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Was an der Insolvenz von Cambridge Analytica verdächtig ist

Die Firma hinter dem Facebook-Datenskandal erklärt sich für pleite. Doch führende Mitarbeiter sind längst zu einer anderen Firma mit dem gleichen Geschäftsmodell gewechselt. Vieles spricht dafür, dass das kein Zufall ist.
Bild: imago | ZUMA Press

Cambridge Analytica und die Mutterfirma SCL Elections haben sich nur kurze Zeit nach einer Welle an negativer Berichterstattung aufgelöst. Cambridge Analytica begründet diesen Schritt damit, dass die beiden Unternehmen insolvent seien, wie es auf der Firmenwebsite heißt. Die Datenanalyse-Firma präsentiert sich als Opfer, man sei "Ziel zahlreicher unbegründeter Anschuldigungen" und für legale Aktivitäten verunglimpft worden. Einer der Hauptvorwürfe: Das Unternehmen soll Daten von Millionen von Facebook-Nutzern abgegriffen haben, um sie im US-Wahlkampf für Kampagnen zugunsten von Donald Trump zu nutzen.

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Dass auf die massive öffentliche Kritik an Cambridge Analytica nun eine plötzliche Insolvenz folgt, wirkt zunächst dubios. Tatsächlich gibt ein Blick ins britische Handelsregister Anlass zum Zweifel, ob das ungewöhnliche Timing bloß Zufall ist. Einige Medien wie Business Insider vermuten inzwischen, dass Cambridge Analytica sein Geschäftsmodell unter einem neuen, unbelasteten Namen weiterführen möchte. Wir fassen zusammen, was nach aktuellem Stand dafür spricht.

Cambridge Analyticas Mutterfirma und Emerdata haben dieselbe Adresse

Unter derselben Adresse wie SCL Elections, die Mutterfirma von Cambridge Analytica, ist eine weitere Firma registriert. Im Londoner Bürozentrum Canary Wharf befindet sich nämlich auch das Unternehmen Emerdata. Das allein wäre nur ein schwaches Indiz, denn auf den 1,5 Millionen Quadratmetern Bürofläche sind viele Unternehmen repräsentiert – von der Deutschen Bank bis hin zur Europäischen Bankaufsichtsbehörde.

Es kommt aber noch ein Indiz hinzu: Emerdatas Selbstbeschreibung ähnelt stark dem Kerngeschäft von Cambridge Analytica. Laut dem britischen Handelsregister kümmert sich Emeradata nämlich um "Datenverarbeitung, Hosting und 'verwandte Aktivitäten'". Gegründet wurde die Firma im August 2017, also kurz nachdem Donald Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn angekündigt hatte, Details über seine Tätigkeit als Berater von SCL offenzulegen.

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Führende Cambridge-Analytica-Mitarbeiter wechselten zu Emerdata

Außerdem gibt es auffällige personelle Überschneidungen. Kurz nachdem der Cambridge-Analytica-Skandal am 17. März begann, wechselten Führungskräfte in beiden Firmen. Am 28. März wurde Alexander Tayler anstelle von Alexander Nix als Direktor von Emerdata eingesetzt. Kurz zuvor, am 20. März, war Nix als Geschäftsführer von Cambridge Analytica suspendiert worden.

Auszug aus dem britischen Handelsregister zu Emerdata

Muntere Personalwechsel bei Emerdata | Screenshot | companieshouse.gov.uk

Danach stieg Tayler zum kommissarischen Leiter von Cambridge Analytica auf, gab diese Rolle jedoch im April wieder auf und wandte sich wieder seinem vorherigen Arbeitsfeld als Chef der Datenanalyse zu.

Bereits am 16. März wurden auch Jennifer und Rebekah Mercer Teil der Führungsriege von Emerdata. Der Vater der Mercer-Schwestern ist der Milliardär Robert Mercer, einer der großen Geldgeber für Cambridge Analytica. Die Mercer-Familie unterstütze auch den Wahlkampf Donald Trumps. Rebekah war im Vorstand der Lobby- und Kampagnenorganisation "Make America Number 1", ihr Vater spendete zweistellige Millionenbeträge. Von dieser Organisation flossen wiederum zwischen 2015 und 2016 circa 1,5 Millionen US-Dollar zurück an Cambridge Analytica.


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Der 16. März liegt zwar vor den ersten Medienberichten des Guardian und der New York Times, die einen Tag später Informationen des Whistleblowers Christopher Wylie veröffentlichen. Doch es ist bekannt, dass Facebook bereits vor diesem Datum mit den Vorwürfen rund um die Datenanalysefirma konfrontiert wurde. Das Unternehmen gab bereits am 16. März in einer Pressemitteilung bekannt, dass es SCL und Cambridge Analytica von Facebook ausschließen werde, da unrechtmäßig Daten an diese Unternehmen geflossen seien.

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Am Geschäft mit Facebook-Daten ändert sich nichts

Dieser zeitliche Zusammenhang legt nahe, dass die Datenanalysten möglicherweise schon früh ahnten, wie groß der Skandal werden könnte – und entsprechende Vorbereitungen getroffen hatten. Fest steht: Der Markt für Analysen von Nutzerdaten wird bis auf Weiteres nicht verschwinden, trotz öffentlicher Empörung. Cambridge Analytica wurde wohl zum Verhängnis, dass sie die Daten mithilfe einer App bekamen, die offiziell für einen anderen Zweck programmiert worden ist.

Dass Datenanalyse auch für politische Zwecke genutzt wird, um Nutzern maßgeschneiderte Werbung anzuzeigen, ist längst Alltag. Alle größeren deutschen Parteien nutzten im Bundestagswahlkampf sogenanntes Microtargeting, also auf Nutzergruppen bezogene Werbebotschaften. Die CSU zum Beispiel spielte gezielt russischsprachige Wahlwerbung an Follower von Russia Today aus.

An Auftraggebern dürfte Datenanalysten wohl nicht mangeln, egal ob sie sich Cambridge Analytica oder Emerdata nennen.

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