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Missbrauchsvorwürfe

Mitglieder der Regensburger Domspatzen haben offenbar Mitschüler sexuell missbraucht

Ein ehemaliger Schüler sagt, ältere Chorknaben hätten jüngere systematisch zu sexuellen Handlungen gezwungen.
Foto: imago | epd

Als Ulrich Weber 2015 seine Ermittlungen zum Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen aufnahm, sagte er: "Ich springe in ein kaltes Wasser, in ein Becken, dessen Tiefe ich nicht kenne." Zwei Jahre später hatte der Sonderermittler in seinem Abschlussbericht über 500 Fälle dokumentiert, in denen ehemalige Domspatzen von den Priestern und Erziehern missbraucht worden waren. Doch das Becken um den Domspatzen-Missbrauch scheint noch viel tiefer zu sein: Ein ehemaliger Schüler ging nun mit neuen schweren Vorwürfen an die Öffentlichkeit.

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Fünf Jahre lang besuchte Thomas M. das Internat der Regensburger Domspatzen, von 1987 bis 1992. Über das, was er dort erlebte, habe er aus Scham nicht einmal mit seinen Eltern reden können, sagte M. gegenüber Report Mainz. Im ARD-Politikmagazin erzählte er nun, dass nicht nur das Personal des Internats Schüler missbraucht habe – sondern auch die Mitschüler.

"Ich weiß, dass es System hatte und auch gängige Praxis war, dass ältere Schüler sich an jüngeren Schülern vergriffen haben", so der ehemalige Internatsschüler. Schüler aus den achten, neunten oder zehnten Klassen hätten sich systematisch jüngere Mitschüler aus den unteren Stufen ausgewählt. M. sagt, auch er habe Übergriffe erlebt, sei selbst von Mitschülern missbraucht worden: in den Zimmern, in den Duschen, auf den Toiletten und bei Konzertreisen.


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Und M. war offenbar nicht der Einzige: Recherchen der Journalisten zufolge gibt es weitere Hinweise auf Übergriffe. Ein anderer ehemaliger Domspatz wurde 2016 wegen sexuellen Missbrauchs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Vor dem Regensburger Gericht hatte Christian F. gestanden, zwei Mitschüler im Alter von 13, beziehungsweise 11 Jahren zwischen 2003 und 2011 mehrmals missbraucht zu haben. Dem Urteil zufolge hat sich ein Fall in der Internatszeit zugetragen, die anderen erst nach der gemeinsamen Schulzeit. Dennoch: F. hatte die Betroffenen kennengelernt und betreut, während er in der Oberstufe war.

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Den Sonderermittler Weber dürften die neuen Vorwürfe nicht überraschen. Der Anwalt hatte vergangenen Juli seinen Abschlussbericht über das Regensburger Bistum vorgelegt, er hatte Übergriffe zwischen 1945 und 2015 dokumentiert. Weber schrieb damals, mehr als 500 Domspatzen seien Opfer von Gewalt, Misshandlung und sexuellem Missbrauch durch Priester und Erzieher geworden. Auch er beschrieb schon Fälle von ehemaligen Schülern, die ihm von Übergriffen durch ihre Mitschüler erzählt hatten. Dem sei in diesem Ermittlungsbericht allerdings vorerst nicht nachgegangen worden.

Und die Diözese? Als der Abschlussbericht vorgelegt wurde, äußerte sich der Generalvikar Michael Fuchs selbstkritisch: Das Bistum habe im Missbrauchs-Skandal schwere Fehler gemacht, sagte er. Die Kirche wolle bei der Aufklärung ähnlicher Fälle in Zukunft aktiver mithelfen. Als die Journalisten von Report Mainz die Regensburger Diözese allerdings zu den neuen Vorwürfen befragten, wollte sie sich auch nach mehreren Anfragen nicht äußern. Aktive Mithilfe sieht definitiv anders aus.

Update vom 22. März: Das Bistum Regensburg und die Stiftung der Domspatzen haben mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie die Vorwürfe aus der "Report Mainz"-Sendung thematisieren. Dort heißt es, Thomas M. habe sich 2010 und 2015 an die Diözese gewandt, eine Einladung des Missbrauchsbeauftragten zum Gespräch aber nicht angenommen. Auf die Anfrage der Journalisten habe das Bistum nicht reagiert, weil nicht klar gewesen sei, worum es dabei konkret gehe. Betroffene können sich weiterhin an die eingerichteten Hilfsstellen wenden.

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