität ist, zu verhindern, dass sich jemand in Wahlen einmischt"

Zuckerberg wusste, was viele Parlamentarier in Brüssel wohl besonders beschäftigt: Sie haben Sorge vor mithilfe von Facebook verbreiteter Propaganda vor den EU-Wahlen, die im nächsten Jahr stattfinden werden. Auch in Lettland, Litauen und Brasilien wird bald wieder gewählt. Inzwischen gibt es viele Belege dafür, dass Facebook es nicht geschafft hat, russischen Einfluss auf die US-Wahl 2016 zu verhindern. Zuckerberg zufolge habe der Konzern bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland aber schon viel dazugelernt.

Auch wenn sich Facebook zunehmend gegen Hassrede und Propaganda stark macht: Politische Debatten und Polarisierung wird es auf dem sozialen Netzwerk wohl immer geben. Genauso wie Kampagnen, Werbeanzeigen und Einladung zu Events von politischen Akteuren. Noch immer verstärkt der Facebook-Algorithmus Themen, die Leute besonders emotional packen. Weil Facebook durch seine Größe längst Teil der Öffentlichkeit ist, wird es in irgendeiner Form immer auch die Öffentlichkeit beeinflussen.

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6. "In jedem Land und in jeder Sprache werden wir Factchecker haben, die Fake News aufspüren"

Facebook will falsche Nachrichten, die nicht von Spammern oder Fake-Accounts stammen, nicht einfach entfernen, sondern von Experten überprüfen lassen, und zwar offenbar für jede Sprache und für jedes Land auf der Welt. Die Zusammenarbeit mit externen Factcheckern begann schon im Jahr 2016. News, die von mehreren Factcheckern als faktisch falsch markiert werden, erscheinen weiter unten im News Feed und werden mit Hinweisen zum Kontext versehen. Das soll Nutzern helfen, die Nachrichten einzuordnen.


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Factchecker für jedes Land einzustellen ist ein vollmundiges Versprechen: Zwei Jahre nach Start des Projekts ist die Liste der Länder, für die es Factchecker gibt, nämlich noch ziemlich kurz. Neben den USA gibt es Factchecker in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Italien, im Facebook-Pressemitteilungen werden auch Indien und die Philippinen erwähnt. Da gilt es noch jede Menge Faktenprüfer zu finden. Unklar ist auch, ob die Arbeit der Factchecking-Teams überhaupt gut funktioniert. In den Philippinen wurden die Factchecker wegen mangelnder Neutralität kritisiert. Der Guardian berichtete von Journalisten, die für Facebook als Factchecker tätig waren. Sie bezweifelten dem Bericht zufolge, ob ihre Arbeit angesichts der vielen Desinformation überhaupt etwas bringe.

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7. "Ab dem 25. Mai sind wir DSGVO-kompatibel"

Zuckerberg scheint einer der wenigen Menschen zu sein, die sich überhaupt keine Sorgen machen, ab Freitag der EU-Datenschutzgrundverordnung vollständig gerecht zu werden. Viele Leute bei Facebook hätten Zuckerberg zufolge daran gearbeitet. Als wichtigen Punkt nennt Zuckerberg die Info-Fenster, durch die Nutzer sich klicken sollen, wenn sie Facebook nach dem 25. Mai weiter nutzen möchten. Auf diesem Weg sollen sie selbst entscheiden, welche Daten sie dem Konzern zur Verfügung stellen.

Der Haken an der Sache: Facebook legt den Nutzern in seinen Info-Fenstern nicht gerade den Datenschutz ans Herz. Wer zum Beispiel angibt, auf die Gesichtserkennung verzichten zu wollen, bekommt zunächst eine suggestive Warnung zu lesen: Ohne Gesichtserkennung könne Facebook nicht mehr helfen, wenn fremde Nutzer mit privaten Fotos Fake-Profile erstellen. Wer sich nicht viele Gedanken machen möchte, wird Facebook wohl auch künftig viele seiner Daten schulterzuckend zur Verfügung stellen.

Als Zuckerberg mit seinem höflichen Hinweis auf "die Zeit" die Sitzung selbst beenden wollte, hatte einer der Abgeordneten noch eine Zwischenfrage: Ob Nutzer widersprechen könnten, dass Facebook ihre Daten für zielgerichtete Werbung nutzen? Die DSGVO verlangt genau das und ein Ja von Zuckerberg wäre ein beachtlicher Schritt, um Dinge wie den Cambridge-Analytica-Skandal künftig zu verhindern. Doch eine Antwort blieb der Facebook-Chef schuldig. "I will follow up on that", sagte Zuckerberg, er werde darauf zurückommen. Schriftlich selbstverständlich.

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